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Antisemitismus

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Entstehung des Begriffs und wesentliche Elemente

Der Begriff Antisemitismus kam in den 1870er Jahren im Deutschen Kaiserreich auf und wird oft dem Journalisten Wilhelm Marr zugeschrieben. Der Begriff entstand im Kontext eines rassistischen Diskurses, in dem das Judentum als "Rasse" der "Semiten", im Unterschied zu den (nichtjüdischen) Deutschen als "Ariern" definiert wurde. Dieser Rassen-Antisemitismus erlebte seine "Blütephase" zwischen den 1870er Jahren und 1945 und mündete in der Ermordung von Millionen von jüdischen und als jüdisch definierten Menschen durch den deutschen Staat während des Zweiten Weltkriegs(Holocaust, Shoah). In den antisemitischen Schriften jener Zeit wird "der Jude" oder "das Judentum" als Klischeebild konstruiert, dem alle möglichen negativen Eigenschaften attestiert werden und das als Erklärung für als negativ angesehene gesellschaftliche Phänomene herhalten muss. Einige dieser Stereotypen sind die Assoziation des Judentums mit Kapitalismus, hemmungslosem Profitstreben, "raffendem Kapital" (im unterschied zum "deutschen, schaffenden, Kapital") Internationalismus, Sozialismus oder Bolschewismus. Die Stereotypen haben sich mit der Zeit weiterentwickelt, jedoch gibt es einige Konstanten, zumindest für die Zeit bis 1945. Eine wesentliche Konstante ist das antisemitische Argumentationsmuster, durch die kapitalistischen Entwicklungen hervorgerufene soziale Verwerfungen mit dem Judentum zu identifizieren. "Die soziale Frage ist die Judenfrage", hieß es schon in der Kaiserzeit. Ein anderes wesentliches Element in dieser Zeit ist die Verknüpfung von Antisemitismus und völkischem Nationalismus. In der völkischen Sichtweise werden "die Juden" als "Volksfremde" und Feinde des "deutschen Volkes" gesehen.

Ursprünge des Antisemitismus: Geschichte der Judenfeindschaft

Die Wurzeln des Antisemitismus reichen bis weit vor der Entstehung des Begriffes zurück. Oftmals wird im Unterschied zum modernen Rassenantisemitismus für frühe historische Phasen von "Judenfeindschaft" gesprochen. Eine Wurzel der europäischen Judenfeindschaft liegt im Christentum, und damit in den Jahrhunderten nach Christi Geburt. Zunächst war das Christentum eine jüdische Sekte, aber als es zur Staatsreligion des Römischen Reiches wurde, wurde dies mit einer steigenden Abgrenzung zum Judentum verbunden, und seit dem Mittelalter waren die Juden vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt. Erste massive Gewalt gegen Juden gab es zur Zeit der Kreuzzüge, und in darauf folgenden Jahrhunderten, bis ins 20. Jahrhundert hinein kam es immer wieder zu Gewaltwellen gegen Juden. Im Mittelalter wurden Juden vielfältigen Sondergesetzen unterstellt, und es kam auch zur staatlichen Vertreibungen (aus England, Frankreich, Spanien, und einigen deutschen Fürstentümern). Den Juden wurden vielfältige Vorwürfe gemacht: sie wurden als "Gottesmörder", "Brunnenvergifter", "Wucherer" etc. dargestellt. Man könnte argumentieren, dass antijüdische Stereotype und Argumentationsmuster über die Jahrhunderte zum europäischen "kulturellen Erbe" geworden sind.

Vor allem im Zuge der bürgerlichen Revolutionen verbesserte sich die Lage der Juden in Europa und es wurden viele diskriminierende Gesetze aufgehoben (Judenemanzipation). Doch kam es zu Gegenreaktionen von konservativen Kräften, die sich antijüdischer Argumentationsmuster bedienten, und u.a. argumentierten, dass die Juden nicht zum Ackerbau fähig seien und nur in "unproduktiven Berufen" zu finden seien. (In Wirklichkeit waren die Juden in großen Teilen Europas durch diskriminierende Gesetze von Ackerbau und Handwerk ausgeschlossen worden.) Der moderne Antisemitismus des 19. Jahrhunderts muss im historischen Kontext der Reaktion auf die Judenemanzipation, d.h. Erringung der weitgehenden Gleichberechtigung der Juden in der bürgerlichen Gesellschaft, gesehen werden.

Antisemitismus nach 1945

Nach der industriellen Vernichtung von Millionen von Juden durch den deutschen Staat im Zweiten Weltkrieg hat der Antisemitismus in der Weltgemeinschaft weitgehende Ächtung erfahren. Heute würden sich nur noch extreme rechte, mit dem NS identifizierende Menschen, selbst als Antisemiten bezeichnen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Antisemitismus aus weiten Teilen der Bevölkerung einfach verschwunden ist. Auch wenn es öffentlich geächtet ist (bzw. war), antijüdische Äußerungen zu machen, bedeutet dies nicht, dass solche nicht hinter vorgehaltener Hand gang und gäbe sind. Manchmal treten sie auch an die Öffentlichkeit, z.B. durch Äußerungen berühmter Schriftsteller (Martin Walser) oder Politiker (als jüngstes Beispiel Jürgen Möllemann und Martin Hohmann). Dies löst gewöhnlich einen öffentlichen Skandal aus, woran deutlich wird, dass zumindest weite Teile der deutschen Öffentlichkeit Antisemitismus nach wie vor nicht tolerieren. Dennoch verzeichnen jüngste Untersuchungen einen Wiederanstieg (nicht nur Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern wie z.B. Frankreich).

Der Antisemitismus in Deutschland nach 1945 hat einige Formveränderungen erfahren. Obwohl nach wie vor viele alte Stereotypen weiter bestehen (wie das vom Geld raffenden Juden), so sind neue Elemente hinzugetreten, die unmittelbar mit der Verarbeitung des Holocaust zu tun haben. Die Form des Antisemitismus wird auch als "sekundärer Antisemitismus" oder "Schuldabwehrantisemitismus" bezeichnet. Hier wird "den Juden" u.a. vorgeworfen, sie würden aus dem Holocaust Kapital schlagen wollen.

Antisemitismus in der islamischen Welt

Oftmals argumentieren AraberInnen, wenn sie mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert sind, sie koennten gar keine Antisemiten sein, da sie ja selbst "Semiten" (und damit Opfer von Antisemitismus) seien. Diese Argumentationsweise knuepft an ein sprachwissenschaftliches Faktum an, naemlich dass Arabisch (neben Hebraeisch) eine semitische Sprache ist. Jedoch wird bei dieser Argumentationsweise die Bedeutung des Begriffes Antisemitismus missinterpretiert. Der Begriff ist naemlich, wie oben dargestellt, als spezifisch gegen "die Juden" oder "das Judentum" gerichtet verstanden wurden, die als "Semiten" definiert wurden. Dabei wurde der Begriff "Semit" von den Antisemiten nicht sprachwissenschaftlich, sondern rassisch verstanden, da ja die meisten Juden deutsch- oder jiddisch oder andere indo-europaeische Sprachen als Muttersprachen hatten, und nicht hebraeisch.

Was ist nun das Verhaeltnis der islamischen Welt zum Antisemitismus? Zunaechst einmal muss man festhalten, dass die Judenfeindschaft in der islamischen Welt, im Gegensatz zum Christlichen Europa, keine Jahrhunderte bis Jahrtausende alte Tradition hat. In den muslimischen Gesellschaften waren die Juden, obwohl sie nicht alle Rechte wie die Muslime hatten, allgemein als Minderheit anerkannt, die ueber vielfaeltigen Schutz verfuegten. Es gab keine weitverbreitete Tradition antijuedischer Gewalt und Vertreibungen wie im christlichen Europa. Auch wenn es Zeiten religioeser Intoleranz gab, waren im allgemeinen die muslimischen Laender toleranter. Antijuedische Ideen sind auch nicht so tief in der islamischen Religion wie im Christentum verwurzelt.

Der moderne Antisemitismus ist in Europa entstanden und kam ueber Europa in die islamische, v.a. die arabische Welt. Erklaerungsfaktoren dafuer sind u.a. der europaeische Imperialismus und Kolonialismus, die Entstehung des Panarabischen Nationalismus, der umkaempfte Status von Palaestina/Israel und die Propaganda der Nazis im Zweiten Weltkrieg. Der Zerfall des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg fuehrte zur Besetzung arabischer Gebiete (unter dem Mandat des Voelkerbundes) durch Grossbritannien (Irak) und Frankreich (Syrien). Gleichzeitig gab es das britische Mandatsgebiet Palaestina, in dem es eine zionistische juedische Einwanderung aus Europa gab. Dies alles fand im Kontext eines erstarkenden arabischen Nationalismus statt, der stark vom kulturalistischen deutschen Nationalismus inspiriert war. In den Jahrzehnten nach dem ersten Weltkrieg kaempften arabische Nationalisten im Irak und Syrien kaempften zusammen mit solchen aus dem Palaestinensischen Mandatsgebiet gegen die juedische Einwanderung, die sie ihrem Ziel der Schaffung eines Grossarabiens entgegengesetz sahen. Gleichzeitig gab es ein starkes Ressentiment vieler panarabischer Nationaliten gegen die Besatzer Grossbritannien und Frankreich. In diesem Kontext konnte die Propanda der Nazis auf fruchtbaren Boden fallen. In den 30er Jahren gab es in Syrien und Irak profaschistische Organisationen, die sich an Deutschland orientierten. Fuer die Nazis war diese Allianz rein strategisch, da sie die AraberInnen als "minderwertige Rasse" ansahen. Sicherlich teilten die profaschistischen arabischen Nationalisten ebenfalls nicht alle Elemente der Nazi-Ideologie (v.a. nicht deren Theorie der Ueberlegenheit der "arischen Rasse"), dennoch wurden einige Elemente der Nazi-Propaganda (getreu dem Motto, der Feind meines Feindes ist mein Freund) uebernommen. V.a. die antijuedische Propaganda fiel bei arabischen Nationalisten auf fruchtbaren Boden, und so kamen viele Elemente des Europaeischen Nationalismus in die arabische Welt.

Somit war das Auskommen des Antisemitismus in der arabischen Welt von Anfang an unmittelbar mit der Palaestinafrage verknuepft. Dies heisst jedoch nicht, dass alle arabischen "AntizionistInnen" Antisemiten sind. Der Kampf der PalaestinenserInnen gegen die Besatzung kann vor allem als antikolonialer Kampf angesehen werden, der viel mehr mit anderen antikolonialen Kaempfen wie zum BeBeispiel dem Algerischen Befreiungskrieg oder den Befreiungskaempfen im Suedlichen Afrika zu tun hat, als mit Nationalsozialismus. Ein grosses Problem ist jedoch, dass aufgrund der Entwicklung des Staates Israel nach dem Holocaust und der historischen Legitimation des Zionismus und Israels aus der Erfahrung des europaeischen Antisemitismus und des Holocausts (und oft auch seiner politischen Instrumentalisierung durch israelische und US Amerikanische Rechte) holocaustleugnende und andere antisemische Schriften aus Europa (wie den Protokollen der Weisen von Zion) in der Arabischen Welt nach wie vor auf fruchtbaren Boden fallen. Hinzu kommt eine politische Instrumentalisierung des Palaestinaproblem durch viele arabische Staaten, die nicht am Schicksal der PalaestinenserInnen interessiert sind, sondern in Israel einen Suendenbock gefunden haben, um von innenpolitischen Problemen abzulenken.

Nicht nur der saekulaeren arabischen Nationalismus, sondern auch im Islamismus (der den Nationalismus als dominante Ideologie der Intellektuellen in weiten Teilen des Nahen Ostens abgeloest hat) bedient sich Stereotypen und Argumentationsmuster, die aus dem europaeischen Antisemitismus stammen. Bin Laden redet z.B. vom Kampf gegen Zionisten und Kreuzzuegler.


Antisemitismus und Israel

Antisemitismus in der deutschen Linken

Seit den 1980er und v.a. den 1990er Jahren ist es in der bundesdeutschen Linken verstaerkt zur (selbstkritischen) Auseinandersetzung mit Antisemitismus gekommen. ...


Linke Theorien ueber den Antisemitismus

In der radikalen Linken in Deutschland sind einige vom Marxismus und der Kritischen Theorie (Frankfurter Schule) inspirierte Theorien des Antisemitismus populaer. Das in den 1940er Jahren geschriebene Buch "Dialektik der Aufklaerung" von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno enthaelt ein "Elemente des Antisemitismus" betiteltes Kapitel, in dem unter anderem an Freudianische Konzepte angeknuepft wird (z.B. Projektion). Ein weiterer in der radikalen Linken in Deutschland einflussreicher Text ist ein aus den 1980er (?) Jahren datierende Artikel von Moishe Postone, der an die Marxsche Werttheorie anknuepft.