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Marxsche Amivalenzen beim Arbeitsbegriff
Marx' Haltung zur Arbeit war durchaus ambivalent, wenngleich zugegeben werden muss, dass er (vor allem im "Kapital") selbst zur Ontologisierung neigte, indem er jene als überhistorische Bedingung charakterisierte. >>Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber<< (Marx 1867, S. 192). Der Arbeitsprozess gilt ihm demnach als >>allgemeine Bedingung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam<< (ebenda, S. 198).
Den vieldeutigen Aspekten seiner Metakategorie "Arbeit" versuchte Marx dahingehend gerecht zu werden, dass er der Kategorie ziemlich oft Attribute beigibt, hervorgehoben sei die Differenzierung in konkrete und abstrakte Arbeit. Engels geht in einer Fußnote zur 4. Ausgabe des "Kapital" sogar so weit zu betonen, dass die englische Sprache den Vorzug hätte, zwischen work und labour zu unterscheiden (ebenda, S. 61-63). Zum Problem der Kategorienbildung schreibt Marx in den "Grundrissen": >>Dies Beispiel der Arbeit zeigt schlagend, wie selbst die abstraktesten Kategorien trotz ihrer Gültigkeit - eben wegen ihrer Abstraktion - für alle Epochen doch in der Bestimmtheit dieser Abstraktion selbst ebensosehr das Produkt historischer Verhältnisse sind und ihre Vollgültigkeit nur für und innerhalb dieser Verhältnisse besitzen<< (Marx 1857/58, S. 39).
Es gibt aber auch bemerkenswerte Stellen, die jedes ontologische Verständnis ausschließen. >>Es ist eins der größten Missverständnisse, von freier, gesellschaftlicher menschlicher Arbeit, von Arbeit ohne Privateigentum zu sprechen. Die "Arbeit" ist ihrem Wesen nach die unfreie, unmenschliche, ungesellschaftliche, von Privateigentum bedingte und das Privateigentum schaffende Tätigkeit. Die Aufhebung des Privateigentums wird also erst zu einer Wirklichkeit, wenn sie als Aufhebung der Arbeit gefasst wird<< (Marx: Über Friedrich List, S. 24). Und auch in der viel zitierten "Deutschen Ideologie" schreiben Marx und Engels, dass die Proletarier, >>um persönlich zur Geltung zu kommen, ihre eigne bisherige Existenzbedingung, die zugleich die der ganzen bisherigen Gesellschaft ist, die Arbeit, aufheben<< (Marx/Engels 1845 S. 77), dass die >>kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt ...<< (ebenda, S. 69-70).
In der "Einleitung" von 1857 wies Marx sogar darauf hin, dass der scheinbar einfache Begriff Arbeit, der einen in jeder Gesellschaft anzutreffenden Sachverhalt auszudrücken scheint, erst in der kapitalistischen Ökonomie möglich und "praktisch wahr" wird: Erst dort haben sich die einzelnen Tätigkeiten von den Personen, von ihren sozialen Kontexten etc. gelöst; erst jetzt ist keine einzelne Tätigkeit mehr beherrschend, sondern jede Tätigkeit für das Kapital zum Mittel der Verwertung und für die Lohnarbeiter zum Mittel für ihren Lebensunterhalt geworden; erst jetzt lässt sich ganz allgemein von "Arbeit" sprechen (Marx 1857, MEW 42, S. 38 f.).]
Hier wird also ausdrücklich festgehalten: Jede Arbeit ist Tätigkeit, aber nicht jede Tätigkeit ist Arbeit!
Ich finde es schade, dass Marx im weiteren nicht statt des Begriffes "konkrete Arbeit" den Begriff 'Tätigkeit' und statt "abstrakter Arbeit" 'Arbeit' verwendet hat.
Literatur
- Marx, Karl (1857): Einleitung. In: MEW 42 (ebenfalls in MEW 13).
- Marx, Karl (1867): Das Kapital, Erster Band, MEW, Bd. 23, Berlin
- Marx, Karl/Engels, Friedrich (1845): Die deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, Berlin
- Marx, Karl (?): Ãœber Friedrich List, Berlin
- Marx, Karl (1857/58): Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW, Bd. 42, Berlin