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Umweltschutz von unten

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Gleichbedeutend: Emanzipatorische Ökologie, Emanzipatorischer Umweltschutz

Emanzipatorischer Umweltschutz bedeutet, die Menschen zu den AkteurInnen zu machen. Die Straßen, Häuserblöcke und Landschaften müssen den Menschen gehören, die in ihnen leben. Niemand kann über Flächen und Orte bestimmen, ohne selbst betroffen zu sein. Mit- und Selbstbestimmung bei Flächen- und Rohstoffverbrauch bildet das Gegenkonzept zu Ordnungsrecht oder den kapitalistischen Instrumenten wie Ökosteuer oder Geldanlagen. Vision ist eine Welt von unten. Die kleinen Schritte dahin bestehen aus konkreten Projekte, die die Menschen zu den EntscheiderInnen machen: Windanlagen, die von den Menschen drumherum betrieben werden (statt teurer Großanlagen mit Vermarktung des Stroms im anonymen Markt und ohne örtliche Akzeptanz), Stromnetze in Selbstverwaltung der BürgerInnen, ökologische Bauernhöfe im Gemeinschaftsbesitz, lokale Ökonomien ohne Apparate, Flächen- und Rohstoffnutzung in freier Vereinbarung aller Betroffenen und Interessierten sowie vieles mehr. Dazu gehört aber auch, die Visionen einer Welt von unten laut zu benennen, denn Visionen können motivieren. Zudem bleibt die Chance, für dieses Ziel wieder Bündnisse zu schaffen mit anderen sozialen Bewegungen, die gemeinsam an einer Welt von unten arbeiten. Konkrete Kristallisationspunkte wie konkrete Modelle oder der Widerstand gegen neoliberalen Wahn können der Anfang sein. Abschied zu nehmen ist von der vor allem in NGO Kreisen gern verbreiteten Mär vom guten Staat, von der "good governance", die die Auswüchse des Neoliberalismus eindämmen soll. Der Staat organisiert die Ausbeutung. Markt und Verwertungszwang drängen ProduzentInnen, Mensch und Natur auszuquetschen. Sie sind daher Gegner, nicht Partner. Hoffnung für die Umwelt und die Menschen gibt es erst dann, wenn die Menschen den Zugriff auf ihre Lebensressourcen erhalten.


Kritik an aktuellen Umweltschutzstrategien

Es gibt viele Gründe, warum Umweltschutz "out" ist, z.B. Vereinsmeierei, Konkurrenzdenken, kommerzielle Ziele, Bürokratie und Hierarchie. Filz mit Politik und Konzernen steht einer druckvollen Arbeit ebenfalls im Wege. Der wichtigste Punkt aber war und ist: Umweltschutz organisiert sich bislang immer von oben, d.h. die Menschen werden zur Zielgruppe von Strafandrohung, Bildungsarbeit, Appellen und finanziellen Steuerungen. Niemals sind sie AkteurInnen. Bei der Frage, wie Innenhöfe, Straßen, Stadtteile oder Landschaften gestaltet werden sollen, wenden sich UmweltschützerInnen an den Staat, neuerdings auch immer öfter an die Firmen als zunehmender Machtfaktor. Die Konzepte aus der Öko-Ecke stützen die Machtsysteme, zur Zeit begleiten sie die neoliberale Weltordnung. Das ökonomisches Diktat wird nicht in Frage gestellt, sondern begrünt: Ökosteuer, Ökoaudit oder Selbstverpflichtung. Oder schlimmer: Sogar selbst eingefordert oder umgesetzt - "Ökos" sind heute die GegnerInnen von mehr BürgerInnenbeteiligung, und verwertungsfeindlichen Lösungen. Sie sind Öl im Getriebe von Markt und Staat. Die Folgen: Umweltschutz verliert an Akzeptanz in der Bevölkerung, weil die bevormundet wird. Und er ist nicht mehr bündnisfähig mit sozialen Bewegungen, die Selbst- und Mitbestimmung zum Ziel haben.


Strategien des Umweltschutzes im Vergleich

Menschenverachtende Position: Homo sapiens als Parasit

Er kann die Menschen verdrängen wollen, sie als Krankheit auf der Erde definieren und sich ihre Ausrottung wünschen. Entweder ganz oder zumindest teilweise, dann immer wieder bezogen auf als besonders wertvoll angesehene Naturgebiete, die von Menschen freigeräumt werden sollen.


Autoritärer Umweltschutz

Mensch kann zum zweiten das gesellschaftliche Leben reglementieren. Verbote und Gebote formen das Verhalten der Menschen. Das ist der klassische Umweltschutzansatz, praktiziert seit einem Jahrhundert - Hand in Hand mit der Institution, die den formalen Rahmen des Lebens schafft und gestaltet, dem Staat.


Marktorientierter Umweltschutz

Drittens lässt sich das Verhalten der einzelnen Menschen und der Wirtschaft finanziell steuern. Das ist der neoliberale Entwurf, Umweltschutz wird profitabel und Umweltzerstörung teuer. Das Konzept verträgt sich hervorragend mit gesellschaftlichen Verhältnissen, die insgesamt neoliberal umgeformt werden. Die Ökologiebewegung ist zudem selbst in fast ihrer ganzen Breite davon erfasst. Sie hat sich umstrukturiert, durchgerüttelt, verändert und ist zum Vorantreiber des Neoliberalismus geworden.


Umweltbildung

Es gibt noch eine vierte Möglichkeit, gut verbindbar mit anderen. Menschliches Verhalten lässt sich über Erziehung, Bildung, Werbung, mediale Beeinflussung, Normen und Werte beeinflussen. Was Menschen auf verschiedene Weise als "richtiges Denken und Handeln" eingetrichtert wird, führt selbst dann zu den erwünschten Verhaltensweisen, wenn kein Zwang (autoritäre Politik) oder Anreiz (moderne neoliberale Variante) besteht.

All diese Formen des Umweltschutzes haben eines gemeinsam: Sie operieren herrschaftsförmig. Herrschaft bedeutet dabei nicht das eindeutige "oben" und "unten", sondern die Existenz von Zwängen und Beeinflussungen, die den Willen der Einzelnen steuern - egal ob das von einer Regierungsmacht als Verbot oder aus dem sozialen Umfeld der betroffenen Person als Erziehung, Rollenmuster usw. erfolgt. Herrschaft ist organisierte, d.h. nicht nur als zusammenhangloser Einzelfall eintretende Fremdbestimmung.

Insofern sind alle beschriebenen Konzepte einander wesensgleich, wenn sie auch in der konkreten Ausformung ganz unterschiedliches Aussehen haben, unterschiedliche Methoden und Sanktionen einsetzen.

Der Umwelt hilft das alles wenig, denn es wird ein wesentlicher Wesenszug von Herrschaft übersehen. Herrschaft verbessert die Möglichkeiten der Menschen, die Herrschaft gerade ausüben (egal an welchem Ort, also genauso als Regierung eines Landes wie als Leitung eines Konzerns wie als "Oberhaupt" einer Familie oder eines Vereins), ihre Entscheidungen so zu treffen, dass es für sie Vorteile bringt, aber die Nachteile auf andere abgewälzt werden. Umweltzerstörung als Folge von Rohstoffgewinnung, Produktion oder andere Landnutzung ist ein klassisches Beispiel dafür.


Herrschaftskritischer Umweltschutz

Somit wäre ein fünfter Weg für den Umweltschutz möglich: Die Überwindung von Herrschaft. Mensch könnte die Umwelt zur Sache gleichberechtigter Gestaltung machen. Die Menschen werden nicht mehr vertrieben, kontrolliert, gesteuert, beeinflusst usw. in Bezug auf ihren Umgang mit der Umwelt, sondern ganz im Gegenteil erhalten sie die volle Möglichkeit, die Umwelt so zu gestalten, wie sie es wollen. Dann hat kein Mensch mehr die Möglichkeit, über Herrschaft (Recht, Normen, Diskurse, Polizei, Justiz, Eigentumsrecht ...) die Folgen seines Verhaltens einfach auf andere abwälzen zu können. Die Ergebnisse werden vielfältig sein - und genau das ist das Schöne daran. Emanzipatorischer Umweltschutz oder "Umweltschutz von unten" will die Menschen zu AkteurInnen machen. Die Straßen, Häuserblöcke und Landschaften müssen den Menschen gehören, die in ihnen leben oder sich für sie interessieren. Die "Demokratisierung von Flächen- und Rohstoffverbrauch" im Sinne einer stetigen Steigerung der BürgerInnenbeteiligung bis schlussendlichen Selbstbestimmung könnte die Etappen auf dem Weg dorthin beschreiben, ein ständig weiterzuentwickelndes Gegenkonzept zu Ordnungsrecht oder kapitalistischen Instrumenten wie Ökosteuer oder Zertifikatehandel. Die Schritte bestehen aus konkreten Projekte, die die Menschen zu den EntscheiderInnen machen: Windanlagen, die den Menschen drumherum gehören (statt teurer Großanlagen ohne örtliche Akzeptanz), Stromnetze im Besitz der BürgerInnen, ökologische Bauernhöfe im Gemeinschaftsbesitz, lokale Ökonomien ohne Apparatniks und vieles mehr. Dazu gehört, die Vision einer Welt von unten laut zu benennen, denn Visionen können motivieren.


Woher kommt die Idee "Umweltschutz von unten"?

Ökologie und Selbstbestimmung zu verbinden, sind keine neuen Gedanken. Schon in der Frühphase des Naturschutzes gab es Strömungen, die alternative Lebens- und Organisationsmodelle propagierten. Sie setzten sich gegen den staatlichen Naturschutz und die von gesellschaftlichen Eliten gegründeten Umweltverbände nicht durch.[1]

Ein wichtiger Theoretiker der vergangenen Jahrzehnte war Murray Bookchin mit seinen Entwürfen der sozialen Ökologie. Deutlich zu unterscheiden sind zeitlich parallel entwickelte Konzepte sozialer Ökologie, die allerdings eine autoritäre Steuerung der Menschen für notwendig hielten, z.B. von Rudolf Bahro. Der Bahro-Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Sozialökologie, Johannes Heinrichs, vertritt hingegen einen ganzheitlichen, systematischen Ansatz einer ausgewogenen sozialen Ökologie. Verknüpfungen von sozialen Themen und Selbstbestimmung mit ökologischen Zielen finden sich auch in der Debatte um Subsistenz, Allmende und Landbesitz vor allem im globalen Süden. In Deutschland und weitgehend im gesamten globalen Norden dominieren Umweltgruppen und -verbände die Debatte, die den Staat mit seinen autoritären Organen (Polizei, Gesetze, Kontrolle, Umweltbildung per Schule usw.) und/oder den Markt mit seinem Möglichkeiten (Produktionsweisen, Steuern, Geldanlagen, Zertifikatehandel usw.) als Umsetzungsweg ökologischer Ziele sehen. Ende der 90er Jahre entstand aus unzufriedenen Teilen der Umweltbewegung das Netzwerk Umweltschutz von unten, in dem fünf Jahre lang die Zeitung Ö-Punkte[2] herausgeben wurde, mehrere Bücher und etliche Theoriepapiere erschienen.

Literatur

Weblinks


Hinweis

Dieser Text hat ursprünglich auf Wikipedia gestanden. Die Seite ist komplett von den Administratoren gelöscht, jegliche Spur aus Listen gekillt und der Autor gesperrt sowie sein eigener Benutzereintrag umgeschrieben und gesperrt worden! Die Geschichte dieses beeindruckenden Zensurkampfes am 2.10.2007 ist unter Offener Raum der HierarchNIE-INternetseiten zu finden.

Kategorie:Ökologie
  1. Siehe zur Geschichte im Buch von Bergstedt, Jörg (1999): "Agenda, Expo, Sponsoring - Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit". IKO-Verlag in Frankfurt. ISBN 3-88939-450-7
  2. Alle Heft online