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Ausnahmezustand über Wien am 30. Jänner 1884

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Nach dem Attentat von Anton Kammerer auf den Polizeikonzipisten Hlubek und jenem von Hermann Stellmacher auf den Detektiven Blöch in Wien, richtete die österreichische Regierung all ihre zur Verfügung stehenden Mittel gegen die Anführer der Radikalen Arbeiterpartei (RAP). Die Ausnahmeverordnung die ursprünglich zur Unterdrückung der Ultramontanen und Tschechen konzipiert wurde, erhielt neue Geltung. Am 30. Jänner 1884 wurde nun über Wien, Wiener Neustadt und Korneuburg eine Art Belagerungszustand verhängt, unter dem der Polizei das Recht gegeben wurde, ohne Begründung Zeitungen zu verbieten, Personen die sich in einer dieser drei Städte aufhielten auszuweisen, Vereine und Versammlungen zu verbieten, Briefe zu öffnen u.v.a.m. Eine weitere Ministerialverordnung hob die Wirksamkeit von Geschworenengerichten in Strafsachen auf, denen die auf anarchistischen, auf gewaltsamen Umsturz der herrschenden Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Aktivitäten zu Grunde lagen.

Das Signal zu einer Massenverfolgung nach "berüchtigten" Revolutionären und Sozialisten hatte begonnen. Es folgten Verhaftungen auf Verhaftungen, und innerhalb weniger Tage waren die aktivsten Funktionäre der RAP, ungefähr 500 Leute, aus Wien, Wiener Neustadt und Korneuburg vertrieben. Die meisten dieser Leute waren Familienväter, die nun ihre Familien im Elend zurücklassen mussten, um zu versuchen in anderen Gegenden Arbeit zu finden. Polizei und Gendarmerie folgten diesen Ausgestoßenen nach und versuchten zu verhindern, dass diese Arbeit fanden und ließen sich auch andere Schikanen einfallen.

Viele emigrierten daraufhin in die Schweiz, Frankreich, England und die USA. Dies war aber noch nicht alles. Die Regierung unterdrückte "Die Zukunft" und die tschechische Arbeiterzeitung "Delnicke Listy", löste unliebsame Vereine auf und verfolgte jede noch so kleine sozialistische Regung.

Folgen

"Nur durch die Verhängung des Ausnahmezustands vom 30. Jänner 1884 konnte der ständig wachsende Einfluss der RAP auf die gesamte österreichische Arbeiterbewegung gebrochen werden. Er ermöglichte die Zerschlagung ihrer Organisationen, die Verhaftung und Ausweisung ihrer einflussreichsten Funktionäre. Dadurch konnten die Gemäßigten, [die zu dieser Zeit vergleichsweise bedeutungslos waren], an Einfluss gewinnen und sich auf dem Einigungsparteitag von Hainfeld, dem Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie durchsetzen." (Anna Staudacher, Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Die andere Arbeiterbewegung vor Hainfeld (=Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd.39), Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1988, Klappentext Rückseite.

Literatur

August Krcal, Geschichte der Arbeiter-Bewegung Österreichs 1867-1894.Eine kritische Darlegung. Nachdruch der Erstausgabe von 1894,Verlag Monte Verita, Wien 1985.

Anna Staudacher, Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Die andere Arbeiterbewegung vor Hainfeld (=Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, Bd.39), Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1988.

Gerhard Botz/ Gerfried Brandstetter/ Michael Pollak, Im Schatten der Arbeiterbewegung. Zur Geschichte des Anarchismus in Österreich und Deutschland (=Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. 6), hrsg. v. Karl R. Stadler, Europaverlag, Wien 1977.