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APO-Calypse:Herrschaftsfreie Welt? (Seminar) Reader Radikaldemokratie

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Begriff:Radikaldemokratie

Radikaldemokratie fordert die Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche, also auch Schulen, Medien und andere Institionen - und damit die Ãœbertragung demokratischer Prinzipien auf diese. Wie die radikaldemokratische Gesellschaft konkret aussehen soll, bleibt offen - hier sind sowohl eher basisorientierte als auch mehrheitsdemokratische Modelle vorstellbar.

Die Radikaldemokratie ist ein Konzept, das besonders vom Verband "JungdemokratInnen/Junge Linke" vertreten wird. Diese stellen ihren Entwurf häufig als die realistischere, aber ihren Idealen nahekommende, Alternative zur Anarchie dar. Herrschaftsfreiheit wird als wichtiges Ziel benannt, um dieses im selben Atemzug wieder durch Forderung nach mehr Herrschaft (Demokratie) zu beerdigen.




Selbstdarstellung der JungdemokratInnen/Junge Linke:
JungdemokratInnen/Junge Linke streben eine Gesellschaft ohne Herrschaft des Menschen über den Menschen, eine Assoziation von frei Assoziierten, an. Herrschafts- und Machtverhältnisse hindern einzelne und Gruppen an der Verwirklichung ihrer Freiheit. Es geht nicht nur um die Beseitigung offen zu tage tretender Herrschaftsverhältnisse, sondern auch von struktureller Gewalt.

(...)

Solange Herrschaft in einer Gesellschaft notwendig erscheint, muß sie zumindest radikaldemokratisch legitimiert und kontrolliert sein.

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In der BRD sind entscheidende gesellschaftliche Bereiche demokratischer Kontrolle und der Mitbestimmung der Betroffenen entzogen (z.B. die Wirtschaft, die Medien) oder autoritär organisiert (z.B. Schule, Familie, Armee, Polizei). JungdemokratInnen/Junge Linke treten füre eine radikale Demokratisierung aller Lebensbereiche ein. Institutionen, die nicht demokratisierbar sind (z.B. die Armee und die Familie), gehören abgeschafft. Voraussetzung für die radikale Demokratisierung der Gesellschaft ist die Ermöglichung einer demokratischen Meinungsbildung durch demokratisierte Medien.

(...)

Formale Instrumente für eine radikaldemokratische Organisierung sind für uns: Endscheidungskompetenzen von oben nach unten verlagern, in erster Linie sollen die direkt Betroffenen entscheiden, niedrige Entscheidungshierarchie, Strukturierung von unten nach oben, Verhältniswahlrecht, Minderheitenschutz, Räteprinzip, Pflichtrotation, Imperatives Mandat und jederzeit mögliche Abwahl/Mißtrauensvotum der Delegierten durch das sie wählende Gremium, Rechenschaftspflicht und Volksabstimmung über alle wesentlichen Entscheidungen.

(...)

Die Produktion ist eine gesellschaftliche Angelegenheit und gehört in den Bereich öffentlicher Regelung. Dies ist mit privatem Eigentum an Produktionsmitteln unvereinbar. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel bedeutet deren Überführung in Gemeineigentum, um Diskussion und Entscheidungsfindung über Produktionsziele auf demokratischem Weg zu ermöglichen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung, nicht das Profitstreben, müssen zum Maßstab der Ökonomie werden.

Da die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht administrativ feststellbar sind (z.B. durch eine Elite aus WissenschaftlerInnen und Kadern), müssen sie Gegenstand ständiger öffentlicher Diskussion und Entscheidungsfindung sein. ...

(...)

JungdemokratInnen/Junge Linke haben ein kritisches Verhältnis zum Parlamentarismus. Wir halten den Parlamentarismus für eine wichtige demokratische Errungenschaft. Allerdings sehen wir - im Gegensatz zur Ideologie der Herrschenden - keine Möglichkeit für tiefgreifende politische Veränderungen allein über Parlamente.

(...)

Bündnis 90/Die Grünen haben ihren Abschied von ihrem Verständnis als verlängerter Arm außerparlamentarischer Bewegung mit ihrem Eintritt in die Bundesregierung 1998 endgültig aufgegeben. Als Regierungspartei haben sie eine Politik mitzuverantworten, die den Zielen der JungdemokratInnen/Jungen Linken diametral entgegenstehen, wie sich an allen Politikfeldern herunterdeklinieren ließe. Die Grünen sind geradezu zum Sinnbild für die ungeheuerliche Integrationsfähigkeit dieses Systems geworden. Eine solidarische Zusammenarbeit erscheint nur noch mit einzelnen Abgeordneten sinnvoll.

Auch in der PDS scheinen jene Kräfte stärker zu werden, die an einer Überwindung des Kapitalismus kein ernsthaftes Interesse haben.

Die JungdemokratInnen/Jungen Linke NRW betrachten die Grünen im Landtag NRW als ihren parlamentarischen Ansprechpartner, wie dies die Landesdelegiertenkonferenz 1988 beschlossen hat.

Im Dezember 1993 hat der Bundeshauptausschß der Jungdemokraten/Junge Linke nach Bündnis 90/Die Grünen auch die PDS als gleichberechtigte parlamentarische Ansprechpartnerin im Bundestag anerkannt.




Wikipedia:
Radikaldemokratie (von lat. radix = die Wurzel betreffend und Demokratie) bezeichnet eine Form von Gemeinwesen bzw. Staat, in der die Macht unmittelbar von der Bevölkerung ausgeübt wird. Statt sich „vertreten“ zu lassen, entscheidet sie selbst über ihre Belange, etwa in Volksabstimmungen oder in Form von Gesellschaftsverträgen. Über die genaue Form der politischen Strukturen sagt der Begriff ebenso wenig aus wie über das Vorhandensein staatlicher Institutionen.

In der Idee der Radikaldemokratie geht es vor allem um die Demokratisierung aller gesellschaftlichen Verhältnisse, d.h. um die Überwindung autoritärer und hierarchischer Strukturen, die Voraussetzung für eine selbst bestimmte Gestaltung aller Lebensverhältnisse eines jeden Einzelnen sind. Weil entscheidende Bereiche demokratischer Kontrolle entzogen (wie z.B. in der Wirtschaft) oder autoritär organisiert sind (wie z.B. in der Schule), kritisieren Radikaldemokraten den undemokratischen Charakter dieser Gesellschaft und treten für ihre Veränderung ein. Es geht hierbei vor allem um die Emanzipation des Einzelnen und gesellschaftliche Verhältnisse, die Selbstbestimmung umfassend ermöglichen. Befreiung des Einzelnen von Herrschaft und Unterdrückung und die Schaffung einer emanzipatorischen Gesellschaft sind in der Radikaldemokratie untrennbar miteinander verbunden.

Ausgangspunkt der Radikaldemokratie ist die positive Bezugnahme auf Freiheit. Freiheit kann allerdings nicht nur als formale Freiheit verstanden werden. Freiheit umfasst mehr als nur gesetzlich zugestandene Möglichkeiten, Rechte wahrzunehmen. Freiheit bedeutet, „frei sein“ von allen herrschaftlichen Zwängen und Gewaltverhältnissen.

Radikaldemokratie ist eine Herrschaftsform, egal wie es gewendet wird. Radikaldemokratie ist daher zu begreifen als ein Verfahren, das versucht, den unterschiedlichen Interessen der Menschen eine Form zu geben, in denen sie ihre Konflikte, die Aufgrund ihrer Unterschiedlichen Interessen notwendiger Weise entstehen, austragen. Radikale Demokratie unterscheidet sich allerdings in vielerlei Hinsicht von bürgerlichen Demokratievorstellungen. Radikaldemokratische Verfahren implizieren, dass im Gegensatz zur bürgerlichen Demokratie nicht nur jeder formal gleiche Partizipationsmöglichkeiten hat („one man, one vote“), sondern auch die gleichen Möglichkeiten, sich in Entscheidungsprozesse einzubringen. Kapitalistische Verhältnisse, in denen ökonomische Macht zur politischen Macht wird, stehen daher im Widerspruch zu radikaldemokratischen Vorstellungen.




Selbstverständnis von JD/JL Sachsen-Anhalt:
Ausgangspunkt eines radikaldemokratischen Selbstverständnis ist die positive Bezugnahme auf Freiheit. Freiheit kann allerdings nicht nur als formale Freiheit verstanden werden. Freiheit umfasst mehr als nur gesetzlich zugestandene Möglichkeiten, Rechte wahrzunehmen. Freiheit bedeutet, “frei sein“ von allen herrschaftlichen Zwängen und Gewaltverhältnissen. Von freien Verhältnissen kann also nur dann gesprochen werden, wenn der Bedürfnisbefriedigung und -entwicklung des einzelnen Individuums keine Zwänge mehr im Wege stehen.

Das Anknüpfen des Freiheitsbegriffs an die Bedürfnisbefriedigung des Menschen ist deshalb sinnvoll, weil Herrschaft immer dadurch ausgezeichnet ist, dass sie Menschen darin hindert, ihren Bedürfnissen nachzugehen. Freiheit als Gegensatz von Herrschaft, muss demnach die volle Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung beinhalten.

Wer für die Überwindung aller herrschaftlichen Zwänge und Gewaltverhältnisse eintritt, impliziert Herrschaftsfreiheit als Ziel seiner/ihrer Handlungen. Hierzu muss zweierlei betont werden: Es handelt sich hierbei zum Einen um ein normatives Ziel, dass weder aus dem Wesen des Menschen noch sonst wo her abgeleitet werden kann. Zweitens: Herrschaftsfreiheit ist nur als tendenziell anzustrebender gesellschaftlicher Zustand vorstellbar. Solange Menschen in einen gesellschaftlichen Zusammenhang eingebunden sind, und sie werden es immer sein, weil Arbeitsteilung notwendige Voraussetzung für die Überwindung eines Zustandes ist, in dem der Mensch sich höchstens mehr oder weniger selbst reproduzieren kann, wird es in welcher Form auch immer kollektive Entscheidungsprozesse geben, die, nicht zweckrational entscheidbar sind.

Menschen sind nicht gleiche, sondern ungleiche. Daraus ergibt sich, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse und daher auch immer unterschiedliche Interessen haben werden. So lange also kollektive Entscheidungen notwendig sind, solange wird es also immer vorkommen, dass gegen die individuellen Interessen Einzelner entscheiden werden muss. Aber selbst, wenn diese Entscheidung unter Einhaltung aller radikaldemokratischen Prinzipien getroffen werden, haben sie doch zum Ergebnis, dass der Minderheit eine Entscheidung aufgezwungen wird. Die Mehrheit würde also faktisch Herrschaft über die Minderheit ausüben. Wer aber nicht einfach nur nett daher träumen und wohlfeile Utopien beschreiben will, muss klar sagen, dass dieser Zustand, weil nie absolut aufhebbar, ein notwendiger ist.

Radikaldemokratie ist eine Herrschaftsform. Egal wie es gewendet wird. Radikaldemokratie ist daher zu begreifen als ein Verfahren, das versucht den unterschiedlichen Interessen der Menschen eine Form zu geben, in denen sie ihre Konflikte, die Aufgrund ihrer Unterschiedlichen Interessen notwendiger Weise entstehen, austragen.

Radikale Demokratie unterscheidet sich allerdings in vielerlei Hinsicht von bürgerlichen Demokratievorstellungen. Radikaldemokratische Verfahren implizieren, dass im Gegensatz zur bürgerlichen Demokratie nicht nur jedeR formal gleiche Partizipationsmöglichkeiten hat (one men, one vote) sondern auch die gleichen Möglichkeiten, sich in Entscheidungsprozesse einzubringen. Kapitalistische Verhältnisse, in denen ökonomische Macht zur politischen Macht wird, stehen daher im Widerspruch zu radikaldemokratischen Vorstellungen.

Aber auch ein radikaldemokratisches Verfahren bleibt seiner Form nach ein demokratisches Verfahren. Mit all seinen Vor- und Nachteilen. Das bedeutet, auch ein radikaldemokratisches Verfahren ist ein Verfahren, indem die Mehrheit über die Minderheit herrscht. Eine Kritik an radikaldemokratischen Verfahren, die dieses Verfahren in seiner Funktion als Herrschaftsform kritisiert, läuft daher solange ins leere, wie nicht aufgezeigt werden kann, wie kollektive Entscheidung, ohne den Rückgriff auf Mehrheitsentscheidungen, getroffen werden können.

Der Radikaldemokratiebegriff impliziert aber mehr als nur ein Verfahren, wie in einem gesellschaftlichen Zustand, in dem die Menschen selbst Herr über ihre Verhältnisse geworden sind - in dem also nicht mehr die Warenförmigkeit ihres Produktionsprozesses sich über die Menschen verselbständigt hat, die Menschen also nicht mehr Objekt sondern Subjekt der menschlichen Geschichte sind, sie also zu sich selbst gekommen sind - Entscheidungen getroffen werden. Der Begriff der Radikaldemokratie beinhaltet auch eine Strategie, wie dieser Zustand erreicht werden kann.

Diese Strategie umfasst - abgeleitet aus dem Ziel der Freiheit der Individuen und dem sich daraus notwendig ergebenden radikaldemokratischen Verfahren - dass Radikaldemokratie die Freiheit des Individuums nicht nur beschränkt, sondern auch dessen notwendige Voraussetzung ist. Wer die Freiheit des Individuums also anstrebt, will also alle Bereiche in denen gegenwärtig herrschaftlichen Verhältnisse vorzufinden sind, zurückdrängen. Daraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, alle Bereiche, die bisher demokratischen Prozessen entzogen sind, radikal zu demokratisieren, also die Notwendigkeit, Lohnarbeit zurückzudrängen, die Verteilung des Mehrwerts zugunsten der Arbeitenden zu verändern, Rassismus und patriarchale Strukturen zu bekämpfen. Zugestanden: Durch solche Maßnahmen werden nur herrschaftliche Verhältnisse zurückgedrängt und nicht explizit aufgehoben. Aber die Zurückdrängen herrschaftlicher Strukturen bildet die Voraussetzungen für ihre Aufhebung.


Kategorie:APO-Calypse:Herrschaftsfreie Welt (Seminar) Reader