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A-Camp2008/AST/Beziehungsraum Beziehungsraum
Contents
Beziehung_Raum
Der Name „Beziehung_Raum“ verweist auf einen Inhalt wie eine Form gleichzeitig:
Einerseits sollen hier zwischenmenschliche Beziehungen thematisiert werden – und das in aller Breite. Die Definition von Beziehung ist hier eine weite: alles was zwischen Menschen, die miteinander in Kontakt treten an nicht ganz willkürlichen Dingen passiert. Beispiele wären die Formen „Bekanntschaft“, „Freundschaft“ oder auch „Liebe“. Inwieweit eine derartige Hierarchisierung Sinn macht soll ebenso erforscht werden, wie die Frage nach der Beschaffenheit von Beziehungen an sich – allgemein philosophierend und als konkrete Gestalt in dieser Gesellschaft.
Nachdem Beziehungen oft auch repressiver Natur sind, Menschen sich gegenseitig (bewusst oder unbewusst) Schmerzen zufügen und individuelle psychische Traumata etwas sind, das wir fast alle kennen, ist diese Auseinandersetzung immer auch eine mit unseren eigenen Wunden.
Andererseits ist Beziehung_Raum auch eine Form, eine Hülle für hier und heute stattfindende soziale Prozesse. Dem geht die Einsicht voran, dass Räume sozial aufgeladen sind. Ein Raum ist nicht nur (in diesem Fall) ein Boden mit vier Mauern und einer Decke, sondern immer auch mehr. Als vom Menschen geschaffener Raum ist schon seine konkrete Gestaltung Zeugnis dafür, dass er gewissen gesellschaftlichen Zwecken dient. Unter „Schlafzimmer“, „Küche“ oder „Badezimmer“ verstehen die meisten Menschen ungefähr dasselbe; diese Bezeichnungen ermöglichen gewisse Funktionen, verstellen aber auch andere. Vielleicht will nun niemand über die soziale Aufladung des Klos nachdenken; aber bei Räumen, in denen viele Menschen aufeinander treffen, macht dies sehr wohl Sinn. Die räumlichen Voraussetzungen können sehr großen Einfluss auf die Abläufe der in ihnen stattfindenden Prozesse haben.
In diesem Raum soll nun die fassbare Auseinandersetzung mit Beziehung ermöglicht werden. Konkret bedeutet „praktisch“ und „theoretisch“. Warum beides auf einmal? Weil gerade bei diesem Thema das Tun und das Reflektieren sehr nahe beisammen sind, sein sollten; wir es nicht mit abstrakten Großtheorien zu tun haben, sondern sehr subjektiven und neu zu gestaltenden Belangen.
Trotz der Tatsache, dass es sich hier wohl um die wichtigste und („im Kleinen“) machbarste Form von konkreter Utopie handelt, darf dabei nicht vergessen werden, dass es stets nur ansatzweise gelingen kann, einen Raum „außerhalb der Gesellschaft“ zu schaffen. Die Gesellschaft ist in uns, überall wo wir sind. Dies sollte nicht vergessen werden. Emanzipative Praxis ist auch hier vor allem Kritik; Kritik am Bestehenden, und das heißt an der HERRschenden, patriarchalen Gesellschaftlichkeit. Auf dieser Basis erst, lässt sich das eigene Handeln vorantreiben.
Mit all dem im Hinterkopf soll also die Form Beziehung_Raum auch Hülle für Experimente, Gedankenspiele, Träume und Auseinandersetzungen – letztlich reale Beziehungen - aller Art sein.
Um dies vor allem bewusst zu gestalten, findet ihr hier sowohl Texte und Anschauungsmaterial als auch die geeignete gemütliche Atmosphäre vor, um Reflektion und Praxis zu vereinen.
Letztlich ist aber auch ein Raum nur Rahmen und Struktur, in der Handeln möglich ist. Es kommt also (immer noch) drauf an, was ihr draus macht.
Vorschläge, was hier passieren soll/kann
- Diskutieren, Lesen und inhaltliche Auseinandersetzung zum Thema. Natürlich kann auch nur konsumiert werden, aber generell wär es anstrebenswert wenn dieser Reflexion auch eine Form von Umsetzung folgen würde, ihr euch auch traut andere Menschen mit dem Gelernten zu konfrontieren.
- Gemütliches Abhängen, chillen und Schwatzen abseits – jedoch stets im Bewusstsein, dass es sich hier um einen Raum handelt in dem speziellen Sensibilität gefordert ist. Nicht nur was die Themen betrifft, sondern auch was allgemeine Rücksichtnahme anbelangt: versucht hier besonders rücksichtsvoll, ehrlich und direkt mit euren Mitmenschen umzugehen.
- Die üblichen gesellschaftlichen Masken durchbrechen! Den dicken Panzer, den wir alle haben ablegen und schauen was dahinter ist. Viele haben allerdings das Gefühl, dass es bei ihnen ein „Dahinter“ gibt, etwas das sie spüren aber oft nicht sein können. In gegenseitiger Übereinkunft soll in diesem Raum Platz sein, dieses „Dahinter“ zu erkunden. Nicht cool sein, nicht sich selbst präsentieren, nicht stark sein müssen und die habitualisierten sozialen Klassifizierungsmuster –auch in der eigenen Gruppe – mal ganz bewusst ablegen.
- Und andere, von denen ihr denkt, dass sie das gerade nicht hinbekommen ganz direkt drauf anreden.
- Z.B. „Ich finde du verhältst dich hier zu dominant, vielleicht kannst du etwas zurückstecken.“; „Mir kommt vor dass ich nur eine Fassade von dir seh, was versteckst du dahinter?“; „Versuch bitte hier etwas rücksichtsvoller zu sein.“ „Irgendwie kommt mir das nicht echt vor. Warum traust du dich nicht etwas ehrlicher zu sein?“, oder direkter: „Ich fühl mich von so etwas angegriffen. Hier ist nicht der Platz für solches Verhalten, das ist ein spezieller Raum.“
- Klar ist das schwierig, und sicher fehlen uns oft die Worte für sowas, es scheint nicht zu passen. Aber vergesst nicht, dass oft schon kleine Impulse reichen, um Leute „rauszureißen“, es zählt dann weniger der Inhalt als der Kommunikationsakt. Sinn macht es vielleicht auch, Leute nochmal auf die „Theoriewand“ zu verweisen.
- Direkte Annäherung zwischen Menschen. Damit ist nicht nur Sprechen gemeint. Auch Formen, die in unserer Gesellschaft strukturell diskriminiert werden, wie streicheln, kuscheln, küssen oder sonstwas sollen möglich, aber nicht „ein Muss“ sein.
- Aber vergiss nicht, dass das keine rein individuelle Bedürfnisbefriedigung, ganz im Sinne des bürgerlichen, abgetrennten Subjekts, sein darf. Es sollte besonders darauf Rücksicht genommen werden, ob Menschen eher unter sich bleiben wollen oder nicht. Letztlich ist das eure Entscheidung, aber versucht hier nicht egoistisch zu denken, sondern zu allererst daran, was sich hier an „Beziehung“ vielleicht schon entwickelt hat und deshalb auf einem anderen Niveau ist, als eure Position.
- Umgekehrt sollten Leute auch ganz klar und unverfänglich sagen können, dass sie lieber unter sich bleiben wollen. Das Paar Inklusion/Exklusion kann zwar weh tun, in gewissen Situationen kommt eins aber nicht um es rum, und gerade bei Experimenten kann es notwendig sein, partiell ausschließend zu sein. Der beste Weg damit umzugehen ist deshalb wohl das möglichst explizit zu machen.
- Eine „Abkürzung“ der üblichen Annäherungswege durch direkten und bewussten Umgang miteinander. Und gleichzeitig eine Verlängerung der Reflexion mit- und übereinander, eine Bewusstmachung dessen, was fast immer unbewusst abläuft – der Dinge die zwischen euch sind.
- Wir leben in einer zutiefst normierenden Gesellschaft, in der vor allem auch zwischenmenschliche Beziehungen an Hand der Demarkationslinie „Geschlecht“ (heterosexuell) geordnet werden.
- Ziel emanzipativer Politik ist es, dies zu durchbrechen und zu transzendieren.
- Allerdings sollte trotzdem niemand vergessen, dass dies für den/die Einzelne oft nicht möglich sein wird. Sich vom unerreichbaren Ziel unter Druck setzen zu lassen führt zu nichts. Im Gegenteil wird dadurch nur der Zwang, dem eins eigentlich entkommen will, sekundär reproduziert.
- Normen zu hinterfragen heißt also nicht, irgendwie „sein“ zu müssen. Der jeweilige Level der Einzelnen ist – gemeinsam – zu berücksichtigen. Ziel wäre es also Normen zu hinterfragen, und dabei die jeweilige Normierung der Einzelnen trotzdem zu berücksichtigen, produktiv auszuleben.
- Traut euch! Ehrlich zu sein, direkt zu sein, offen Wünsche und Bedürfnisse auszusprechen.
- Durch das gegenseitige Bewusstsein der Leute hier solltet ihr ein Stück weit mehr darauf vertrauen können keine Angst vor Blamage, Gesichtsverlust oder sozialer Ausgrenzung haben zu müssen.
- Das ist ein Versuch. Er kann schief gehen, und das ist auch okay (so lang dabei niemand ernsthafte Schäden davon trägt…)
Einschränkungen
- Der Beziehung_Raum ist kein „Swinger-Club“. Kommt nicht hier her, wenn ihr euch einen schnellen Weg zu sexuellen Begegnungen erwartet. Abgesehen davon, dass diese – trotz aller Offenheit – hier wohl eher die Ausnahme sein werden (nicht zu letzt auch deshalb, weil das alles immer viel schwieriger umzusetzen ist, als es gesagt ist; weil die meisten von uns nur zu einem kleinen Teil bereit für das alles sind), geht es nicht um konkrete Handlungen alleine. Dies würde fast notwendigerweise nur bestehende Muster der patriarchalen Ordnung reproduzieren. Handlung und Reflexion sollen hier ganz bewusst nur gepaart und in vorsichtiger Weise stattfinden.
- Dies ist kein Raum, in dem die patriarchale Ordnung „außer Kraft“ gesetzt werden kann!
- Wir alle sind durch sie geprägt, ein großer Teil von uns ist starr in ihr verhaftet.
- Das bedeutet auch, dass einige Männer sind, andere Frauen.
- Und, dass sexuelle, psychische und physische Gewalt in dieser Gesellschaft vornehmlich von Männern ausgeht und Frauen betrifft.
- Das Aufzeigen, Kritisieren und Angreifen dieser Tatsachen ist zentrale Errungenschaft des Feminismus und soll hier allererste Gültigkeit haben. (Das vieles was hier thematisch passiert ohne feministische Ansätze gar nicht möglich wär versteht sich – deshalb – von selbst)
- Das heißt: Übergriff bleibt auch hier Übergriff. Und Frauen haben die absolute Definitionsmacht!
- Lest den Anti-Sexismus Reader der hier und anderorts aufliegt zu allererst, damit ihr wisst was Sache ist.
- „Queer“ ist toll und in aller Munde. Aber in mancher Hinsicht auch für viele überfordernd. Es geht hier nicht darum, (sich) zu beweisen, auch Teil dieser Bewegung zu sein, die sich heute teilweise durchaus wie eine „Avantgarde“ artikuliert. Dieser Raum muss deshalb nicht queer sein, wenn auch viele der Texte von der queer theory beeinflusst sein mögen.
- Nachdem es sich um einen Experimentier- und Reflexionsraum handelt sollten sich hier Leute aufhalten, die auch an beidem Interesse haben. Wer nur ausprobieren will und sich nicht mit Inhalten auseinandersetzen mag, ist hier fehl am Platz. Wer bereits (eine) stabile und abgeschlossene Beziehung(en) hat, und sie „exklusiv“ ausleben möchte, sollte das lieber wo anders tun.
- Es sollten sich aber auch alle die hier teilnehmen darüber bewusst sein was sie hier machen, dass es ein Stück weit um Grenzüberschreitungen geht und das so etwas immer auch riskant ist. Menschen, die sich das gerade nicht zutrauen sollten den Raum meiden oder ganz explizit machen, dass sie sich hier nicht mit anderen austauschen wollen, keine Lust auf Experimente haben. (Auch wenn es sich „nur“ um Versuche anderer Kommunikation handelt – dafür sollte eins sich auch bewusst vorbereiten)
Kritik !
Kritik am Konzept wie an den Texten ist natürlich höchst erwünscht. Bringt sie am Besten offensichtlich und plakativ direkt dort an, wo es euch notwendig erscheint.
Falls ihr diesem Wegweiser noch etwas hinzufügen wollt, tut das; andere Wege sind nicht nur erlaubt sondern gewünscht! J
Falls ihr Bedenken betreffend die Prozesse an sich habt, müssen die – wie alles andere am A-Camp – gemeinsam und im Gespräch geklärt werden. Nur so lässt sich das Vorhandene produktiv transformieren!
Disclaimer
Die Texte entsprechen nicht allesamt den Meinungen jener, die sie gesammelt haben. Einigen stehen wir sogar recht kritisch gegenüber. Wir finden dieses unabgeschlossene Sammelsurium so aber auch spannend und hoffen auf zahlreiche Ergänzungen.
Quellen haben wir nicht angegeben, weil sie hier nicht von Bedeutung sein sollten: dieser Raum wird durch die Inhalte geprägte und die Auseinandersetzung mit ihnen sollte auch hier mit dem Bestehenden (und zu Ergänzenden) stattfinden. Außerdem kann es sein das einige der AutorInnen nicht genannt werden wollen – das gleiche gilt natürlich auch für Ergänzungen die ihr macht – sie können, sollten vielleicht sogar anonym sein.
Leider sind viele der Texte nur auf Deutsch verfügbar. Wir regen deshalb stark an, noch mehr englische Texte zu suchen und aufzulegen, und/oder sich die Mühe zu machen bereits vorhandene Papiere zu übersetzen.