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User:Rauschgoldbengel:Warum Anarchismus
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wie ich anarchist wurde, und wie ich bemerkte, dass ich bereits einer war
es war ein schoener fruehlingstag zu anfang der siebziger jahre, da machte ich meiner mutter zum ersten mal viel arbeit: ich kam zur welt.
die neugier, die wissenschaft und die moral
fuer sich genommen noch nichts besonderes, war ich in dieser fruehphase meines lebens ein rundum gewoehnlicher saeugling. doch bald sollten meine eltern mitbekommen, was sie an mir hatten: nicht nur, dass ich mit einem jahr der ganzen familie die windpocken zu weihnachten schenkte oder man mir mit zwei jahren schon mal das leben retten musste, nein, kaum dass ich der sprache maechtig war (und das war bei mir sehr frueh), benutzte ich selbige, um meine eltern und andere erwachsene zu loechern -- ich wollte alles wissen! schlimmer noch: theorie ist schoen, aber grau, und begreifen kommt von greifen, und so erkundigte ich die welt auf eigene faust. lichter und andere schalter wurden zum leidwesen meiner eltern (die mich davon ohne grossen erfolg abzuhalten versuchten) ausprobiert, bis sie mich langweilten, da ich sie auswendig kannte, und meinem erkundungsdrang fiel auch schon mal ein schallplattenspieler zum opfer.
besonders anstrengend fanden meine eltern vielleicht meinen eigensinn: ich empfand einschraenkungen meines handlungsspielraumes grundsaetzlich als schikane, wenn ich nicht genau wusste, wozu sie gut waren, insbesondere, wenn sie nicht fuer alle galten (sondern nur etwa fuer kleine kinder wie mich). durfte ich dinge nicht tun, tat ich sie halt im verborgenen: mein vater verbot mir, den schalplattenspieler anzuruehren, da er meinte, ich sei zu jung dafuer. ich wollte nur ausprobieren, wie er funktioniert -- doch leider war er zu schwer fuer meine haende, und die folgen sind genannt...
meine eltern pflegen jedoch einen insgesamt gleichberechtigten umgang mit ihren kindern. sie erklaerten mir die verhaltensnormen, und so lernte ich frueh, dass hinter gesellschaftlichen regeln auch gruende zu finden sind, weshalb sie existieren. die frage nach den gruenden hinter den regeln und nach den gruenden hinter den gruenden wurde mir so zum programm.
als kind war ich ein tiefglaeubiger christ. zwei meiner schwestern nahmen mich mit zu gemeindeveranstaltungen und bibelkreisen mit, wo ich bewegende glaubenserlebnisse hatte. zugleich faszinierten mich die wissenschaften, insbesondere die astronomie und die physik, ueber die ich mich mit meinem vater besonders gut unterhalten konnte. dann kam ich in die pubertaet, wurde konfirmiert und kurz darauf atheist.
als jugendlicher litt ich an der liebe, der welt und aller ungerechtigkeit des universums gleichzeitig. ich war ein gluehender eiferer, der den menschen predigte, sich zu bessern. und ich fragte mich, warum der allmaechtige, allwissende und allguetige gott all dieses leid zuliess und der welt die grausamkeiten der apokalypse zudachte. und meine schwestern lehrten mich, man muesse die bibel woertlich nehmen. dazu kam noch, dass sie sich nicht mit evolutionstheorie, geologie, astronomie und anderen wissenschaften vertrug, nach denen die erde und der kosmos ein milliardenalter hatten, verglichen mit dem biblischen weltater von jahrtausenden. ich war in einem dilemma -- und entschied mich fuer die seite der wissenschaft: lag sie falsch, muesste sie frueher oder spaeter mit ihren eigenen methoden widerlegt werden koennen, waehrend das biblische weltbild sich gegen diese pruefung verschloss. der stein war im rollen, und eines nachts auf der konfirmantenfreizeit wurde er zum erdrutsch. vor mich hin gruebelnd ging ich die konsequenzen durch, die es hatte, wenn die wissenschaft richtig und die bibel falsch lag. dann war der mensch ein naturprodukt und sein verhalten eine folge von naturgesetzen. gab es aber keinen gott hinter dem lauf der welt, keinen gott ueber der welt, dann gab es auch keinen grund fuer moral, denn der grund war ja gott, doch gott war fort.
mir wurde schwindlich; der erste schluck aus dem glase des atheismus war bitter, doch ich beschloss, das ganze glas wie eine medizin auszutrinten. ich musste. ich wollte ja alles wissen.
ich kannte atheisten, die mich zu missionieren versuchten. doch mir ging auf, dass sie keinen grund dafuer hatten, denn welche moral wiess sie dazu an, es zu tun? nicht-moral war unmittelbar logisch. jedoch wiess mich die nicht-moral auch nicht dazu an, die nicht-moral zu missionieren. ploetzlich hatte ich es in den haenden, was ich anderen weitergebe. die nicht-moral wiess mich nicht mal an, nicht an gott zu glauben. doch ich stellte fest, dass ich das leid der welt und das eigene leichter ertragen konnte, wenn es folge von naturgesetzen war, und nicht von einem allmaechtigen gott zugelassen. ich wollte nicht mehr zurueck. angefangen bei biologie und astronomie wurde mein ganzes gottloses weltbild dann von anderen wissenschaften gefestigt; verhaltensforschung, selbstorganisation und chaostheorie spielten dabei eine wichtige rolle.
zoon politikon
doch halt! ich will noch mal einen schritt zurueck gehen. ich war schon sehr frueh politisch. mich aergerte die umweltverschmutzung, ich freute mich mit den ersten gruenen im bundestag, aergerte mich vom amtsantritt an ueber kanzler kohl und war schockiert ueber die hungernden kinder in aethiopien. meine mutter meinte zwar, ich wuerde mich an derartige bilder gewoehnen, aber ich war der ansicht, dass es unmenschlich sei, vor dem leid in der welt abzustumpfen. noch vor nicht all zu langem meinte eine bekannte, etwas juenger als meine eltern, sie haette frueher auch mal ideale gehabt, aber sei nun realistisch geworden, und dort hin werde ich auch noch kommen. aber ich wusste genau: diesen nur noch auf das eigene wohl orientierten "realismus" will ich nicht. ich wuerde keine ideale verlieren, sondern nur meine eigentlichen daseinsmotive mit zynismus betaeuben. ich hatte einfach keine lust, noch ein normales, normiertes leben mehr zu fuehren, denn dafuer haette ich nicht zur welt kommen muessen. lieber wollte ich jeden tag von neuem scheitern, die welt zu verbessern, als ihre verderbnis suessbitter zu beklagen, ohne es auch nur versucht zu haben.
ich verfolgte also politik seit dem ende der siebziger jahre, verfolgte, welche parteien und welche politiker welche politik machten (politikerinnen waren damals noch seltener als heute), und fieberte dem tag entgegen, da auch ich waehlen gehen konnte, und traeumte auch davon, selbst in die politik zu gehen und vielleicht eine eigene partei zu gruenden, mit den besten koepfen, um die beste politik zu machen. unter allen realen parteien favorisierte ich die gruenen, da sie von den mir wichtigen themen (umweltschutz, frieden, soziale gerechtigkeit) die meisten im programm hatten. naja, auch nicht alles, was linie gruener politik war, war mir auch recht, aber die anderen waren nicht besser -- und die wurden dauernd gewaehlt; wie ich mich aergerte!
als ich dann waehlen durfte, flogen sie aus dem bundestag. als sie dann an die regierung kamen, trat ich ihnen bei, und erlebte, wie sie immer weniger das waren, wofuer ich sie gewaehlt hatte. da spricht nun also ein buetikofer von der notwendigkeit des wirtschaftswachstums, doch wohin sollen wir wachsen, wenn wir alle tage wachsen sollen? das kann nicht die loesung der probleme sein, es ist ein teil des problems! da organisiert mein lokaler jugendverband musikfestivals und gibt schlecht recherchierte antraege an die partei zur entscheidung weiter, anstatt sich um die eigentlichen probleme dieser welt zu kuemmern. inzwischen wundert mich kaum noch, dass es so wenig kontakt zur umwelt- und naturschutzbewegung gibt, und die partei im wesentlichen um sich selbst kreist. heute wuerde ich keiner partei mehr beitreten. warum? parteiarbeit bedeutet immer konkurrenz: um waehlerstimmen, um spendengelder, um mitglieder, parlamentssitze und medien-aufmerksamkeit. da bleibt fuer die eigentliche, thematische arbeit nur wenig raum. aber dazu spaeter mehr.
utopien
ich machte mir schon als kind mir meine gedanken, was zu aendern sei. da ich alles hinterfragte, machte ich auch vor dem staat nicht halt. vielleicht war ja nicht nur die politik falsch, sondern das ganze politische system? wenn es so nicht geht, wie koennte es anders gehen? ich hatte meine traeume -- grosse traeume!
am anfang war kalosarien. ein koenigreich auf einer insel, und ich der koenig. ich liess nur gute menschen auf die insel ziehen und verbot kurzerhand alles schlechte. nun gut -- inseln fuer staatsgruendungen sind nicht mehr zu haben, und koenige regieren oft an den beduerfnissen der menschen vorbei: wer garantiert denn, dass ausgerechnet ich ein guter koenig bin, und dass ausgerechnet meine verwaltungsleute die richtigen sind? dieses problem sah ich als das ernstere von den zweien an, handelte es doch von der grundstruktur meiner gesellschaft. der ort liess sich leicht verlegen, und so behielt ich das inselreich als modell bei. die macht aber musste zur basis, zu den beduerfnissen der leute.
im geschichtsunterricht behandelten wir, neben der antiken athenischen demokratie und der roemischen republik auch die russische revolution. dort wurde unter anderem das modell der raete vorgestellt, das im revolutionaeren russland und deutschland (muenchner republik) zum einsatz kam. als einen grund fuer das scheitern nannte unser lehrer, dass die raete mit ihren imperativen mandaten und vielen ebenen vor lauter vor- und rueckabstimmungen keine entscheidungen zu treffen vermochten. aber die idee der imperativen mandate gefiel mir, und so machte ich mir gedanken, wie es zu verbessern sei.
unterwegs entstand ein system, das der raeterepublik in vielem glich. es war ein bundesstaat, in dem auf jeder ebenen ein direkt gewaehltes parlament, der rat und ein trikonsulat existierte, aber das parlament dachte ich mir bisweilen auch schon weg, und so blieb der rat, die "parabola" uebrig. der rat war an das imperative mandat gebunden, und jedes mitglied war jederzeit abberufbar. entscheidungen konnten jederzeit auf tieferer ebene aufgehoben werden. jeder rat hatte 144 mitglieder und waehlte die mitglieder des naechsthoeheren rates. so handelten basisgruppen mit 144 leuten selbstaendig, die ersten raete vertraten jeweils kleine staedtchen mit ca. 20000 einwohnern, auf der zweiten ebenen waren es schon grossstadt- und bundeslandformate, auf der dritten ganze kontinente, und auf die vierte ebene passte bequem mehrmals die ganze welt. die trikonsulate waren das exekutivorgan: zwei von ihnen waren direkt gewaehlt (die beiden staerksten kandidaten des waehlervotums, alpha und omega), einen konsuln, pi, bestimmte der rat. diese drei hatten ihre entscheidungen miteinander abzustimmen. zu wichtigen entscheidungen, insbesondere verfassungsaenderungen, wurde das volk befragt. das system gefiel mir schon ziemlich gut, litt aber an der indirektheit der hoeheren ebenen.
mir war klar, dass viele probleme nicht aus der politik heraus entstanden, sondern aus dem wirtschaftlichen system. wenn die demokratisierung der politik die lebensverhaeltnisse verbessern konnte, warum dann nicht die demokratisierung der wirtschaft? die arbeitskraefte eines unternehmens entscheiden gemeinsam ueber den produktionsprozess und arbeitskraefte und verbraucher gemeinsam ueber produkt und menge. meine mutter meint, das koenne nicht funktionieren, denn einfache arbeiter haetten von betriebsablaeufen nicht genug ahnung -- nur sagte man dem volk das vor der einfuehrung der politischen demokratie auch.
ich diskutierte und diskutiere mit meinen eltern immer wieder die uebertragbarkeit des schweizer modells auf andere weltregionen. sie meinen, deutschland sei viel zu gross, da wuerden volksabstimmungen nach der art der schweiz nicht vernuenftig funktionieren. was aber passiert, wenn man sich deutschland als ein buendnis von 16 schweizen vorstellt? aber die schweiz hat auch ihre schwaechen: staendig finden volksabstimmungen ueber komplizierte antraege statt, die von irgendwelchen lobbyverbaenden ins leben gehoben wurden, und da kaum jemand die buchdicken antraege versteht, setzt sich normalerweise die seite mit dem besseren werbeapparat durch. vor nicht all zu langem kam mir eine loesung, wie man das problem in griff bekaeme: vollstaendige foederalisierung der beschlussfassung. alle beschluesse werden auf unterster ebene initiiert, wo sich alle beteiligten gegenseitig kennen; so setzen sich schon dort nur leicht verstaendliche, oder zumindest an den interessen der gruppe orientierte entwuerfe durch. ist der antrag von ueberregionaler bedeutung, so wird er auf die naechsthoehere foederationsebene durchgereicht, bis er entweder seine bestimmungsebene erreicht hat oder bei der abstimmung durchfaellt. im gegensatz zum marxistischen raetesystem koennen hoehere delegiertenversammlungen also keine eigenen antraege zur abstimmung durchsetzen, sondern nur bei der basis dafuer werben. auf diese weise werden abstimmungen ueber antraege, die an den beduerfnissen der basis vorbeigehen, minimiert. geht man dazuhin von flaechenverbaenden auf personenverbaende ueber, so hat man um so weniger mit menschen zu tun, mit denen man nichts zu tun haben will. dieses jahr traf ich auf einen menschen, der dieses konzept unabhaengig von mir vertrat -- doch dazu spaeter mehr.
realitaeten
wenn man einen wirtschaftlichen prozess aus bequemlichkeit oder mangelnder kompetenz heraus an andere personen vergibt, koennen merkwuerdige dinge passieren, insbesondere, wenn die nutzer des wirtschaftsprodukts, die konsumenten, kaum organisiert sind und grossen produzentenorganisationen gegenueberstehen. ein anschauliches beispiel liefern lebensmittel. Die chinesische kueche entstand in einem jahrtausendelangen kulturprozess. im wesentlichen waren (und sind) dort auf dem land erzeuger und verbraucher identisch, und so entwickelte sich, neben einer optimierten anbaukultur, auch ein optimierter speiseplan, dessen zutaten in kondensierter form alles lebensnotwendige enthalten. bei den grossen fastfood-ketten ist der einfluss der verbraucher auf den produkzionsprozess sehr indirekt und findet hauptsaechlich ueber absatzzahlen und umsaetze statt. im gegensatz zur chinesischen landkueche haben hier die produzenten kein unmittelbares interesse an einem hohen naehr- und saettigungswert ihrer produkte -- eher das gegenteil ist der fall. um die gewinne zu maximieren, wird naehrwert vorgetaeuscht und die saettigung aufgeschoben, etwa durch die verwendung von aromen, glutamat und zucker. der produktionsprozess ist also nicht nutzwert- sondern gewinnoptimiert. freilich ueberleben auch gesuendere lebensmittelproduzenten, aber ohne entkopplung von konsumenten und produzenten existierte junk-food mit seinem schein-naehrwert wahrscheinlich ueberhaupt nicht.
laesst sich diese beobachtung auch auf den parlamentarismus uebertragen? ich behaupte, es gibt genug analogien: "konsumenten" sind diejenigen, fuer die die gesetze gelten, "produzenten" hingegen diejenigen, die sie entwerfen und beschliessen. es ist also zu erwarten, dass, trotz losem kontrollprozess (hier die wahlen), eigeninteressen verfolgt werden, die dazu fuehren, dass das "produkt" (hier die gesetze) dem "konsumenten" bisweilen mehr nutzen vorgaukeln, als darin enthalten ist. und das noch bei einem "monopolisten" (dem staat), an dessen spitze sich alle paar jahre ein wenig aendert. in einer direktdemokratie wuerde der "produzent" mit dem "konsumenten" zusammenfallen, vorausgesetzt, es gelingt, die gesellschaft so zu strukturieren, dass produzent und/oder konsument nicht ueberfordert werden.
suchen
seit ich politisch bin, schaute ich mich auch nach politischen gruppierungen um -- gelegentlich schauten die sich auch nach mir um. am anfang kannte ich vor allem parteien, buergerinitiativen und verbaende. anfangs sah ich die spd und die gruenen als die besten vertreter meiner interessen an. ausserparlamentarisch waren es vor allem die umwelt- und die friedensbewegung -- und "menschen fuer menschen" gegen den hunger. die parteiendemokratie und ich entwickelten uns weiter. das selbstdarstellungsspiel der parteien schien mir immer absurder; unter den parteien im bundestag schienen mir die gruenen noch das kleinste uebel, als sie doch immerhin die meisten ziele mit mir teilten. aber ich merkte auch: es ist nicht ganz, was ich will.
die spaeten 90er waren eine umbruchzeit. man war unzufrieden mit kohl, und die bevoelkerung hoffte auf einen politikwechsel. es war noch etwas hin bis zur wahl, da tauchte die mlpd bei uns auf, um einen hochschulpolitischen ratschlag zu veranstalten. einen ratschlag unter mlpd-aegide muss man sich etwa so vorstellen: mlpd-leute und andere politisch interessierte diskutieren ueber ein politisches thema. dabei stellen die parteifunktionaere den entwurf der partei zu dem thema vor, und andere duerfen auch etwas dazu sagen. nach mehreren wochen diskussion fassen die parteifunktionaere die diskussion zusammen, indem sie den teilnehmern die parteiposition als konsensentwurf zur unterschrift vorlegen. es war aber kein konsens: ich stimmte der position nicht zu, und fuehlte mich waehrend der diskussion zunehmend als rechts-aussen unter den linken. auch hier war ich nicht zuhause.
im wahljahr 1998 versuchte eine groessere gruppe von studenten einen vorstoss: man wollte die fdp uebernehmen. wir besuchten mehrere parteiveranstaltungen, darunter eine kreis-mitgliederversammlung, und stellten aufnahmeantraege. wir wurden, da wir uns in den zielen zu stark von der partei unterschieden, lapidar abgewiesen. welche ziele das aber waren, dazu wurde nie offen stellung genommen, dabei hatten wir genuegend gruende, uns ebenfalls als liberale zu definieren. doch es zeigte sich, dass die fdp an einer echten demokratisierung kein interesse hatte, und unter freiheit vor allem die freiheit des marktes und der eigentuemer meinte. einige jahre spaeter, als die lebensgeschichte joschka fischers im bundestag debattiert wurde, machte westerwelle bei christiansen klar, dass er von den pershing-blokaden der friedensbewegung nichts hielt, weil sie sich damit gegen die beschluesse des parlaments gestellt und illegal gemacht haetten. diese klar auf gesetzestreue und gegen die freiheit des menschen gerichtete position erlaubte den legalen uebergang zur diktatur -- eine solche partei konnte nicht meine politische heimat werden.
finden
nun gut, fuers erste versuchte ich es nach der bundestagswahl '98 mit den gruenen. ich bemerkte aber sehr schnell, dass mein aufwand fuer politische arbeit ungefaehr den effekt bei der umsetzung meiner ziele aufwog, wenn nicht gar ueberwog. nach einer gewissen anfangseuphorie und aufgrund anderer interessen zog ich mich weitgehend aus der parteiarbeit zurueck. inzwischen hatte ich eine neue spur gerochen: gnu und linux und die gpl wiesen einen weg, wie man zur freiheit des menschen und zugleich zu einem funktionierenden wirtschaftsprozess kommen koennte. oekonux beschaeftigte sich dann, als forum, mit der uebertragbarkeit der konzepte von der freien nutzung des wissens zur freien nutzung anderer gueter. von dort aus gelangte ich zur panokratie, einem utopischen gesellschaftsentwurf, an dem kaum etwas ausgelassen wurde. dieser leitete sich aus ideen der anarchie ab.
"anarchie -- ist das nicht diese voellig unreife idee, man koenne einfach staat, geld und eigentum abschaffen?" -- so dachte ich anfangs. nein, von einfach abschaffen konnte keine rede sein: wenn du sie jeweils durch einen handstreich aufloest oder verbietest, kommen sie just durch die hintertuer zurueck. das geht hoechstens ueber einen langen, muehsamen weg mit vielen freiwilligen, und kann auch nur fuer die freiwilligen gelingen, die auch nur dann dabei bleiben, wenn das leben fuer sie dadurch besser wird.
meine erste begegnung mit einer groesseren menge anarchisten war letztes jahr (2003) auf einem camp; der anlass war eigentlich, ein paar panokraten zu treffen, aber so konnte ich mir auch mal die anarchisten anschauen. sie enttaeuschten meine erwartungen -- im positiven sinne: im grossen und ganzen nette menschen, mit bisweilen verschrobenen, bisweilen klaren ideen vom leben. die besoffenen strassenpunks, die ich vom sehen kannte, waren es jedenfalls nicht. es waren menschen, wie man sie ueberall finden koennte.
ihre politischen ideen blieben mir jedoch noch unklar und suspekt: ich verstand ihre sprache nicht! dass die sprache das problem war, wurde mir klar, als ich letztes jahr meinen computer neu installierte und dabei auf eine fragensammlung (faq) mit besonderem inhalt stiess: es war eine fragensammlung zum anarchismus. ich wurde neugierig, und in der weihnachtszeit begann ich, sie zu lesen.
die sammlung ist gewaltig; gedruckt ergaebe sie mehrere buecher -- aber vieles wiederholt sich, denn die autoren haben versucht, jede frage recht ausfuehrlich zu beantworten. ich versuchte, die mir wichtigen teile herauszugreifen, um die bewegung zu verstehen. zunehmend kristallisierte sich heraus: da ist eine grosse, antiautoritaere und emanzipative bewegung, deren ziel freie menschen sind, die ihr leben selbst in die haende nehmen und nach ihren eigenen beduerfnissen organisieren. oekologie, frieden, essen fuer alle ergibt sich aus den gemeinsamen ueberlebensinteressen. ziel ist es, macht und initiative an die basis zurueckzuholen, und es gibt mehrere, teilweise erprobte modelle, wie dies gelingen kann. meine ueberlegungen zum kommunismus ("alles fuer alle" -- oder "jeder nach seinen faehigkeiten, jedem nach seinen beduerfnissen"), dass er nur auf freiwilliger basis gelingen kann, wurden bestaetigt. mein eigenes gesellschaftsmodell lag inmitten der anderen modelle und war schon mit gewissem erfolg erprobt. abschaffung des staates meint nicht die abschaffung saemtlicher gesellschaftlicher strukturen, sondern die abschaffung seiner autoritaeten, indem er durch eine anti-autoritaere gesellschaftsordnung ersetzt wird. abschaffung des kapitals bedeutet die abschaffung von eigentumsprivilegien, die ja nur durch staatlichen schutz funktionieren (etwa schutz von ungenutzten haeussern vor landlosen hausbesetzern durch die polizei, oder die raeumung einer besetzten fabrik durch selbige), nicht etwa, dass die menschen nun nicht mehr frei ueber etwas verfuegen koennten, sondern dass sie ueber alles frei verfuegen koennen. manche denken an revolution (uebergang in die neue gesellschaftsordnung durch verdraengung oder zerschlagung der alten, nicht das erschiessen von politikern), andere an evolution (uebergang durch umwandlung der alten in die neue durch ueberzeugungsarbeit und widerstand), manche wiederum an eine mischung aus beidem, die wenigsten glauben jedoch an den weg der reform (parlamentsmehrheit gewinnen und die alte ordnung durch gesetzesaenderungen abzuschaffen), da dieser versuch bisher jedes mal gescheitert ist. als ich dieses jahr (2004) wieder auf dem sommercamp war, fuehlte ich mich sofort wie zuhause, und ich wusste: ich war schon lange anarchist, ehe ich wusste, was anarchismus ueberhaupt ist. dort traf ich uebrigens auch den menschen, der mein modell unabhaengig von mir vertritt.