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os cangaceiros
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Os Cangaceiros
„Wenn wir die Banken plündern, dann deshalb weil wir erkannt haben, dass das Geld der Hauptgrund unser aller Elends ist. Wenn wir die Fenster einschlagen, dann nicht weil das Leben teuer ist, sondern weil die Waren uns davon abhalten, um jeden Preis zu leben. Wenn wir die Maschinen zerstören, dann nicht aus dem Wunsch die Arbeit zu beschützen, sondern um die Lohnsklaverei anzugreifen. Wenn wir die Polizei angreifen, dann nicht um sie aus unseren Vierteln zu jagen, sondern um sie aus unseren Leben zu vertreiben. Das Spektakel würde uns gerne fürchterlich aussehen lassen. Wir versuchen viel schlimmer zu sein.“
Die Totengräber, Paris, Mai 1980
Der Mai wird zu Neujahr
Os Cangaceiros war eine Gruppe von proletarischen Revolutionären, die aus den Studenten- bzw. Arbeiterunruhen und Besetzungen im Frankreich des Mai 1968 hervorging. Os Cangaceiros – oder Les Fossoyeurs du vieux monde (Totengräber der alten Welt), wie sie auch genannt wurden – kamen in Nice, Frankreich, zusammen und waren charakteristisch für die neuen antagonistischen Sozialbewegungen des Europas nach dem Mai `68, die nichts weniger als das „Ende der Politik“ forderten. In Lokalzeitungen wurden sie als „Hooligans“ und „jugendliche Delinquenten“ bezeichnet. Sie hatten keine offizielle Struktur, sondern bildeten ein Kollektiv aus individuellen Begierden, fähig sich in gegenseitigem Ausdruck zu finden. Mit „Ne travaillez, jamais!“ als Programm, machten sie sich daran jene Umstände zu schaffen, die dies sofort möglich machen würden. Zu diesem Zweck kollektivierten sie ihre Ressourcen und kriminellen Begabungen, die ihnen durch ihr Verlangen nach Abenteuer vertraut waren. Sie reisten durch den Süden Frankreichs, gewannen Freunde und initiierten autonom politische Aktionen; meistens gegen die Polizei, die Gewerkschaftsbürokratie, Politiker und soziale Manager aller Art. Sie lebten nomadisch, strebten danach Orte zu finden, wo die Unzufriedenheit ihren Höhepunkt erreichte und bereisten diese, um Situationen dort im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verschärfen. Insbesondere versuchten sie die Rolle der liberalen, sozialen Demokraten und Linken beim Manipulieren und Befrieden von jenen aufzuzeigen, die zu ihrem eigenen Nutzen revoltierten, indem sie die Bestimmung des Kampfes aus den Händen der generalisierten Radikalität nahmen, die ihre eigene Dynamik hatte.
„Wir wollen ein für allemal klar machen, dass wir, Os Cangaceiros, nicht aus der Linken kommen; es gibt keinen einzigen ehemaligen Linken unter uns. Keiner von uns hatte jemals etwas mit irgendeiner politischen Couleur zu tun. Wir haben nur eine Art der Beziehung zu politischen Gruppen und Organisationen: Krieg. Sie sind alle ausnahmslos unsere Feinde.“
Dies beinhaltete auch den Anarchismus und ihre Kämpfe mit Anarchisten in Paris, welche zumindest zu einem Todesopfer führten.
Jenseits von Frankreich
In den späten 1970er Jahren reisten sie ausführlich in Italien, wo die Autonomia ihren ersten Höhepunkt erreichte und der revolutionäre Moment die Fabriken und die Jugend der Kontrolle der Kommunistischen Partei und der Gewerkschaften entriss. Dort begegneten sie auch Comontismo, der sich für einen „kriminellen Kampf gegen das Kapital“ aussprach und erlebten aus erster Hand den gewalttätigen Angriff der italienischen Unkontrollierbaren auf den Staat. Da ihre Handlungsmethoden sie häufig in die Illegalität und manchmal auch ins Gefängnis brachten, begriffen sie dessen Bedeutung und richteten ihre Aufmerksamkeit später fühlbarer auf das System von Verbrechen und Strafe. In den 80er Jahren folgten O.C. Aufruhren im ganzen Land bzw. auf dem ganzen Kontinent, verbreiteten Subversion und bildeten soziale Netzwerke in Paris, Lyon, Belgien, Polen, Brixton und Toxteth. Der Reiz, der sie zu diesen Orten zog war unterschiedlich; in Lyon war es der Nervenkitzel des Joyriding und das Auflauern und Angreifen von verfolgenden Polizeiautos durch eine mit Steinen wartenden Menge. In Polen waren es die wilden Streiks und Besetzungen gegen die kommunistische Regierung. In Brixton und Toxteth war es die Explosion der Innenstadtjugend gegen die Langeweile und die Polizeirepression. An jedem dieser Orte führten sie ihre eigenen Aktionen als Beitrag zum Kampf durch, ohne die lokalen Teilnehmer in welcher Weise auch immer zu beeinflussen. In ihrem damaligen Journal, welches keine politische Veröffentlichung, sondern eher eine Zusammenfassung ihrer Aktivitäten und Reflektionen darauf war, behandelten sie Fragen wie zum Bedürfnis an Unsichtbarkeit (und der konsequenten Ablehnung des politischen Milieus, welches die Aufmerksamkeit der Polizei wegen seiner eigenen Eitelkeit geradezu herausfordert) sowie Strategien zur Untergrabung der alten Welt des Kapitalismus mit all seinen Neuigkeiten und Lügen. Im Jahr 1984 gingen O.C. nach England, um dort zusammen mit den Grubenarbeitern ihre eigenen Steine zu werfen und hielten sich ein Jahr lang in verschiedensten Städten in Yorkshire auf; dies war der letzte Kampf der traditionellen Arbeiterklassenbewegung in Großbritannien, dem letzten Land, das dem europäischen Model folgte. Danach kehrten sie nach Paris zurück (zusammen mit mehreren befreundeten Grubenarbeitern) und begannen Häuser zu besetzen.
„Lasst unsere Kerkermeister keine Herrschaft walten, lasst uns jeden Tag auf das Herz des Tigers einschlagen, in jeglicher Manier, nach unserem Gegensatz, gegen die Traurigkeit und Einsamkeit der Zellen unserer Gefangenschaft.“
Vorübergehende Ruhe
Während andere Hausbesetzer versuchten umweltschutzbezogene oder architektonische Argumente zu verwenden, um die Besetzung von leerstehenden, zerfallenen Gebäuden zu rechtfertigen, entschieden sich Os Cangaceiros die besten Gebäude die sie fanden zu nehmen – sie sahen das Häuserbesetzen als direkte Enteignung des materiellen Luxus auf den wir alle ein Anrecht haben, da jeder einzelne von uns ein Leben lang durch die Illusion des materiellen Reichtums aufgereizt wurde. O.C. wollten genau diese Lüge erkennen und ausschöpfen, zu diesem Zweck zogen sie in einen neu gebauten Appartementblock ein und warfen die sich beschwerenden Yuppiebewohner hinaus. Das eingenommene Gebäude wurde dann gegen einen Polizeiangriff verbarrikadiert und sie errichteten eine No-Go Zone für die Polizei in ihrem Viertel. Als die Polizei letztendlich kam, um sie zu räumen, dauerte es drei Stunden bis diese durch die Stahlbarrikaden an der Tür kam, währenddessen ein, per Telefon informiertes, Netzwerk an Unterstützern die Polizei in einem Gegenangriff von hinten attackierte. In den späten 1980er Jahren schlugen O.C. einen neuen Weg ein und begannen ihre Bemühungen gegen die Gefängnisindustrie zu richten. In den nächsten drei Jahren führten sie mehrere Sabotageakte gegen in Bau befindliche Gefängnisse durch, stahlen Baupläne für neue Gefängnisse, verprügelten Architekten, die in die Planung dieser neuen Gulags involviert waren und zogen Aufmerksamkeit auf den Widerstand, der auch innerhalb der Mauern stark zunahm. Der Kampf gegen diesen Industriekomplex zwang O.C. ihr Journal aufzulösen und vollständig unterzutauchen, nachdem sie nun massiv von der Polizei verfolgt wurden. Als eine ihrer letzten Aktionen (bevor sie sich vollständig in inoffiziellen, kriminellen Netzwerken auflösten, die sie über die letzten 20 Jahre hin erschaffen hatten) veröffentlichten sie ein Buch über die Bewegung des freien Geistes des 16. Jahrhunderts, eine proto-anarchistische Strömung, mit der sie sich stark identifizierten.
„In der Morgenröte des Industrialismus wurden Fabriken nach dem Muster von Gefängnissen gebaut. In dessen Dämmerung werden nun Gefängnisse nach dem Abbild von Fabriken gebaut.“
Zähne und Klauen
Im Mai 1985 brachen in ganz Frankreich Krawalle in den Gefängnissen aus. In Solidarität griffen Os Cangaceiros verschiedene Ziele an, von Eisenbahnschienen bis Tour de France Autos, basierend auf ihrem eigenen Hass gegen Gefängnisse und nicht als außenstehende Befreier, um den Widerstand der Gefangenen publik zu machen.
• 5. Mai, 1985 - In Fleury-Mérogis randalieren die Gefangenen des D4 Flügels und zerstören den gesamten Trakt.
• 6. Mai - Abermals in Fleury weigern sich 300 Inhaftierte des D1 Flügels nach ihrem Hofgang zurückzukehren; 60 von ihnen zünden die Krankenabteilung an.
• 7. Mai - In Bois d’Arc klettern ca. 15 Jugendhäftlinge (Insassen jünger als 18 Jahre, die normalerweise in separaten Abteilungen gehalten werden) auf das Dach und bleiben dort bis 9. Mai unterstützt und versorgt durch die anderen Gefangenen.
• 8. Mai - In Lille klettern ungefähr zehn Gefangene auf das Dach. In Bastia verweigern Insassen das Gefängnisessen in Solidarität mit den anderen Gefangenen. (Die „Verweigerung von Gefängnisessen“ ist nicht wirklich mit einem Hungerstreik zu vergleichen, dennoch kann es ein Weg sein diesen auszuführen.)
• 9. Mai - In Fresnes klettern 400 Insassen auf die Dächer und liefern sich Zusammenstöße mit der Polizei, die dabei einen Gefangenen tötet. In Compiegne, klettern ca. zehn Gefangene, denen der „Morgenschicht“ folgend, auf die Dächer. Im Bonne Nouvelle Gefängnis in Rouen, klettern ca. 50 Jugendhäftlinge auf die Dächer, während andere Gefangene ihre Zellen zerstören; nach angeblichen Verhandlungen kletterten ca. 30 zurück auf das Dach in Solidarität mit den Kameraden in Fresnes.
• 10. Mai - Vom 9. bis zum 10. Mai gingen Gefangene auf die Dächer in Douai. Es gab einen kurzen Zusammenstoss mit der CRS (Französische Bereitschaftspolizei). In Amiens klettern ungefähr 50 Gefangene auf die Dächer. In Nizza schließen sich 60 Gefangene mit ca. 20 Jugendhäftlingen während eines Zusammenstoßes mit der Polizei auf den Dächern zusammen. In Beziers nehmen 130 Gefangene drei Wächter und einen Krankenpfleger für drei Stunden als Geisel.
• 11. Mai - In Evreux, Saintes und Coutances, klettern Gefangene auf die Dächer und bekämpfen sich mit der Polizei. Dasselbe passiert am nächsten Tag in St. Brieuc.
• 19. Mai - Gefangene zerstören das gesamte Gefängnis von Montpellier (Brandstiftung und Verwüstungen) und liefern sich Kämpfe mit der Polizei. Draußen greift die Menge, bestehend aus Freunden und Verwandten der Gefangenen, die Polizei von hinten an.
Darüber hinaus brechen in verschiedensten Gefängnissen Unruhen aus, von der Verwüstung von Zellen und versuchter Brandstiftung (in Rennes, Angers, Metz, etc.) bis zur kollektiven Verweigerung von Gefängnisessen (Lyon, Frauen und Männer in Fleury, Ajaccio, Auxerres, St. Malo, Avignon, Chambery, etc.). In dieser Zeit finden mehrere „Selbstmorde“ statt. Die Rebellen in Douai und Evreux erhalten harte Strafen unter dem Vorwand der verursachten Schäden.
• 17. Juni – Auf der Eisenbahnstrecke Nantes-Paris nahe Nantes wird eine Barrikade in Solidarität mit den Gefängnisrevolten in Brand gesteckt.
• 20. Juni – Sabotage an den TGV (Schnellzug) Anlagen der Eisenbahngleise im Süden von Paris.
• 27. Juni – Auf der Eisenbahnstrecke Toulouse-Paris nahe Toulouse wird eine Barrikade in Brand gesteckt.
• 30. Juni – In der Nacht von 30. Juni auf 1. Juli wird der Druck der Pariser Tageszeitung lahm gelegt durch Sabotage der IPLO Druckerei nahe Nantes.
„Wir haben uns dazu entschlossen der nationalen Presse einen halben Tag der Stille aufzuerlegen zu Ehren der rebellierenden Knastbrüder. Diese Aktion ist weiters in Solidarität mit all den toten Gefangenen, die „ge-selbst-mordet“ wurden. Alle diese Zeitungen sind bekannt für ihre Feindseligkeit gegen die jüngste Bewegung der Revolten in den Gefängnissen.“
• 1. Juli – Sabotage an den Eisenbahnanlagen der Nimes-Tarascon Strecke.
Jedes Mal verursachten diese Aktionen längere Unterbrechungen im Zugverkehr und stundenlange Verspätungen der täglichen Züge. Die Forderungen waren immer die gleichen:
„Eine Reduktion der Strafen für alle verurteilten Gefangenen. Die Freilassung von allen, auf den Prozess wartenden, Inhaftierten. Das endgültige Stoppen von allen Abschiebemaßnahmen gegen Immigranten. Die Aufhebung aller Sanktionen gegen die Rebellierenden.“
• 2. Juli – Der Paris-Brüssel TEE-Zug wird nahe Compiegne gestoppt. Die vier Forderungen werden auf die Wagons gesprayt. Fenster werden eingeschlagen und Exemplare des Pamphlets „Freiheit ist das Verbrechen“ werden durch die zerstörten Fenster geworfen.
• 5. Juli – Sabotage an der Paris-Le Havre Linie. Vier Personen werden zwei Tage später in Rouen in Verbindung mit dieser Aktion verhaftet und für drei Monate eingesperrt.
• Von 7. bis 8. Juli klettern in Chaumont Gefangene auf die Dächer, um ihre Sorgen angesichts der anstehenden präsidialen Amnestie am 14. Juli (Tag der Stürmung der Bastille) zu demonstrieren, welche verspricht sehr dürftig zu werden. Es kommt zu Konflikten mit der Polizei. Vier der Rebellen erhalten schwere Strafen.
• 9. Juli – Ein anonymer Sabotageakt wird gegen die Paris-Strassburg Linie, die nahe Chaumont entlang läuft, ausgeführt.
• 12. Juli – Am frühen Morgen werden in Paris zwei Metrolinien mehrere Stunden lang durch schwere Objekte blockiert, die in Solidarität mit den Rouen 4 und den Rebellen von Chaumont auf die Gleise geworfen wurden. Wieder wurden die vier Forderungen publik gemacht.
• 13. Juli – In Lyon werden zwei Autos der Behörden in Solidarität mit den Gefangenen in Lyon in Brand gesteckt. Bevor noch ein Bekennerschreiben veröffentlicht wird, entflammen erneut zahlreiche Unruhen in verschiedensten Gefängnissen (Fleury, Loos-les Lille, Toul, etc.).
• 14. Juli – Im St. Paul Gefängnis von Lyon rebellieren ca. 20 Gefangene der „psychiatrischen“ Abteilung (Verwüstungen und Feuer). Die lächerliche präsidiale Amnestie wird angekündigt: ein bis zwei Monate Reduzierung der kurzen Haftstrafen. Die JAP (Komitee der Strafvollzugsrichter) wird ihr Arbeitspensum ausweiten: 3000-4000 Gefangene sollen in den nächsten Tagen freigelassen werden. Diese Neuigkeit soll von zahlreichen Unruhen in den Gefängnissen des Landes begleitet werden.
• 15. Juli – In der Nacht von 14. auf 15. Juli werden die Reifen des Konvois, der die Tour de France begleitet, in Solidarität mit den verurteilten Rebellen aufgeschlitzt (ungefähr 100 Fahrzeuge werden unbrauchbar gemacht).
In Toulouse wird ein Unternehmen, welches Gefangene beschäftigt, durch Brandstiftung zerstört.
• 18. August – In Lille klettern dutzende Gefangene auf die Dächer. In Lyon wird die ROP Druckerei der Pariser Tageszeitungen verwüstet. Die Publikation und Distribution werden schwer beeinträchtigt. Erneut war es das Ziel die Zeitungen für ihre Lügen und Feindseligkeit gegen die Rebellen zu züchtigen. Der Text „Die Wahrheit über einige Aktionen“ wurde in den Räumlichkeiten zurückgelassen. Während Unruhen in Guadalupe können ca. 30 Gefangene nach Ausschreitungen im Gefängnis Pointe-à -Pitre ausbrechen.
„Die Forderungen vereinigen die Offensive der Gefangenen gegen ihre Isolation und einen Aufruf an jene außerhalb der Mauern, um diese konkret zu zerstören. Es geht darum Druck zu erzeugen, um sich gegen diese Gesellschaft zu behaupten, auf eine Welt zu scheißen, die lieber taub wäre, wenn es um ihre Gefängnisse geht.“
13.000 Projekt
Im Jahr 1990 begann ein umfangreiches Dossier in Frankreich zu kursieren. Das von Os Cangaceiros in Umlauf gebrachte Dossier enthielt sowohl gestohlene Gefängnispläne und -dokumente als auch eine Chronologie, welche die Sabotagekampagne von O.C. gegen das „13.000 Projekt“ umschrieb. Dieses Projekt beinhaltete den Plan des französischen Staats um neue Hochsicherheits-Gefängnisse mit Platz für 13.000 Gefangene zu schaffen. Weiters beinhaltete die Akte Kopien der Communiques, die an jene von O.C. angegriffenen Institutionen und Personen gesendet wurden. Interessanterweise versuchten die Polizei und die angegriffenen Betriebe sehr diskret mit dieser Kampagne umzugehen, offensichtlich um ihr so wenig wie möglich Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu geben.
Brief an einen Architekten
„Betrifft: Hinterhalt
Sind Deine Wunden gut geheilt, Architekt? Hast Du herausgefunden warum? Unverschämt, ohne jeglichen Skrupel, Zentimeter für Zentimeter hast Du diese Käfige erschaffen, in denen sogar die Behinderten eingesperrt werden sollen. Innerhalb der Mauern, die Du entworfen hast, werden in Zukunft Individuen, die mehr wert sind als Du, regelmäßig verprügelt werden. Die Zeit war reif, dass Du einen Appetitanreger von dem erhalten hast, was tausende Gefangene bis zum xten Grade ertragen werden müssen. Architekt, dies ist nämlich nicht die erste Niederträchtlichkeit für die Dein Betrieb verantwortlich ist. Wenn man betrachtet, was Du baust, um normale Bürger unterzubringen, kann man Deine Kompetenz um Delinquenten wegzusperren erahnen. Man kann leicht von den Hochhausblöcken des 13. Arrondissements auf die Gefängniszellen schließen. Du Schwein, schau Dir Deine Schnauze gut an, wir konnten von Deinem erschöpften Gesicht ablesen, wie tief Du selbst in Deine Projekte verwickelt bist. Zuerst hast Du Mauern gebaut, nun wirst Du diese einreißen.
Os Cangaceiros, Lyon, 19. März 1990