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Demokratie

Aus <a href="http://deu.anarchopedia.org/Demokratie">Anarchopedia</a>, dem offenen Wissensportal für und von AnarchistInnen
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Die Demokratie (griechisch δημοκρατία, von δήμος démos "Volk", was so viel heißt wie "viele" oder "Mehrheit" und κρατία, kratía „Macht, Herrschaft, Kraft, Stärke") bezeichnete zunächst im antiken Griechenland die direkte Herrschaft eines Teils der Bevölkerung, d.h. der freien, männlichen Bürger, während die Bevölkerungsmehrheit ― Frauen, Sklaven, Kinder u.a. ― weitgehend rechtlos blieb. Heute wird Demokratie zumeist als allgemeinerer Sammelbegriff für Regierungsformen gebraucht, deren Herrschaftsgrundlage aus dem Volk abgeleitet wird. Da Anarchisten jede Form der Herrschaft ablehnen, lehnen sie auch die Herrschaft es Volkes ab (genau wie die "Diktatur des Proletariats"). Auffällig ist dabei, daß die Hinterfragung dieses Zustandsbegriffes in der Öffentlichkeit nicht stattfindet, ja de facto unter Strafe gestellt wird, während das zugeordnete Bewegungswort Populismus in der öffentlichen Wahrnehmung durchaus kritisch gesehen wird.


Demokratie ist nichts anderes
als das Niederknüppeln des Volkes
durch das Volk für das Volk.

Oscar Wilde

Die anarchistische Demokratie-Kritik

http://u-f-a.org.ru/arh_im/gr_mosk/demok_small.jpg

«Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.» ("Volksweisheit")

Eigentlich ist schon das Wort DEMOKRATIE eine Zumutung. "Demokratie" heißt "Volksherrschaft". Herrscht irgendwo "das Volk"? Natürlich nicht, bestenfalls darf das Volk Menschen wählen, von denen es sich beherrschen läßt. Und selbst die bekommt es vorsortiert angeboten.

http://meta.anarchopedia.org/images//d/d3/Wahl23.gif

Es gibt auch keine ”wirkliche” Demokratie, die noch auf ihre Einführung wartet. Auch Plebiszite (Volksabstimmungen) wie in der Schweiz wird erkennen müssen, das diese keineswegs demokratischer sind oder zu mehr Gleichheit führen. Das Ideal des gut informierten und politische interessierten Staatsbürgers (das selbst von großen Teilen der Linken geteilt wird) ist eine Illusion und geht nicht auf den sozialen und ökonomischen Kontextes der Demokratien im Kapitalismus ein.

Staat und Öffentlichkeit stellen, wie man es besonders in einem demokratischen System erkennen kann einen Kampfplatz unterschiedlicher Interessen dar. Dieser Kampfplatz kein neutrales Spielfeld, kein Kampfplatz unter Gleichen. Die Bedingungen werden durch verschiedene Faktoren festgelegt, wie die ökonomische Situation oder die Stärke der Interessengruppe. Die Politik in einer Demokratie muss immer dem kapitalistischen Interesse an einer Gewinnmaximierung und Kapitalakkumulation Rechnung tragen.


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Das Spielfeld wirkt sich auch strukturierend auf die Auseinandersetzungen und die aus ihnen resultierende politische Praxis aus. Die Demokratie vermasst Politik und Ideen. Der Zwang gewählt zu werden zwingt sie sich immer in erster Linie für Interessen einzusetzen, die in der Gesellschaft eine entsprechende Unterstützung findet. Dies ist nicht gleichbedeutend mit der Mehrheit der Bevölkerung. Reformen greifen z.B. auch oft das, wo es keine Lobby gibt und nicht dort, wo sie am sinnvollsten wären. Prozesse und Bedingungen, denen sich auch linke Parteien, die auf Regierungsbeteiligung abzielen, nicht entziehen können. Bevor es einer Partei gelingt, auch nur in die Nähe der Regierungsbeteiligung zu kommen, durchläuft sie in der Regel einen langjährigen Erziehungsprozess, in welchem sie sich an die ”Notwendigkeiten”, d.h. an die Verfolgung des kapitalistischen Gesamtinteresses immer weiter anpasst, einfach um einen größeren Wahlerfolg zu haben.

Ist eine Partei dann endlich an der Regierung, muss sie dafür Sorge tragen, dass sie die erreichte Zustimmung behält. Hier wird nun insbesondere wichtig, dass ihr ”politischer Gestaltungsspielraum” ganz entscheidend von ihren finanziellen Möglichkeiten abhängt: diese werden einerseits von der Höhe der Steuereinnahmen bestimmt und andererseits von der Höhe der Ausgaben, zu denen als größter Posten die sozialen Leistungen gehören. Bei einer erfolgreichen Kapitalakkumulation ist das Steueraufkommen hoch und die Sozialausgaben für Arbeitslose und Arme sind relativ gering. In Krisenphasen geht dagegen das Steueraufkommen zurück und gleichzeitig steigen die Sozialausgaben. Die materielle Grundlage des Staates ist somit unmittelbar mit der Kapitalakkumulation verknüpft; keine Regierung kommt an dieser Abhängigkeit vorbei. Zwar kann eine Regierung ihren finanziellen Spielraum mittels Verschuldung etwas erhöhen, doch wachsen damit auch die zukünftigen Finanzlasten. Zudem erhält ein Staat nur solange problemlos Kredit, wie die zukünftigen Steuereinnahmen, aus denen der Kredit zurückgezahlt werden soll, gesichert sind, was wiederum eine gelingende Kapitalakkumulation voraussetzt.

Eine wirkliche Demokratie wäre, wenn das ganze Volk über das ganze Volk herrschte, also jeder Mensch jedem anderen genausoviel zu sagen hätte, wie er sich von anderen zu sagen lassen hat. Das ist entweder Unsinn oder das Ende der Herrschaft von Menschen über Menschen. Denn wenn jeder jeden beherrscht, ist das genau dasselbe, wie wenn niemand herrscht. Da Menschen aber unterschiedliche Meinungen haben, kann solch eine Demokratie in einem Staat nicht funktionieren, es sei denn, eine Meinung setzte sich durch und unterdrückte viele andere. Genau das aber ist in unseren "Demokratien" der Fall. Der Unterschied zwischen Diktaturen und Demokratien besteht genau gesehen darin, daß in ersteren eine Minderheit die Mehrheit und in letzteren eine Mehrheit zahlreiche Minderheiten unterdrückt. Beides aber ist eine Herrschaft einiger über viele, also eine Oligarchie und keine Demokratie - auch, wenn sich die Herrschenden ihre Herrschaft von einer Mehrheit legitimieren lassen.

Weil aber Menschen verschiedene Meinungen haben, die sich eben nicht in einer Gesellschaft unter einen Hut bringen lassen, ist Demokratie - die Herrschaft aller über alle - entweder nur in kleineren Gruppen möglich oder gar nicht. Ein Netz kleiner Gruppen, eine Föderation verschiedener Gesellschaften aber ist nichts anderes als Anarchie. Wirkliche Demokratie ist also entweder anarchisch oder unsinnig.

Nun wissen wir ja alle, daß man bei uns unter "Demokratie" etwas ganz anderes versteht, nämlich das parlamentarische System. Viele Menschen halten es für das beste aller Systeme. Zugegeben, es gibt schlechtere. Aber hier geht es nicht um die Frage, wie viele Menschen sich in der "parlamentarischen Demokratie" ziemlich wohl fühlen weil nichts besseres zur Hand ist, sondern darum, ob der Parlamentarismus überhaupt eine Demokratie ist.

Natürlich gibt es auch hier einen Herrscher - statt des Königs, Kaisers oder Diktators eben einen Präsidenten, Kanzler oder Premierminister. Sie alle - die "Diktatoren" wie die "Demokraten" - sind Repräsentanten jener grundlegenden staatlich wirtschaftlichen Interessen, die wir bereits betrachtet haben. Deshalb macht es für AnarchistInnen keinen Unterschied, ob sie diesen oder jenen wählen oder ob sie überhaupt wählen, denn ihrer Meinung nach unterscheiden sie sich nur in ziemlich unwesentlichen Punkten. Im wesentlichen, in ihrer Einstellung zum Staat und dessen Interessen, sind sie sich gleich. Der Anarchismus geht davon aus, daß Staatlichkeit im Grunde immer anti-freiheitlich eingestellt sein muß. Durch die Verlockungen der ihr eigenen Hierarchie wird sie immer einen Repräsentanten finden, der ihre Interessen vertritt. Egal, ob ein bißchen linker oder rechter, Hauptsache, es geht nicht ans Eingemachte - und dafür sorgen Grundgesetz und "parlamentarische Spielregeln". Schlußendlich ist es auch egal, ob gewählt oder nicht; aber gewählt ist im Zweifelsfalle besser, denn jede Unterdrückung legitimiert sich am liebsten dadurch, daß die Unterdrückten sich ihre Unterdrücker selbst ausgesucht haben: die Regierung. Die wahren Mächtigen bleiben dezent im Hintergrund. Aber haben wir eigentlich eine Wahl?

Demokratie löst keine Probleme

Doch.

Wahlen ohne Alternative?

Ein wesentliches Verfahren zur Herstellung von Legitimation wie auch eines kapitalismus-konformen Konsenses sind (angeblich) "allgemeine, geheime und freie Wahlen". Damit wird es der Bevölkerungsmehrheit möglich, missliebige Politiker oder Parteien abzuwählen und durch andere zu ersetzen. Die neue Regierung, egal ob sich ihre Politik von derjenigen der alten Regierung unterscheidet oder nicht, kann sich gegenüber Kritikern darauf berufen, dass sie ”gewählt” und somit von der Mehrheit der Bevölkerung auch ”gewollt” sei. Diese ”Legitimität durch Verfahren” steht in der politikwissenschaftlichen Behandlung der Demokratie im Vordergrund – bei weitgehender Ausblendung des kapitalistischen Kontextes. Dem Unmut der Bevölkerung über die Zumutungen der Politik wird durch die Möglichkeit von regelmäßigen Wahlen nicht nur ein frühzeitiges Ventil geboten, er wird auch kanalisiert, indem er sich gegen einzelne Politiker und Parteien richtet und nicht gegen das politische und ökonomische System, das hinter deren Politik steht. Dementsprechend gilt in der bürgerlichen Öffentlichkeit ein politisches System dann als demokratisch, wenn es die effektive Möglichkeit zur Abwahl der Regierung bietet.

Eine Wahl ist eine Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Alternativen. Nehmen wir einmal an, Sie gingen in einen Supermarkt, in der Absicht, Schokolade zu kaufen und dort fänden Sie sich vor der Möglichkeit, zwischen einundzwanzig verschiedenen Waschmitteln "wählen" zu dürfen - und sonst nichts. Sie könnten sicher eine "Wahl" treffen, aber nicht das wählen, was Sie wollen. Es wäre keine Wahl zwischen wirklichen Alternativen.

Natürlich kann man sagen, die Partei X ist ein wenig liberaler, sozialer und freiheitlicher als die Partei Y. Wenn aber das Ziel Freiheit ist, und Freiheit nur ohne Staat und Regierung geht, alle Parteien aber Staat und Regierung sind, so kann ich eben nicht das wählen, was ich will. Ich muß es schon selber herstellen, erreichen, aufbauen. Wenn ich ein Leben ohne Regierung will, ist es absurd, mir die Leute auszuwählen, die mich regieren sollen.

AnarchistInnen sehen dies alles aus einer sehr radikalen Perspektive: Wenn ich Gefängnisinsasse/in bin und freikommen möchte - so argumentieren sie -, werde ich diese Freiheit nicht erreichen, indem mir die Gefängnisverwaltung die Wahl des Wachpersonals ermöglicht. Da mag es zwar Wärter geben, die nicht prügeln und mir den Alltag erträglicher machen. Vielleicht ist es gut, wenn ich die wähle, dann geht es mir besser. Aber im Gefängnis sitze ich nach wie vor. Womöglich gewöhne ich mich sogar an den Knast, ebenso wie meine MitgefangenInnen: wir lassen uns in das System einspannen, genießen kleine Verbesserungen und vergessen das Ziel. Am Ende beteiligen wir uns gar an einer Häftlingsselbstverwaltung und bewachen uns selbst.

Ersetzt man die Begriffe "Gefängnis" durch "Kapitalismus" und "Bewacher" durch "Staat", so wird dieser Vergleich zum drastischen Gleichnis der jüngeren politischen Geschichte: AnarchistInnen haben seit jeher dafür plädiert, das Gefängnis niederzureißen und ein neues Leben zu beginnen. KommunistInnen haben ein Loch in die Mauer gesprengt, sind ausgebrochen und haben an anderer Stelle ein noch größeres Gefängnis gebaut. SozialdemokratInnen haben gemeint, man könne der Gefangenschaft auch entrinnen, indem man zunächst die netteren Bewacher wählt und sich dann selber wählen läßt. Heute sind sie ab und zu GefängnisdirektorInnen und mühen sich nach Kräften, daß es den Insassen dann etwas besser geht.

Betrachten wir statt des Zielbegriffs "Freiheit" einmal das reale Problem der Umweltzerstörung, so wird die Absurdität parlamentarischer Wahlen noch augenfälliger: Stellen wir uns die Gesellschaft als einen Zug vor, der auf den Abgrund einer ökologischen Katastrophe zufährt. Ein Gleis zweigt rechts ab und führt direkt ins Verderben, die mittlere Schiene ist etwas länger, und der linke Abzweig fährt noch einen kleinen Umweg, landet am Ende aber auch im selben Loch. Wahlen zwischen diesen drei Weichenstellungen sind keine Wahlen zwischen wirklichen Alternativen. Die wirkliche Alternative wäre, eine neue Gleisanlage zu bauen. Dafür sind die AnarchistInnen und dafür waren vor nicht allzulanger Zeit auch noch die Grünen. Inzwischen haben sie sich für das linke Gleis entschieden, unter der Bedingung, während der Fahrt ein bißchen an der Bremse ziehen zu dürfen.

So stellt sich den LibertärInnen die Spielwiese der parlamentarischen Demokratie dar: sie läßt den Menschen die Illusion, etwas zu entscheiden, wo doch längst alles Wesentliche entschieden ist und von uns gar nicht entschieden werden darf. Genau das ist der Grund, warum sich AnarchistInnen in der Regel nicht an Wahlen beteiligen.

Die meisten Menschen glauben an Wahlen oder meinen zumindest, die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien seien Grund genug, wenigstens das kleinere Übel zu wählen. Die Frage aber bleibt, ob sie dabei wirklich wählen. Zum Beispiel den Bundeskanzler. Wählen wir ihn? Stellen wir die Kandidaten auf? Wir wählen allenfalls zwischen zwei längst gewählten Ähnlichkeiten. In Wahrheit hat kein einfacher Bürger einen tatsächlichen Einfluß auf das politische Geschehen seines Landes - das Vorrecht, das uns die parlamentarische Demokratie gewährt, ist, alle vier Jahre ein Kreuz auf einer Liste schon lange zuvor ausgewählter Menschen zu machen. Sind diese erst einmal gewählt, haben wir keinerlei Einfluß mehr auf ihr Handeln. Im Prinzip können sie machen, was ihnen beliebt. Viele PolitikerInnen scheren sich schon am Tag nach der Wahl nicht mehr um ihre Zusagen und den Willen ihrer Wähler. Das steht, etwas feiner ausgedrückt, auch im Grundgesetz: PolitikerInnen sind nur ihrem Gewissen verantwortlich.

Was ist schlecht an Hierarchie?

Hierarchie entfremdet. Wers glaubt.