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Assis im Zug

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[gekürzt und verändert]


Ach ja! Der Urlaub ist zu Ende. Jupieh! Endlich zurück nach Berlin. Möglichst schnell zurück nach Berlin. Frankfurter Hauptbahnhof, Gleis 8, der ICE nach Berlin. Noch eine Stunde Zeit. Keksfrühstück am Kiosk. Kaffee. Ein alter Mann stellt sich zu uns. Aus Fulda kommt er. Ob uns das was ausmacht. Er will nicht stören. Er will sterben. Die Frau ist auch gestorben. Jetzt ist sie tot. Aber genießen kann er es nicht. Jetzt wird er sich umbringen. Ob uns das was ausmacht. Den Leuten in Fulda macht das nichts aus. Die freuen sich. Wenn es ihm schlecht geht, freuen die sich. Wenn er tot ist erst recht. Aufs Gleis wird er sich legen. Dazu ist er hergekommen aus Fulda. Das macht uns doch nichts aus? „Aber bitte nicht auf Gleis 8“, sagen wir, „der ICE nach Berlin.“


Im ICE nach Berlin liegt das Bundesbahnmagazin aus. Ich lese jeden Buchstaben. Zugfahrkarten sind teuer. Von dem Geld drucken sie ein Bundesbahnmagazin. In einem Interview sagt der Siemens-Manager, dass die Position eines Unternehmens an der Börse nichts über die Qualität des Managements aussagt und dass deshalb die Gehälter der Manager nach oben gehen müssen, wenn die Aktienkurse nach unten gehen und dass er das als Erstes durchgesetzt hat, als er Siemens übernahm.


Da lenkt mich ein Pärchen ab. Sie unterhalten sich auf der anderen Seite des Ganges. Ich kann sie hören. Ich kann sie auch sehen. Er ist groß und bullig, goldenes Brillengestell, ausufernde Stirnglatze. Testosteron wie Sand am Meer. Sie hat jede Menge innere Werte. Keine Ahnung, in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen. Vielleicht eine SM-Beziehung.


Er hat's schwer. Sein Besitz verliert an Wert. Zu viele Assis. Die ganze Nachbarschaft. Alle arbeitslos. Seit Generationen. Das mindert den Wiederverkaufswert seines Grundstückes. Der soziale Wohnungsbau bestiehlt in praktisch. Enteignet wird er, schleichend. Ein Skandal ist es und er möchte nicht, dass noch mehr Asoziale in sein Viertel ziehen. Warum machen sie es nicht wie bei der Bundesbahn? Dort gibt es eine 1. Klasse. Warum gibt es das nicht auch in Gemeinden, dass es Quartiere gibt, wo die Assis nicht rein dürfen?


Als ich das höre, freue ich mich. Denn ich wusste gar nicht, dass es so rum geht, mit der Enteignung. Da wo ich wohne, ist es ja auch so, dass die Leute das Preisniveau versauen. Aber nicht nach unten, sondern nach oben und es sind auch keine Sozialhilfeempfänger, sondern Besserverdienende und ich möchte ja auch nicht, dass noch mehr young urban professionals in meinen Stadtbezirk ziehen. Ich weiß, wovon der Mann redet.


Die Frau sagt, dass sie auch keine Assis bei sich in der Gegend haben will und dass sie das aber irgendwie unsozial findet und der Mann sagt, dass er nicht mehr sozial ist, denn er hat schon fünfzigtausend Euro Steuern gezahlt. Ich versuche mir vorzustellen, wie viel Geld übrig bleibt, nachdem man fünfzigtausend an Steuern gezahlt hat. Es ist so viel, dass man es unmöglich mit ehrlicher Arbeit verdienen kann. Der Mann ist vielleicht Lottogewinner oder Zuhälter oder Bankier oder ein Manager, dessen Gehalt steigt, wenn die Aktienkurse seines Unternehmens fallen. Und ich freue mich, dass es so was noch gibt und ich bin optimistisch, denn ich habe ja auch kein Interesse an ehrlicher Arbeit.


Reisen bildet und bereichert. Jetzt bin ich doch froh mal in Frankfurt gewesen zu sein. Und freue mich noch mehr auf Berlin. Mal sehen, falls mittlerweile zu viele Yuppies in meinem Stadtteil wohnen, drehe ich vielleicht den Spieß einfach um, ziehe in irgendein Villenviertel und mindere dort die Grundstückspreise.



[Dieser Text hat seinen Ursprung hier: Spider - Im Arbeitslosenpark]