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Difference between revisions of "Franz Kafka"

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Nach Kafka - Podcast von "'''Radio Chiflado'''"[http://taibo.podspot.de/]
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Revision as of 14:26, 12 November 2008

Es ist keine Widerlegung der Vorahnung einer endgültigen Befreiung, wenn am nächsten Tag die Gefangenschaft noch unverändert bleibt oder gar sich verschärft oder selbst wenn ausdrücklich erklärt wird, daß sie niemals aufhören soll. All das kann vielmehr notwendige Voraussetzung der endgültigen Befreiung sein - Franz Kafka thumb|right|Franz Kafka

KAFKA, ein empfindsamer Mensch hineingeboren zwischen die Mahlsteine der Geschichte; Jude zwischen Deutschen und Slawen, Freigeist zwischen Kaftan und Katholen, Dichter und Erfahrungssozialist zwischen Steinzeitkapitalismus und erwachender Klasse der Ausgebeuteten. Geboren im Zentrum der Prager Neustadt, als Nachbar der Kirche und mit Blick auf's mittelalterliche Rathaus, das 1945 beim Prager Aufstand von den Deutschen in Brand geschossen wurde, lebte er an der Schnittstelle vieler Welten. An der deutschen Karls-Universität studierte er Jura. Das Judenviertel der alten Kaiserstadt war eines der größten und geheimnisvollsten ganz Europas. Hier war die Wirkungsstätte des berühmten Rabbi Löw und seines legendären, gottgefälligen Dieners aus der Zwischenwelt, des "Prager Golem", einer frankensteinschen Figur, die der Rabbi aus Lehm schuf. Gustav Meyrink setzte dieser figur und seiner durch "Sanierung" und die Shoa für immer vernichteten Umgebung in seinem phantastischen Roman "Der Golem" ein unsterbliches Denkmal. Kafka liebte die schmalen, geheimnisumwehten und romantischen Gassen des Judenviertels, die Parks und alten Friedhöfe, und den die Stadt überstrahlenden Hradschin, die Kaiserburg mit Dom. Nach der patriarchalischen Hölle seines erzkonservativen, aber bigotten Elternhauses erlebte er als Angestellter der Arbeiter-Unfall-Versicherung alles Elend der gnadenlos ausgepressten Lohnabhängigen. Die steife Bürokratie der Versicherung ("das dunkle Bürokratennest") mit ihren ebenso gnadenlos Schicksale hinwegschiebenden Verwaltungsvorschriften und Paragrafen, und die rassistische Diskriminierung gegen ihn als Juden, waren für den sensiblen Kafka eine harte Schule. In dieser von Zwängen aller Art geprägten Lage muß sich sein anarchistisches Bewußtsein gebildet haben.

Michal Kachà, eine der zentralen Figuren des historischen tschechischen Anarchismus, konnte sich noch daran erinnern, daß Kafka ab und zu die Versammlung im "Klub mladych" (Klub der Jugend) besuchte, und an antimilitaristischen und antiklerikalen Versammlungen des Arbeitervereins "Vilem Körber" teilnahm. Zeitzeugen erinnerten sich, daß Kafkas Interesse an den dort geführten Diskussionen lebhaft war, obwohl er nie selbst das Wort ergriff. Er war en schweigsamer Mensch, was ihm seitens Kachà den Spitznamen "klidas" (Schweigerich, Schweigekoloß) eintrug. Kafkas Engagement in der anarcho-syndikalistischen Bewegung ist ebenfalls bezeugt. Michal Mares, ein junger Anarchist, der Kafka öfter zu anarchistischen Veranstaltungen einlud, schrieb über ihn:"Er saß gewöhnlich allein, niemand kannte ihn, ein stiller, aufmerksamer Zuhörer, ein Glas Bier vor sich, das er kaum anrührte", und rühmte seine unspektakuläre Großzügigkeit in Spendensachen. Eine der ersten Veranstaltungen auf dei Kafka ging, war die Protestversammlung gegen das Todesurteil des libertären Pädagogen Francisco Ferrer in Spanien 1909, die von der Polizei aufgelöst wurde. Im Mai nahm Kafka an der Gründungsversammlung von Jaroslav Haseks anarchistischer Fun-"Partei für gemäßigten Fortschritt in den Schranken des Gesetzes" teil. Über dieses denkwürdige Ereignis berichtete Kafka später Franz Werfel. 1912 wurde Kafka gar auf einer Protestversammlung gegen das Todesurteil des französichen Anarchisten Liabeuf verhaftet, als er in Seelenruhe mitten in der Polizeiprügel stehenblieb.

Sein theoretisches Fundament suchte er bei Autoren wie dem Niederländer Domela Niewenhuis, den Gebrüdern Reclus, Vera Figner, Bakunin, Alexander Herzen, Belinskij, Jean Grave, Kropotkin und anderen. So schreibt der am 15. Oktober 1913 in sein Tagebuch: "An Kropotkin nicht vergessen!"

Seine politische Einstellung fand auch im Privaten Niederschlag, als er z.B. seinen Vater als ausbeutenden Geschäftsmann kritisiert, der ihm gegenüber einmal die Angestellten als "bezahlte Feinde" bezeichnet hatte. Gegenüber dem Schriftsteller Max Brod stellt er die Verhältnisse in der Arbeiter-Unfall-Versicherung mit folgendem bezeichnenden Zitat dar: "Wie bescheiden diese Menschen sind. Sie kommen zu uns bitten. Statt die Anstalt zu stürmen und alles kurz und klein zu schlagen, kommen sie bitten."

Offenbar trug sich Franz Kafka sogar mit konkreten plänen einer neuen Lebensführung. 1918 entwarf er den Plan einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft "Die besitzlose Arbeiterschaft", für ein streng nach Rechten und Pflichten geregeltes bescheidenes Leben in gesellschaftlicher Verantwortung. Als Sympathisant der sozialistischen Chaluz (Pionier)-Bewegung träumte er davon, in Palästina das einfache Leben eines Handwerkers zu führen.

Gleichzeitig war er ein glühender Antimilitarist, der sich 1918 voll Ekel vom patriotischen Kriegsgegeifer abwandte. 1920 erklärte er dem gerade 17jährigen Gustav Janouch:"Die Dichter versuchen es, den Menschen andere Augen einzusetzen, um dadurch die Wirklichkeit zu verändern. Darum sind sie eigentlich staatsgefährliche Elemente, denn sie wollen ändern. Der Staat und mit ihm alle seine ergebenen Diener wollen nämlich nur dauern." Und über den Kapitalismus: "(...) ein System von Abhängigkeiten, (...) Alles ist abhängig alles ist gefesselt. Kapitalismus ist ein Zustand der Welt und der Seele." Zu den Organisationen der Arbeiterbewegung bemerkt er treffend: "Die Leute sind so selbstbewußt, selbstsicher und gut aufgelegt. Sie beherrschen die Straße und meinen darum, daß sie die Welt beherrschen. In Wirklichkeit irren sie doch. Hinter ihnen sind schon die Sekretäre, Beamten, Berufspolitiker, alle die modernen Sultane, denen sie den Weg zur Macht bereiten (...) Die Revolution verdampft, und es bleibt nur der Schlamm einer neuen Bürokratie."

Statt der sozialen Revolution sieht er in einer düsteren Vision schon die neue Nemisis am Horizont erscheinen: "Ich denke daß der Antisemitismus auch die Arbeiterschaft ergreifen wird. Das sieht man schon an der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt. Sie ist ein Ergebnis der Arbeiterbewegung. Sie sollte also vom lichten Geiste des Fortschritts erfüllt sein. Wie sieht es aber dort aus? Die Anstalt ist ein dunkles Bürokratennest, in dem ich als einziger Paradejude fungiere."

Franz Kafka starb am 3. Juni 1924 an Lungen-TB. Die furchtbare "kafkaeske" Realität des kommenden Nazireiches blieb ihm erspart, die seine Familie in die Gaskammern führte, und sein geliebtes Prag für immer zu einer anderen Stadt machte.

Siehe auch

Quelle

Aus TRAFIK, Internationales Journal zur libertären Kultur und Politik, Nr. 35, 11. Jahrgng, Mühlheim/Ruhr 1992, Preis 10 DM, Adresse siehe hinten "Anarchistische Zeitschriften" in Anarchistischer Taschenkalenda 1996

Kategorie:AnarchistInnen (20. Jh.) Kategorie:Literatur