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Karakök Autonome türkei/schweiz

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SCHWARZE WURZELN SCHLAGEN


Karakök Autonome schweiz - laydaran@immerda.ch

Karakök Autonome türkei - otonomkarakok@gmail.com

www.karakok.org


Im Mai vergangenen Jahres (2007) wurde im Online-Magazins „Izinsiz Gösteri“ erstmals ein Artikel über die Gründungsprinzipien der Karakök Autonome sowie ihre grundlegende Sicht auf Gesellschaft, Politik und Kultur veröffentlicht. Seit damals ist etwas mehr als ein Jahr verstrichen. In dieser kurzen Zeit haben die Karakök-Aktivitäten einen weiten Weg zurückgelegt. Sie wandelten sich von einer einzelnen Gruppe in eine Vielzahl von Autonomen, die gemeinsam und ineinander verflochten arbeiten. Gleich dem Begriff des französischen Philosophen Gilles Deleuze, zeigt die Karakök eine sogenannte „rhizomatische“ Eigenschaft: sie besitzt nicht wie etwa ein Baum ein Zentrum in Form eines Stammes, sondern vielmehr ein dezentralisiertes Wurzelgeflecht. Sie breitet sich auf anti-hierarchische und anti-autoritäre Weise in die Poren der Gesellschaft aus und ist „ohne Wirbelsäule“ sowie „ohne Gehirn“. Diese zwei Begriffe, die im gewöhnlichen politischen Jargon eine schwere Beleidigung darstellen, sind auf der Ebene, auf welcher die Autonome steht (oder besser: sich bewegt), durchaus akzeptable Begriffe. Die Karakök Autonome hat keine steife, starre Struktur oder Wirbelsäule, wie sie in den traditionellen Kämpfen der Arbeiterklasse oder den liberalen Organisationsformen der Bourgeoisie zu finden ist.

Nichtsdestotrotz stellt sie ein Ganzes dar; sie setzt sich zusammen aus anarchistischen Individuen, die sich im Willen zur Kollektivität gemeinsam bewegen. Es gibt in der Karakök keine theoretische oder praktische Ausrichtung, die sich von einem starren Zentrum, von oben nach unten in Richtung der passiven Menge bildet. Der gemeinsame Nenner der Individuen und Gruppierungen, welche die Autonome bilden, ist die Übernahme der in der Deklaration erläuterten grundlegenden anarchistischen Ideen sowie die Bemühungen, diese in konkrete Aktivitäten umzuwandeln. Dabei entscheidet kein „Gehirn“, wer, was wo machen wird; vielmehr wird über Art und Realisierung von Aktionen bei Sitzungen durch alle anwesenden Karakök-AktivistInnen gemeinsam entschieden. Deswegen setzen AktivistInnen ihr Zeichen unter rasche und wirksame Entwicklungen an den ungeahntesten und unterschiedlichsten Orten. Gegenüber Interessierten und NeumitgliederInnen ist die Autonome offen: jeder, der sich selbst als Karakök fühlt, ist Karakök.


Was machen wir?

Heute werden Karakök-Aktivitäten in Grossstädten wie Istanbul, Ankara und Izmir, sowie in anderen anatolischen Gegenden und in Europa realisiert. In diesem vergangenen Jahr haben wir mehrere bedeutende Kampagnen organisiert oder mitorganisiert. Eine davon war die Antirassismus-Kampagne in der türkei nach dem Mord am afrikanischen Einwanderer Festus Okey auf der Polizeiwache von Istanbul-Beyoglu. In der türkei befinden wir uns zurzeit mitten in der Gründung einer Anarchistischen Föderation. Als „Anarchistische Autonomen“, bestehend aus den drei Organisationen Karakök Autonome türkei/schweiz, Autonome A, Kadiköy-Gruppen, Avcilar, Karahat, Caglayan, Internasyonala.org, Schwarzer Block Izmir, und AKA (Anarchistisches Kollektiv Ankara), haben wir hierfür bereits die ersten Vorbereitungsschritte getan. Die Föderationsgründung hat insofern grosse Bedeutung, weil in der revolutionären Bewegung der türkei immer noch eine grosse Ablehnung gegenüber Zusammenarbeit herrscht – eine Tatsache, die historisch begründet ist und die es nun Stück für Stück abzubauen gilt. Wir müssen nicht gleich denken, um solidarisch und gemeinsam an einem Strang ziehen zu können, im Gegenteil: je mehr unterschiedliche Farben und Sichtweisen zusammenkommen, um so wirksamer kann die anarchistische Bewegung sein. Gerade durch eine solche Zusammenarbeit entwickeln wir uns nicht nur politisch, sondern auch auf zwischenmenschlicher Ebene weiter: durch das Bewahren der eigenen Individualität, indem man aber auch andere GenossInnen in ihrer individuellen Eigenheit und Ansichtsweise respektiert und auf einem gemeinsamen Nenner eine Bewegung aufbauen kann. Eine Kette aus vielen starken Gliedern ist stärker als eine Kette aus vielen schwachen Gliedern, die durch einzelne starke Glieder zusammengehalten werden.

Nebst der lokalen Ebene arbeitet die Autonome international mit anarchistischen, libertären, kriegsgegnerischen, anti-autoritären Gruppen und Netzwerken zusammen. So kam beispielsweise die PGA (People’s Global Action), der Wegbereiter der ersten Anti-Globalisierungswelle in Seattle, als unser Gast in die türkei. Ausserdem nahmen dieses Jahr Delegierte der Karakök aus der türkei und der schweiz am 8. Kongress der IFA (Internationale der Anarchistischen Föderationen) teil, die 1968 im italienischen Carrara gegründet wurde und sich in der Tradition der 1872 von Michail Bakunin in der schweiz gegründeten Antiautoritären Internationalen sieht. Zum ersten Mal in der Geschichte der Internationale berichteten Delegierte aus der türkei über den Kampf und die Angelegenheiten der Anarchistischen Bewegung in Anwesenheit von Delegierten aus 32 Ländern.

Die Karakök Autonome hat sich mit einer antinationalen Einstellung internationale Plätze des Widerstandes ausgesucht. Ausserhalb der türkei richten AktivistInnen ihre Struktur sowie ihr praktisches Schaffen nach der jeweils lokal vorherrschenden Situation aus und legen dabei Wert darauf, mit den GenossInnen aus anderen Regionen oder Ländern in regem, persönlichem Informationsaustausch zu bleiben. Die GenossInnen im Balkan sind mitten in den aktiven Arbeiten für die Gründung einer Anarchistischen Föderation Balkan. In Mitteleuropa dauern ebenfalls die Bemühungen für die Gründung einer Föderation an. In der schweiz haben Karakök-AktivistInnen mit Anarchistischen Gruppen aus der schweiz gemeinsam ein Büro gemietet und befinden sich mit ihnen in kollektiven Aktivitäten. Ende Oktober haben unsere GenossInnen an den kulturellen und praktischen Aktivitäten der „Anarchiewoche“ teilgenommen, welche von den „Zürcher AnarchistInnen“ organisiert wurde. Im November 2008 organisierten wir gemeinsam mit weiteren Gruppen eine Anti-AKW-Demo in Zürich. In München nahmen wir anfangs 2009 im „Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz“ sowie an den Anti-NATO-Aktivitäten teil. Die „Feministische Aktion“ der schweizer Sektion nahm im April 2009 aktiv am FrauenLesbenTreffen in Wien teil und veranstaltete dort u.a. einen Workshop. Am 1. Mai 2009 marschierten wir in Basel innerhalb des Revolutionären Bündnisses und schlugen ein gemeinsames Transpi auf mit der Villa Rosenau und den Kurdischen Militärdienstverweigerern. Der Aufruf zu einem antikapitalistischen Block in Basel war erfolgreich und so konnte durch die aktive Teilnahme mehrerer Organisationen ein kämpferischer 1. Mai durchgeführt werden. Im Zürcher Zeughausareal waren wir schliesslich mit einem eigenen 1.Mai-Stand gegenwärtig und genossen gemeinsam mit den Zürcher AnarchistInnen und der IWW die regen Möglichkeiten eines politischen Austauschs. Am 15. Mai, dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, fanden überall auf der Welt Aktivitäten gegen Krieg und Militär statt. Deshalb, und um uns mit Kriegsdienstverweigerern zu solidarisieren, haben wir an einem gut besuchten, zentralen Ort der Stadt Zürich ein Transparent angebracht: “Soldaten sind Mörder, 15. Mai – Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung”. Desweiteren sind wir auf Radi LoRa mit einem monatlichen Programm auf Sendung, das wir zweisprachig (türkisch/deutsch) durchführen sowie hauptsächlich als Info-Plattform für die anarchistische und breite revolutionäre Bewegung weltweit nutzen.


Philosophie & Wirkungsweise

Was ist nun aber das „Geheimnis“ dahinter, dass sich die Karakök in dieser relativ kurzen Zeit, allen Schwierigkeiten zum Trotz, so rasch ausbreiten konnte? Einer der wichtigsten Gründe ist wohl die Tatsache, dass die Karakök Autonome eine Vielzahl von unterschiedlichen Arbeitsplattformen (Autonomen, Initiativen, Föderationen, Netzwerke) gleichzeitig nutzt sowie an einer breiten Palette von Aktionen (z.B. in Arbeitskämpfen, Öko- und Anti-Kriegs-Aktivitäten, Jugend-, Frauen- und Homosexuellen- und Transgenderbewegung) teilnimmt. Von Anfang an hat sich die Karakök keinen Tendenzen einer Propaganda ihres Namens, oder noch schlimmer: einer Medienwerbung für ihre Autonome zugewandt. An vielen Aktivitäten nahm die Karakök teil, ohne ihre Signatur darunterzusetzen. Als letztes Jahr in Taksim (Stadtteil in Istanbul) Karakök-AktivistInnen mit schwarzen Flaggen auf die Strassen gingen und die Medien ihr Auftreten als „Die Jugend trauert mit schwarzen Flaggen um die Vergangenheit“ deuteten, hat kein einziger Aktivist das Bedürfnis verspürt, aufzustehen und zu sagen „Moment Mal! Wir sind die Karakök und die schwarzen Flaggen sind ein Symbol des Anarchismus!“. Denn wir besitzen weder die Absicht, in Medien wie dem Fernsehen oder den Zeitungen zu erscheinen, noch legen wir irgendeinen Wert darauf. Grundlegend ist es für uns, wie wir im Leben und im Alltag dem Kapitalismus, Macht- und Hierarchieverhältnissen und jeglichen Farbtönen der Autorität entgegentreten und sie bekämpfen und mit welchen Alternativen wir die Utopie einer freien Welt erschaffen. Wenn man dies nicht erreichen kann, kann man medienwirksame Shows machen, soviel man möchte – was nützt es dann noch? Der Kapitalismus nährt sich selbst durch seine Medienkultur, deshalb sind die GenossInnen in der Karakök Autonome entschlossen, Selbstpräsentationen fernzubleiben.

Wir vertreten Kropotkins Ansicht, dass die anarchistische Ideologie eng verknüpft ist mit den „intellektuellen Bewegungen“ der Neuzeit und der Kontakt zu aktuellen intellektuellen Bewegungen uns nicht etwa „beschmutzt“. Während wir den Wunsch nach einer staatslosen, klassenlosen, unterschiedslosen und grenzenlosen Welt pflegen, können wir jede Art von Texten lesen und diskutieren, die uns den Weg nach einer freieren Welt ebnet und können uns, indem wir unsere eigene Quintessenz wahren, auch von anderen intellektuellen Kanälen nähren. Es lässt sich sagen, dass dieses Nichtvorhandensein von „Komplexen“ einer der Faktoren ist, welcher der Karakök eine Entwicklung sowie das Schlagen von libertären Wurzeln erleichtert. In den folgenden Jahren werden möglicherweise weiterhin keine Karakök-Transparente auf der Strasse und an Demos zu sehen sein. Weiterhin werden sich die AktivistInnen, welche die Karakök bilden, nicht in den Medien darstellen oder sich durch sie ein Sprachrohr verschaffen. Doch überall, wo eine Bewegung ist, wird sich auch die Karakök Autonome befinden und folgenden Satz von Buenaventura Durruti in die Welt heraustragen: „In unserem Herzen tragen wir eine neue Welt. Jetzt, in diesem Augenblick, wächst diese Welt!“