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Staats-Kritik 1
Der Staat schützt Eigentum – große und kleine Reichtümer. Er hält somit den Zwang aufrecht, Arbeitskraft verkaufen zu müssen, wenn nur kleiner Besitz = > Zwang zur Lohnarbeit
Sozialpolitik um Zwang zur Lohnarbeit aufrecht zu halten. Arbeitslosengeld gibt es nur, wenn Bereitschaft zur Lohnarbeit aufrecht erhalten wird.
Wohlstand = Abfall bei Profit Profit funktioniert auch ohne diesen Abfall
Regierung ist von Steuereinnahmen abhängig,  muss für Prosperität sorgen  fördert somit zwangsläufig Profit etc. strukturell – egal welche Partei Regierung stellt
Das Interesse des Gesamtkapitals geht auch über Leichen von Einzelkapitalen.
Schröder: "Wir wollen nicht Alles anders machen, aber Alles besser." = egal ob Kohl, Schröder oder Stoiber
Abwechseln des Personals erhält die Demokratie aufrecht.
In der DDR wurde dieses Abwechseln zwischen Regierung und Opposition nicht zugelassen ï‚® auch deshalb kam es zum Bruch.
Nationalismus
"Nation" fit machen für den Wettbewerb (gegen die "anderen" "Nationen") "Unternehmen Deutschland"
Der 8-Stunden-Tag wurde nur eingeführt, weil nur so die Arbeitskraft aufrecht erhalten bleibt.
Der Staat kann nicht unabhängig von den ökonomischen Verhältnissen betrachtet werden. Staat und Recht sind immer vor dem Hintergrund der ökonomischen Verhältnisse zu sehen.
Contents
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Der Staat des Kapitals
Hier soll an einigen grundsätzlichen Punkten deutlich gemacht werden, dass es vor dem Hintergrund der Kritik der politischen Ökonomie nicht allein um eine zur bürgerlichen Theorie des Staates alternative Theorie geht, sondern vor allem um eine Kritik der Politik. Damit ist nicht eine Kritik bestimmter Politiken gemeint, sondern eine Kritik von Staat und Politik als sozialen Formen, d.h. als einer bestimmten Weise, den gesellschaftlichen Zusammenhang zu vermitteln.
Der Staat – ein Instrument der herrschenden Klasse?
Meist wird der Staat zunächst als eine der Gesellschaft gegenüberstehende Macht begriffen. Dies deckt sich mit dem allgemeinen, umgangssprachlichen Verständnis des Staates als einer Institution, die in einer bestimmten Gesellschaft über das Monopol legitimer Gewaltausübung (kurz: Gewaltmonopol) verfügt; von Notwehr abgesehen, darf niemand außer den dazu bestimmten staatlichen Organen wie Polizei oder Militär Gewalt ausüben.
Oft wird diese Institution zugleich ein Instrument der herrschenden Klasse begriffen – und zwar auch in einer demokratischen Republik mit allgemeinem Wahlrecht.
Die Auffassung, dass der Staat in erster Linie ein Instrument in der Hand der ökonomisch herrschenden Klasse sei, dominierte. Auch radikal-demokratische bürgerliche Kritiker hielten zumindest den bestehenden Staat für ein Instrument unmittelbarer Klassenherrschaft. Ihrem eigenen Anspruch nach, sind die modernen Staaten allerdings neutral gegenüber den Klassen: Es gilt die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und die Verpflichtung des Staates auf das Gemeinwohl. Wer den Staat vor allem als Instrument der Klassenherrschaft auffasst, versucht daher nachzuweisen, dass das tatsächliche Handeln der Regierung und die Funktionsweise der staatlichen Organe diesem Neutralitätsanspruch zuwiderlaufen.
Eine solche Auffassung besitzt eine gewisse empirische Plausibilität: Es lassen sich immer Beispiele von Gesetzen finden, die vor allem die Wohlhabenden begünstigen, oder von legalen (oder auch illegalen) Formen der Einflussnahme kapitalistischer Lobbygruppen auf Gesetzgebung und das politische Handeln der Regierung. Dass einzelne Kapitalfraktionen versuchen, den Staat als Instrument zu benutzen, und damit zuweilen auch Erfolg haben, ist unbestritten. Die Frage ist nur, ob mit diesem Sachverhalt bereits die wesentliche Charakterisierung des modernen, bürgerlichen Staates erfasst ist.
Unter den staatlichen Maßnahmen gibt es meistens auch solche, die den ärmeren Bevölkerungsschichten zugute kommen. Von den Vertretern der instrumentellen Staatsauffassung werden solche Maßnahmen als bloße Zugeständnisse interpretiert, als Methode, um die Unterdrückten und Ausgebeuteten ruhig zu stellen.
Staatskritik wird von den Vertretern dieser Auffassung vor allem als Entlarvung verstanden: Die Neutralität des Staates soll als eine nur scheinbare nachgewiesen werden. Die Staatskritik bezieht sich dann vor allem auf die jeweilige Verwendung des Staates, aber nicht auf Staat und Politik als soziale Formen.
In der politischen Praxis führt die instrumentelle Staatsauffassung meistens zur Forderung nach einem anderen Gebrauch des Staates: Der Gemeinwohlanspruch soll endlich ernst genommen und die Interessen der unteren Klassen besser berücksichtigt werden. Wann dies erreicht werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. â€Revolutionäre†Strömungen betonen, dass eine staatliche Politik, die im â€wirklichen†Interesse der Mehrheit liege, erst nach einer Revolution möglich sei. Unklar bleibt aber meistens, wie die revolutionäre Politik in nicht-revolutionären Situationen aussehen soll. â€Reformkritische†Strömungen glauben dagegen, dass auch unter kapitalistischen Verhältnissen eine andere Politik, ein Klassenkompromiss, möglich sei. Dementsprechend wird von der Beteiligung linker Parteien an der Regierung eine â€bessere†Politik erwartet. Die häufig folgenden Enttäuschungen werden von dem einen Teil dieser Reformisten dann als leider notwendige Kosten der Kompromisse gerechtfertigt, der etwas radikalere Teil der Reformisten kritisiert die enttäuschende Politik und führt sie auf Anpassung oder â€Verrat†der führenden Köpfe der linken Parteien zurück. Nicht selten wird dann die nächste Partei gegründet, die es â€wirklich†anders machen soll. Dass es für die kritische Anpassung vielleicht auch strukturelle Gründe geben könnte, wird dabei ausgeblendet (siehe dazu den Schlussteil des folgenden Kapitels).
Formbestimmungen des bürgerlichen Staates: Rechtsstaat, Sozialstaat, Demokratie
Mit der â€instrumentellen†Staatsauffassung ist ein grundsätzliches Problem verbunden: Sie unterschlägt die qualitative Differenz von vorbürgerlichen und bürgerlichen Gesellschaftsverhältnissen und betont allein die Spaltung der Gesellschaft in unterschiedliche Klassen. Worauf es aber für eine Analyse des Staates ankommt, ist die spezifische Form, in der sich diese Klassen aufeinander beziehen und ihr Klassenverhältnis reproduzieren.
[Diesen Punkt betont Marx im â€Kapitalâ€: â€Die spezifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit aus den unmittelbaren Produzenten ausgepumpt wird, bestimmt das Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis, wie es unmittelbar aus der Produktion selbst hervorwächst und seinerseits bestimmend auf sie zurückwirkt. Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervorwachsenden Gemeinwesens und damit zugleich seine politische Gestalt.†(MEW 25, S. 799)]
In vorbürgerlichen Gesellschaften waren ökonomische und politische Herrschaft noch nicht getrennt: Dort war das Herrschaftsverhältnis der Sklavenbesitzer oder feudalen Grundherren ein persönliches Herrschaftsverhältnis über â€ihre†Sklaven bzw. leibeigenen Bauern, das (aus heutiger Sicht) gleichzeitig ein politisches Machtverhältnis und ein ökonomisches Ausbeutungsverhältnis darstellte.
In bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften fallen ökonomische Ausbeutung und politische Herrschaft auseinander. Der Eigentümer des Bodens oder der Produktionsmittel hat nicht auch noch eine mit diesem Eigentum verbundene richterliche, polizeiliche oder militärische Funktion, die ihm politische Herrschaft verleiht. Ökonomische Herrschaft hat daher auch keinen persönlichen Charakter mehr, der einzelne Lohnarbeiter ist nicht von einem bestimmten Kapitalisten persönlich abhängig. Auf dem Markt treten sich die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als rechtlich â€gleiche†und â€freie†Privateigentümer gegenüber, auch wenn die einen nur ihre Arbeitskraft und die anderen die Produktionsmittel besitzen. Sarkastisch bemerkte Marx dazu im â€Kapitalâ€:
â€Die Sphäre der Zirkulation oder des Warenaustausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der Tat ein wahres Eden der angeborenen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum (...). Freiheit! Denn der Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. Sie kontrahieren als freie, rechtlich ebenbürtige Personen. Der Kontrakt ist das Endresultat, worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechtsausdruck geben. Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander und tauschen Äquivalent für Äquivalent. Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das seine.†(MEW 23, S. 189 f.)
Das ökonomische Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnis wird durch Übereinkunft zwischen freien und gleichen Vertragspartnern konstituiert und kann jederzeit wieder aufgelöst werden. Dass die Ausgebeuteten ihrer Ausbeutung zustimmen, liegt daran, dass sie in einer Gesellschaft von Privateigentümern gar keine andere Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Der Lohnarbeiter ist zwar nicht von einem bestimmten Kapitalisten persönlich abhängig, muss seine Arbeitskraft aber an irgendeinen Kapitalisten verkaufen, um zu überleben.
Das aus der Produktion hervorwachsende Herrschaftsverhältnis zwischen den Klassen ist in der bürgerlichen Gesellschaft also ein ganz anderes, als in allen vorbürgerlichen Gesellschaften. Daher weist auch die politische Gestalt der bürgerlichen Gesellschaft, der bürgerliche Staat, ganz eigene Charakteristika auf.
In vorbürgerlichen Gesellschaften begegneten sich die Menschen von vornherein als rechtlich Ungleiche. Rechte und Pflichten waren durch ihren jeweiligen Stand bzw. sozialen Status definiert; ökonomische und politische Herrschaftsverhältnisse waren unmittelbar miteinander verschränkt. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist die unmittelbare politische Gewalt zur Aufrechterhaltung der ökonomischen Ausbeutung nicht notwendig: Es genügt, wenn der Staat als eine jenseits der Gesellschaft stehenden Gewalt gewährleistet, dass sich die Mitglieder der Gesellschaft als Privateigentümer verhalten. Allerdings muss es eine eigenständige, unabhängige Gewalt sein, denn sie soll ja alle zwingen, die anderen als Privateigentümer anzuerkennen.
Als Rechtsstaat behandelt der bürgerliche Staat seine Bürger als freie und gleiche Privateigentümer: Alle Staatsbürger sind denselben Gesetzen unterworfen und haben dieselben Rechte und Pflichten. [Fußnote: In Anlehnung an die bekannte Marxsche Formulierung könnte man davon sprechen, dass diese und die folgenden Aussagen nur für den bürgerlichen Staat â€in seinem idealen Durchschnitt†gelten. Genauso wenig wie die Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise â€in ihrem idealen Durchschnitt†bereits eine vollständige Analyse der kapitalistischen Gesellschaft liefert, ist dies beim Staat der Fall. So war die Durchsetzung der vollen rechtlichen und politischen Gleichheit der Bürger (und vor allem der Bürgerinnen) ein Prozess, der in vielen Staaten bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dauerte und zum Teil noch andauert. Darüber hinaus leben heute aufgrund weltweiter Migrationsprozesse in den meisten Staaten nicht nur rechtlich gleiche Staatsbürger, sondern auch eine wachsende Zahl von Bürgern anderer Staaten, die erheblich geringere oder, wie bei illegal Eingewanderten, fast überhaupt keine Rechte genießen.] Der Staat schützt das Privateigentum eines jeden Bürgers, unabhängig vom Ansehen der Person. Dieser Schutz besteht vor allem darin, dass die Bürger verpflichtet werden, sich wechselseitig als Privateigentümer anzuerkennen: Aneignung fremden Eigentums ist nur bei beidseitiger Ãœbereinkunft erlaubt; fremdes Eigentum erhält man in der Regel nur durch Schenkung, Erbschaft, Tausch oder Kauf.
Der Staat verhält sich den einzelnen Bürgern gegenüber tatsächlich als eine neutrale Instanz; diese Neutralität ist keineswegs nur Schein. Gerade vermittels dieser Neutralität sichert der Staat vielmehr die Grundlagen der kapitalistischen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Der Schutz des Eigentums impliziert, dass diejenigen, die außer ihrer Arbeitskraft kein (relevantes) Eigentum besitzen, ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Um sich ihren Lebensunterhalt aneignen zu können, müssen sie sich dem Kapital unterwerfen. Damit wird der kapitalistische Produktionsprozess möglich und dieser reproduziert dann wieder die ihm vorausgesetzten Klassenverhältnisse. Der einzelne Arbeiter kommt aus dem Produktionsprozess so heraus, wie er in ihn einging. Sein Lohn reicht im Wesentlichen zur (eigenen bzw. familiären) Reproduktion. Um sich erneut zu reproduzieren, muss er erneut seine Arbeitskraft verkaufen. Auch der Kapitalist kommt wieder als Kapitalist aus dem Prozess heraus: Sein vorgeschossenes Kapital fließt mitsamt einem Profit zu ihm zurück, so dass er es sogar vergrößert vorschießen kann. Der kapitalistische Produktionsprozess produziert demnach nicht nur Waren, er reproduziert auch das Kapitalverhältnis selbst.
Es ist allerdings ein spätes historisches Resultat, dass die Reproduktion des Kapitalverhältnisses, zumindest in den entwickelten kapitalistischen Ländern, weitgehend ohne unmittelbaren staatlichen Zwang vor sich geht (mittelbar, als Drohung, ist die Staatsgewalt jedoch stets präsent). Während der â€ursprünglichen Akkumulationâ€, als der â€doppelt freie Arbeiter†erst noch â€produziert†werden musste, war dies ganz anders. Der Staat musste dauerhaft und direkt eingreifen, um die kapitalistische Produktion möglich zu machen und zu fördern: zunächst, indem er die Grundherren dabei unterstützte, die Bauern von dem Land zu vertreiben, das sie die ganze Zeit bewirtschaftet hatten (Schafzucht war für die Grundherren einträglicher); und dann, um die entwurzelten und vagabundierenden Menschen in die kapitalistischen Fabriken mit ihrer strengen Disziplin zu zwingen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die verschiedenen Regierungen einem Generalplan zur Einführung des Kapitalismus gefolgt seien, hatten ihre Maßnahmen doch ganz unterschiedliche Gründe. Allerdings konnte sich der moderne Kapitalismus erst als Resultat dieser Gewaltmaßnahmen etablieren. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich eine Arbeiterklasse entwickelte, â€die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkenntâ€. [Fußnote: Dieser von Marx nur kurz erwähnte Sachverhalt ist eines der zentralen Themen von Foucault (1976). In diesem Zusammenhang kritisierte Michel Foucault den traditionellen Begriff von Macht, der diese auf ein Vermögen reduziere, das sich die eine oder die andere Seite (Klasse) einfach aneignen könne. Dem stellte er eine â€Mikrophysik der Macht†entgegen, welche jeden Einzelnen in seinen verinnerlichten Einstellungen und Verhaltensweisen durchziehe.] Erst dann genügt für die â€Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter†der â€stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisseâ€, so dass die staatliche Zwangsgewalt nur noch in Ausnahmefällen nötig ist (MEW 23, S. 765). Unter entwickelten kapitalistischen Verhältnissen wird die Aufrechterhaltung der Klassenverhältnisse gerade dadurch gesichert, dass der Staat als Rechtsstaat seine Bürger unabhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit als freie und gleiche Privateigentümer behandelt, ihr Eigentum und ihren Verkehr als Eigentümer schützt.
[Fußnote: Da sich die Kapitalverwertung immer neue Bereiche erobert, müssen Privateigentumsverhältnisse unter den veränderten Bedingungen auch immer wieder aufs Neue etabliert werden, aktuell etwa im Internet (vgl. Sabine Nuss (2002): â€Download ist Diebstahl? Eigentum in einer digitalen Weltâ€. In: PROKLA 126, S. 11-35.).]
Der bürgerliche Staat ist allerdings nicht nur Rechtsstaat, der lediglich einen formalen Rahmen setzt und die Einhaltung dieses Rahmens durch sein Gewaltmonopol sichert. Er gewährleistet auch die allgemeinen materiellen Bedingungen der Kapitalakkumulation, sofern diese Bedingungen von den Einzelkapitalen nicht in kapitalistischer Weise hergestellt werden können, da sie keine ausreichenden Profite abwerfen. Zu diesen Bedingungen, die historisch wechseln bzw. in verschiedenen Perioden eine unterschiedliche Bedeutung haben, gehört unter anderem die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur (vor allem von Verkehrs- und Kommunikationsnetzen), von Forschungs- und Ausbildungskapazitäten sowie eines wertstabilen Geldes durch die Zentralbank. [Fußnote: Die Existenz des Geldes beruht nicht auf staatlichen Akten, es ist vielmehr die Ware, die Geld notwendig macht. Allerdings ist es unter normalen kapitalistischen Bedingungen der Staat der den Wert der jeweils konkreten Gestalt des Geldes durch seine Institutionen (in einem entwickelten Kapitalismus die Zentralbank) garantiert.] Der Staat agiert dabei, wie Engels es nannte, als â€ideeller Gesamtkapitalist†(MEW 20, S. 260), der mit seiner Politik das kapitalistische Gesamtinteresse an einer möglichst profitablen Akkumulation verfolgt. Dieses Gesamtinteresse ist nicht immer identisch mit den besonderen Interessen einzelner Kapitalfraktionen oder gar einzelner Kapitalisten, weshalb staatliche Handlungen durchaus diesen besonderen Interessen entgegenstehen können – gerade deshalb bedarf es einer eigenen, von den besonderen Kapitalien unabhängigen Instanz. Zwar gibt es immer wieder Beispiele dafür, dass Regierungen einzelne Kapitale direkt begünstigen, doch zeigt sich darin kein für den bürgerlichen Staat wesentliches, mit ihm notwendigerweise verbundenes Moment. Daher wird ein solches begünstigendes Verhalten gerade in bürgerlichen Kreisen, die Staat und Kapital keineswegs kritisch gegenüberstehen, als â€Skandal†angeprangert.
Die wesentliche Voraussetzung kapitalistischer Akkumulation ist die Existenz von Lohnarbeitern und Lohnarbeiterinnen. Deren Reproduktion wird durch den Lohn, den das Kapital zahlt, ermöglicht. Für das einzelne Kapital stellt der Lohn (genauso wie Maßnahmen zum Arbeits- und Unfallschutz etc.) lediglich einen Kostenfaktor dar, der minimiert werden muss, um unter dem Druck der Konkurrenz einen möglichst hohen Gewinn zu erreichen. Trifft das Kapital dabei auf keine Gegenwehr in Gestalt von starken Gewerkschaften oder ähnlichen Zusammenschlüssen, dann werden überlange Arbeitszeiten, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne durchgesetzt, die dazu führen, dass sich die Arbeitskräfte auf Dauer nicht mehr reproduzieren können: Dem Kapital mit seinem (von der Konkurrenz erzwungenen) Trieb zu immer größerer Verwertung ist somit eine Tendenz zur Zerstörung der Arbeitskraft immanent. Der einzelne Kapitalist mag dies zwar erkennen und auch bedauern, viel ändern kann er daran aber nicht, wenn er nicht bankrott gehen will. Damit das Kapital nicht das Objekt seiner Ausbeutung zerstört, muss dieses Objekt durch ein staatliches Zwangsgesetz geschützt werden. Ein gesetzlicher Normalarbeitstag, Bestimmungen zum Unfall- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie gesetzliche Mindestlöhne (bzw. eine minimale staatliche Unterstützung wie die Sozialhilfe in der BRD, die als Lohnuntergrenze wirkt) – häufig erst durch Kämpfe der Arbeiter und Arbeiterinnen durchgesetzt – schränken zwar die Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals ein, sichern sie aber auf Dauer.
Der Staat verhindert nicht nur die Zerstörung der Arbeitskraft, er gewährleistet als Sozialstaat auch ihre Reproduktion, soweit dies durch die zwischen Arbeiter und Kapitalist ausgehandelte Lohnzahlung allein nicht möglich ist. Durch die verschiedenen Sozialversicherungen sichert der Staat die Arbeitskraft gegenüber den grundlegenden Risiken, denen sie in einer kapitalistischen Ökonomie ausgesetzt ist: Die dauerhafte Unmöglichkeit des weiteren Verkaufs der Arbeitskraft aufgrund von Unfällen oder Alter (Unfall- bzw. Rentenversicherung); die vorübergehende Unmöglichkeit des Verkaufs der Arbeitskraft aufgrund von Krankheit oder Arbeitslosigkeit (Kranken- bzw. Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe).
Die Mittel für die sozialstaatlichen Leistungen stammen aus dem Akkumulationsprozess, egal ob sie über Sozialversicherungsbeiträge oder über Steuern finanziert werden. Ein Teil des gesellschaftlichen Wertprodukts wird dazu verwendet, so dass sich die Mehrwertmasse verringert. Für die einzelnen Kapitalisten bedeutet dieser Abzug genauso eine Einschränkung wie die oben erwähnten Schutzbestimmungen. Insofern verletzt der Staat als Sozialstaat das unmittelbare Interesse jedes Kapitals nach maximaler Verwertung und stößt auf entsprechenden Widerstand. Daher sind sozialstaatliche Leistungen in vielen Fällen erst als Resultat von Kämpfen der Arbeiterbewegung zustande gekommen. Der Sozialstaat wird deshalb als eine â€Errungenschaft†der Arbeiterbewegung, ein Zugeständnis an die Arbeiterklasse (um sie ruhig zu halten) aufgefasst. In der Tat ist das Leben der Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen mit sozialstaatlichen Sicherungen in der Regel erheblich einfacher und sicherer als ohne sie. Allerdings handelt es sich dabei keineswegs um einseitige Leistungen für die Arbeitskräfte, die – wie zuweilen behauptet wird – bereits der ersten Schritt zur Ãœberwindung des Kapitalismus darstellen würden. Vielmehr handelt es sich um eine mit dem Kapitalismus konforme Sicherung der Existenz der Lohnarbeiter. Einerseits ist es im Interesse des Kapitals, dass diejenigen Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Arbeitskraft aufgrund von Krankheit, Unfall oder mangels Nachfrage vorübergehend nicht zu verwerten ist, dem Kapital trotzdem in einem â€ordentlichen†Zustand erhalten bleiben. Andererseits sind die sozialstaatlichen Leistungen in der Regel an den Verkauf der Arbeitskraft (bzw. die Bereitschaft dazu) gebunden: Leistungen wie das Arbeitslosengeld oder die Altersrente hängen vom vorherigen Lohn ab – ein Zusammenhang, der allein schon auf viele Arbeiter und Arbeiterinnen disziplinierend wirkt; bei arbeitsfähigen Personen ist die Zahlung von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe außerdem daran gebunden, dass sie sich aktiv um den Verkauf ihrer Arbeitskraft bemühen. Ist dies nicht der Fall, wird die Kürzung oder gänzliche Verweigerung der Zahlungen von den staatlichen Behörden als Mittel der Disziplinierung eingesetzt. Die Leistungen des Sozialstaates entbinden also keineswegs vom Zwang zum Verkauf der Arbeitskraft.
Eine entscheidende Schwäche der Auffassung, der bürgerliche Staat sei lediglich ein Instrument in der Hand der Kapitalistenklasse, besteht darin, dass sowohl eine einheitliche und politisch handlungsfähige â€herrschende†Klasse vorausgesetzt wird als auch ein klar definiertes Klasseninteresse, dem nur noch das Instrument der Umsetzung fehlt. Weder das eine noch das andere ist selbstverständlich. Die â€Ã¶konomisch herrschende Klasse†besteht im Kapitalismus aus konkurrierenden Kapitalisten mit ganz unterschiedlichen, teilweise gegenläufigen Interessen. Zwar gibt es ein gemeinsames Interesse an der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise. Wenn diese aber nicht gerade durch revolutionäre Bewegungen gefährdet ist, dann ist dieses Interesse viel zu allgemein, um eine Richtschnur für das â€normale†Staatshandeln abzugeben. Die Interessen, die das Staatshandeln bestimmen, sind nicht einfach da und warten auf ihre Umsetzung, wie bei der instrumentellen Auffassung unterstellt wird, sie müssen überhaupt erst konstituiert werden.
Alle staatlichen Maßnahmen sind umstritten, egal, ob es um die konkrete Ausgestaltung des Rechtssystems, um die Sicherung der materiellen Bedingungen der Akkumulation oder um Art und Umfang sozialstaatlicher Leistungen geht. Jede Maßnahme bringt in der Regel für einige Kapitale (manchmal sogar für alle) Nachteile mit sich, für andere Vorteile (oder weniger Nachteile als für den Rest). Langfristig erwarteten – aber unsicheren – Vorteilen stehen unmittelbare Nachteile gegenüber. Worin das kapitalistische Gesamtinteresse besteht, auf welche Herausforderungen der Staat reagieren sollte und in welcher Art und Weise – alles das muss immer wieder neu herausgefunden werden. Die staatliche Politik setzt eine beständige Ermittlung dieses Gesamtinteresses und der Maßnahmen zu seiner Umsetzung voraus.
Nicht selten gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie das kapitalistische Gesamtinteresse verfolgt werden kann. Alternative Strategien sind möglich, so dass sich die staatliche Politik nicht auf die einfache Umsetzung von Notwendigkeiten der kapitalistischen Ökonomie reduzieren lässt. Der in marxistischen Zirkeln beliebte Verweis auf den ökonomischen Zweck einer staatlichen Maßnahme ist als Erklärung unzureichend. Die Machtverhältnisse zwischen einzelnen Kapitalfraktionen, geschickte Bündnisse, Einfluss innerhalb des Staatsapparates und in den Medien der Öffentlichkeit und ähnliche Faktoren sind für die Durchsetzung oder Verhinderung einzelner Maßnahmen oder auch ganzer Strategien von entscheidender Bedeutung, und zuweilen werden dadurch auch für das kapitalistische Gesamtinteresse schädliche Ergebnisse hervorgebracht. Lobbyarbeit, das Ringen um Einfluss etc. ist keine Regelverletzung, sondern genau die Art und Weise, in der die Suche nach Konsens normalerweise stattfindet.
Die staatliche Politik setzt aber nicht nur einen Konsens innerhalb der wichtigsten Kapitalfraktionen über das kapitalistische Gesamtinteresse voraus. Diese Politik muss auch gegenüber den unteren Klassen legitimiert werden; auch von ihnen ist ein bestimmtes Maß an Konsens notwendig. Nur dann ist gewährleistet, dass sie durch ihre soziale Praxis die Reproduktion der kapitalistischen Verhältnisse nicht stören (wobei solche Störungen nicht erst bei politisch motiviertem Widerstand beginnen) und insbesondere den von ihnen häufig verlangten Opfern zustimmen oder diese zumindest passiv hinnehmen. Zur Herstellung von Legitimation und zur Aufrechterhaltung der â€disziplinierten†Verhaltensweisen als Arbeiter und als Staatsbürger genügt es aber nicht, die Politik nur â€gut zu verkaufenâ€; die Interessen der unteren Klassen – ihre Interessen innerhalb des Kapitalismus, d.h. ihre Interessen an einer besseren Existenz als Lohnarbeiter – müssen zumindest soweit berücksichtigt werden, wie sie das kapitalistische Gesamtinteresse an einer gelingenden Akkumulation nicht â€zu sehr†beeinträchtigen. Auch dabei spielt es eine Rolle, wie stark und geschickt diese Interessen vertreten werden, welchen Einfluss ihre Repräsentanten in den Parteien, Staatsapparaten und Medien haben.
Die Auseinandersetzung über die verschiedenen politischen Maßnahmen und die unterschiedlichen Strategien, die Bildung von Konsens und Legitimation, die kapitalismuskonforme Integration von Interessen – all dies umfasst nicht nur die â€herrschendeâ€, sondern auch die â€beherrschten†Klassen. Sie erfolgt sowohl innerhalb wie außerhalb der staatlichen Institutionen: in den Medien der bürgerlichen Öffentlichkeit (Fernsehen, Presse) ebenso wie in den Institutionen demokratischer Willensbildung (den Parteien, Parlamenten, Ausschüssen). Zwar kann Politik mit den Machtmitteln des Staates auch diktatorisch gegen eine Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt werden. Eine länger andauernde Ausschaltung demokratischer Institutionen und die Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit bringt jedoch erhebliche materielle Kosten mit sich (umso geringer die Legitimation ist, umso umfassender muss der Repressionsapparat sein) und stört zudem erheblich die Ermittlung des kapitalistischen Gesamtinteresses. Militärdiktaturen und Ähnliches sind in entwickelten kapitalistischen Ländern eher die Ausnahme.
Ein wesentliches Verfahren zur Herstellung von Legitimation wie auch eines kapitalismuskonformen Konsenses sind allgemeine, geheime und freie Wahlen. Damit wird es der Bevölkerungsmehrheit möglich, missliebige Politiker oder Parteien abzuwählen und durch andere zu ersetzen. Die neue Regierung, egal ob sich ihre Politik von derjenigen der alten Regierung unterscheidet oder nicht, kann sich gegenüber Kritikern darauf berufen, dass sie â€gewählt†und somit von der Mehrheit der Bevölkerung auch â€gewollt†sei. Diese â€Legitimität durch Verfahren†steht in der politikwissenschaftlichen Behandlung der Demokratie im Vordergrund – bei weitgehender Ausblendung des kapitalistischen Kontextes. Dem Unmut der Bevölkerung über die Zumutungen der Politik wird durch die Möglichkeit von regelmäßigen Wahlen nicht nur ein frühzeitiges Ventil geboten, er wird auch kanalisiert, indem er sich gegen einzelne Politiker und Parteien richtet und nicht gegen das politische und ökonomische System, das hinter deren Politik steht. Dementsprechend gilt in der bürgerlichen Öffentlichkeit ein politisches System dann als demokratisch, wenn es die effektive Möglichkeit zur Abwahl der Regierung bietet.
Die in Teilen der Linken anzutreffende Idealisierung der Demokratie, welche die real existierenden demokratischen Institutionen am Ideal eines Staatsbürgers misst, der über möglichst viele Sachverhalte durch Abstimmungen selbst entscheiden sollte, sieht genauso vom sozialen und ökonomischen Kontext der Demokratie ab wie der oben erwähnte politikwissenschaftliche Mainstream. Neben den unterschiedlichen Varianten demokratischer Systeme (mit starkem Präsidenten, mit starkem Parlament etc.) gibt es keine â€wirkliche†Demokratie, die man endlich mal einführen müsste; unter kapitalistischen Verhältnissen sind die existierenden demokratischen Systeme bereits die â€wirkliche†Demokratie (wer die â€wirkliche†Demokratie in möglichst vielen und einfach einzuleitenden Volksabstimmungen erblickt, möge sich z.B. in der Schweiz umschauen, ob dies zu großen Veränderungen führt).
Staat und Öffentlichkeit stellen, wie oft hervorgehoben wird, einen Kampfplatz unterschiedlicher Interessen dar; in einem demokratischen System ist dies besonders deutlich zu sehen. Allerdings ist dieser Kampfplatz kein neutrales Spielfeld. Vielmehr wirkt sich dieses Spielfeld strukturierend auf die Auseinandersetzungen und die aus ihnen resultierende politische Praxis aus. Die staatliche Politik ist zwar keineswegs durch die ökonomische Situation vollständig determiniert, bei ihr handelt es sich aber auch nicht um einen offenen Prozess, bei dem alles möglich wäre. Einerseits spielen etwa Auseinandersetzungen innerhalb und zwischen den Klassen sowie die relative Stärke und Konfliktfähigkeit einzelner Gruppen etc. eine wichtige Rolle, so dass unterschiedliche Entwicklungen stets möglich sind. Andererseits muss die Politik aber immer auch dem kapitalistischen Gesamtinteresse an einer gelingenden Kapitalakkumulation Rechnung tragen. Parteien und Politiker mögen von ihrer Herkunft und ihren Werthaltungen her durchaus unterschiedlich sein; in ihrer Politik, insbesondere wenn sie an der Regierung sind, orientieren sie sich in der Regel an diesem Gesamtinteresse. Dies liegt nicht daran, dass sie von der Kapitalseite â€bestochen†oder sonst irgendwie abhängig wären (obwohl dies auch vorkommen kann), sondern an der Art und Weise, wie sich Parteien durchsetzen, und an den Arbeitsbedingungen der Regierung – Prozesse und Bedingungen, denen sich auch linke Parteien, die auf Regierungsbeteiligung abzielen, nicht entziehen können.
Um als Präsident gewählt zu werden oder als Partei eine Mehrheit zu erhalten, müssen unterschiedliche Interessen und Werthaltungen angesprochen werden. Um in den Medien ernst genommen zu werden (eine wesentliche Voraussetzung dafür, um überhaupt bekannt zu werden), müssen â€realistischeâ€, â€umsetzbare†Vorschläge gemacht werden. Bevor es einer Partei gelingt, auch nur in die Nähe der Regierungsbeteiligung zu kommen, durchläuft sie in der Regel einen langjährigen Erziehungsprozess, in welchem sie sich an die â€Notwendigkeitenâ€, d.h. an die Verfolgung des kapitalistischen Gesamtinteresses immer weiter anpasst, einfach um einen größeren Wahlerfolg zu haben. Ist eine Partei dann endlich an der Regierung, muss sie dafür Sorge tragen, dass sie die erreichte Zustimmung behält. Hier wird nun insbesondere wichtig, dass ihr â€politischer Gestaltungsspielraum†ganz entscheidend von ihren finanziellen Möglichkeiten abhängt: diese werden einerseits von der Höhe der Steuereinnahmen bestimmt und andererseits von der Höhe der Ausgaben, zu denen als größter Posten die sozialen Leistungen gehören. Bei einer erfolgreichen Kapitalakkumulation ist das Steueraufkommen hoch und die Sozialausgaben für Arbeitslose und Arme sind relativ gering. In Krisenphasen geht dagegen das Steueraufkommen zurück und gleichzeitig steigen die Sozialausgaben. Die materielle Grundlage des Staates ist somit unmittelbar mit der Kapitalakkumulation verknüpft; keine Regierung kommt an dieser Abhängigkeit vorbei. Zwar kann eine Regierung ihren finanziellen Spielraum mittels Verschuldung etwas erhöhen, doch wachsen damit auch die zukünftigen Finanzlasten. Zudem erhält ein Staat nur solange problemlos Kredit, wie die zukünftigen Steuereinnahmen, aus denen der Kredit zurückgezahlt werden soll, gesichert sind, was wiederum eine gelingende Kapitalakkumulation voraussetzt.
Die Förderung der Akkumulation ist aber nicht nur das selbstverständliche Ziel der Politiker, auch breiten Bevölkerungsschichten gilt es als Binsenweisheit, dass es â€unserer†Wirtschaft gut gehen muss, damit es auch â€uns†gut gehen kann. â€Opferâ€, die zunächst einmal nur den kapitalistischen Unternehmen zugute kommen, werden in Erwartung besserer Zeiten für alle mehr oder weniger bereitwillig getragen. Eingängig formulierte der frühere sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt in den 1970er Jahren: â€Die Profite von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen.†Kritik regt sich bei der Mehrheit der Bevölkerung normalerweise nicht an den Zumutungen der Politik und der Förderung des Profits, sondern daran, dass diese Förderung nicht die erhofften Resultate gebracht hat.
Hier zeigt sich die politische Relevanz des Fetischismus, der die spontane Wahrnehmung der Akteure der kapitalistischen Produktion strukturiert. In der trinitarischen Formel erschien die kapitalistische Produktionsweise als â€Naturform†des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Der Kapitalismus erscheint als ein alternativloses Unternehmen, in dem Kapital und Arbeit ihre â€natürlichen†Rollen einnehmen. Die Erfahrungen von Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung führen daher nicht zwangsläufig zur Kritik am Kapitalismus, sondern eher zur Kritik an Zuständen innerhalb des Kapitalismus: â€Ãœbertriebene†Ansprüche oder eine â€ungerechte†Verteilung werden kritisiert, aber nicht die kapitalistische Grundlage dieser Verteilung. Arbeit und Kapital erscheinen als die gleichermaßen notwendigen und daher auch gleichermaßen zu berücksichtigenden Träger der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums. Gerade vor dem Hintergrund der trinitarischen Formel wird verständlich, warum die Auffassung vom Staat als einem neutralen Dritten, der sich â€ums Ganze†kümmern soll und an den appelliert wird, er solle â€soziale Gerechtigkeit†herstellen, so plausibel und so weit verbreitet ist.
Dieses staatlich umhegte â€Ganze†von Kapital und Arbeit wird dann, in den einzelnen Ländern in unterschiedlichem Ausmaß, als Nation angerufen, als imaginierte Schicksalsgemeinschaft eines â€Volkesâ€, das über eine angeblich â€gemeinsame†Geschichte und Kultur konstruiert wird. Realisiert wird diese nationale Gemeinschaft in der Regel aber erst durch Abgrenzung gegen â€innere†und â€Ã¤ußere†Feinde. Der Staat erscheint als die politische Gestalt der Nation: Ihr â€Wohl†hat er sowohl durch seine Politik nach innen als auch durch die Vertretung der â€nationalen Interessen†nach außen zu verwirklichen. Und genau das macht der Staat auch, wenn er das kapitalistische Gesamtinteresse verfolgt, denn unter kapitalistischen Verhältnissen existiert kein anderes Gemeinwohl als dieses kapitalistische Gesamtinteresse.