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Am 7. April 1919 wurde in München die erste bayrische Räterepublik ausgerufen. Bis dahin waren einzelne Räterepubliken nur in einzelnen Städten ausgerufen worden: in Bremen am 10. Januar, in Cuxhaven am 11. Januar, in Mannheim am 22. Februar, in Braunschweig am 28. Februar und 9. April (alle 1919). Einige wie in Bremen dauerten einige Tage, andere wie in Mannheim mußten schon am nächsten Tag zurückgenommen werden. Aber überall zeigte sich eine Unzufriedenheit der RevolutionärInnen über die Situation im Deutschen Reich und der herrschenden SPD. In Bayern fand der einzige Versuch statt, einen Teilstaat des Deutschen Reiches in eine Räterepublik zu transformieren.
Contents
Vorgeschichte: Die Novemberrevolution in Bayern und die Ermordung Kurt Eisners
Eine entschlossene Gruppe führender Mitglieder der bayrischen „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (USPD) um Kurt Eisner gab am 7. November den Anstoß für die Novemberrevolution in Bayern. Die Monarchie wurde abgeschafft und die Republik wurde in Bayern ausgerufen. Am 8. November kam es zur Bildung eines all-sozialistischen Kabinetts durch ein Bündnis von Eisner (USPD) und Auer (MSPD - „M“ steht für „Mehrheits“, weiterhin im Artikel nur als SPD bezeichnet). Legitimiert wurde das Kabinett durch den „Provisorischen Nationalrat des Bayrischen Volksstaates“. Eisner wurde Ministerpräsident und Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Auer wurde Innenminister. Die Konflikte in diesem Bündnis waren vorprogrammiert, insbesondere wegen der Frage nach der legislativen (Verhältnis zum Provisorischen Nationalrat) und exekutiven (Verhältnis zur Staatsregierung und den unterstehenden Behörden) Rechte der Arbeiter-, Bauern und Soldatenräte (ABSR) und der Sozialisierung. Ein weiteres Problem war in Bayern - wie überall im Deutschen Reich -, dass die Führung der Sozialdemokratie sich nur widerwillig an der Novemberrevolution beteiligte.
Als von Eisner am 23. November 1918 ein Kriegsschuld-Dokument veröffentlicht wurde, wurde ihm nicht nur von der Reaktion, sondern auch von der SPD Verrat am „Vaterland“ vorgeworfen. Da Eisner eher für eine Räterepublik war und Auer für den Parlamentarismus, waren weitere Konflikte vorprogrammiert, vor allem weil auch die ABSR sofortige Sozialisierung und die Einführung der Räterepublik forderten. Am 2. Dezember kam es nach einer Krise im bayrischen Kabinett nach einer Rücktrittsdrohung Auers zu einem Kompromiß; Beibehaltung des Rätesystems und die Abhaltung von Landtagswahlen.
Erich Mühsam glaubte, nur durch die Einheit aller RevolutionärInnen, könne die Revolution im sozialistischen Sinne fortgeführt werden. Aus diesem Grund gründete er die „Vereinigung revolutionärer Internationalisten“ (VRI), sie sollte keine Partei sein, und alle RevolutionärInnen organisieren, seien es AnarchistInnen, SozialistInnen oder KommunistInnen. Die VRI war aber kein Erfolg und hatte nur wenige Mitglieder. Am 6. 12 eskalierte der Konflikt als hunderte bewaffnete Menschen des VRI und des „Revolutionären Arbeiterrates“ (RAR) zu den Redaktionen der „Münchner Neusten Nachrichten“, „Münchner Zeitung“, „München-Augsburger Abendzeitung“ und des „Bayrischen Kuriers“ zogen. Mühsam sozialisierte die Zeitungen. Eine kleinere Gruppe zog von den Redaktionen zum Haus des Innenministers Auer und zwang diesem mit Waffengewalt zum Rücktritt. Eisner stellte sich hinter Auer und überredete ihn zu einer Widerrufung seines von der „Straße“ erzwungen Rücktritts und machte die Sozialisierungen Mühsams rückgängig.
Die Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands entscheiden sich auf ihrem ersten Allgemeinen Kongress am 19. Dezember gegen die Übertragung aller Macht auf die Räte und für den Parlamentarismus. Doch diese Entscheidung wird nicht überall von den Räten mitgetragen, so kam es, wie schon oben erwähnt, zur Ausrufung lokaler Räterepublik und zur zunehmenden Radikalisierung der bayrischen Rätebewegung. Anfang Januar finden der Münchner KP-Führer Levien und Erich Mühsam ein Forum und können den Münchner Arbeiterrat auf die Forderung „Alle Macht den Räten“ festlegen. Da die bayrische Regierung, die ökonomische Frage nicht in den Griff bekommt, findet am 7. Januar 1919 ein Arbeitslosen-Straßenaufruhr in München statt, daraufhin beschließt das Kabinett die Verhaftung von Levien, Mühsam und weiteren acht Rätemitgliedern wegen des Verdachtes der Erregung öffentlicher Unruhen. Eine Demonstration revolutionäre ArbeiterInnen erzwingt am 10. Januar von Eisner die Freilassung der Verhafteten.
Die schon im Dezember von Eisner und Auer vereinbarten Landtagswahlen finden am 12. Januar statt. Die Voraussagen von Levien, Mühsam und Landauer, die immer gegen die Wahlen eingetreten sind, haben sich bestätigt. Die Wahlen brachten eine Mehrheit für bürgerliche und reaktionäre Kräfte. Die Wahlergebnisse im einzelnen: Bayrische Volkspartei (BVP) 35%, SPD 33%, Deutsche Demokratische Partei (DDP) 14%, Bayrischer Bauernbund (BBB) 9,1% usw. Der große Verlierer dieser Wahlen war Eisner, der mit seiner USPD 2,5% der Stimmen und damit auf 3 der 180 Sitze im bayrischen Landtag kam.
Am 7. Februar wird Levien erneut verhaftet. Ein Demonstrationszug zum Gefängnis Stadelheim erreicht am 11. Februar seine Freilassung. Noch am gleichen Tag beschließt der Münchner Arbeiterrat auf Antrag von Landauer die Abhaltung einer großen politischen Demonstration auf der Theresienwiese für die Beibehaltung des Rätesystems. Der bayrische ABSR tritt für das Fortbestehen des Rätesystems ein. Die bürgerlichen Kräfte und die Führung der Sozialdemokratie wollen dies auf keinen Fall. Am 21. Februar soll der neue Landtag seine erste Sitzung abhalten; auf den Weg dahin wird Eisner von den Grafen Arco-Valley ermordet. In den Tagen zuvor nahm die antisemitisch geprägte Hetze gegen Eisner zu. Während der ganzen Zeit seit der Novemberrevolution waren Eisner, Landauer u.a. der antisemitischen Hetze bürgerlicher und reaktionärer Kräfte ausgesetzt.
Durch das Attentat auf Eisner kommt die Bildung einer Landesregierung aus einer Koalition von SPD und DDP nicht zustande. Auch die Rätefrage bleibt dadurch offen. Noch am Tag der Ermordung wird ein neuer Zentralrat der bayrischen Räte unter dem Vorsitz von Ernst Niekisch gebildet. (Ernst Niekisch wurde später zu einem rechten Nationalrevolutionär, der lange mit Hitler um den Führungsanspruch buhlte. Während des Dritten Reiches gehörte Niekisch zum rechtsextremen und nationalistischen Widerstand gegen Hitler.) Am 25. Februar tritt der Kongress der bayrischen ABSRe zusammen. Aus dem Kongress heraus werden Levien, Landauer und Mühsam durch die Republikanische Schutztruppe verhaftet. Doch dies mußte noch am gleichen Tag zurückgenommen werden. Mühsam hatte auf dem Kongress einen Antrag zur Ausrufung der Räterepublik gestellt, dieser wurde mit 234 zu 70 Stimmen abgelehnt. Levien trat danach aus dem Zentralrat der bayrischen Räte zurück. Am 1. März wählte der Rätekongreß ein provisorisches Kabinett mit Vertretern aus SPD, USPD, DDP und BBB.
Im März gingen die Auseinandersetzungen um die Räterepublik weiter. Am 22. März wurde in Ungarn die Räterepublik durch Bela Kun ausgerufen. Anfang April gerät die provisorische Regierung unter starken Druck und in eine schwere Krise. Die BefürworterInnen einer Räterepublik sahen nun wieder ihre Chance. In Augsburg hatten schon zuvor die Räte sich für eine Ausrufung der Räterepublik ausgesprochen.
Am 5. April wurde dann die Ausrufung einer Räterepublik für den 7. April beschlossen. TeilnehmerInnen bei der Beschlußfassung waren Parteifunktionäre von SPD, USPD, KPD und BBB, gewählte Landtagsabgeordnete, AnarchistInnen, VertreterInnen von Armee, Zentralrat, Polizei und Revolutionärer Arbeiterrat. Die Zustimmung durch die SPD zur Proklamation versicherte der Minister für militärische Angelegenheiten im Kabinett Ernst Schneppenhorst. Am nächsten sprach sich die Sozialdemokratie aber gegen eine Räterepublik aus. Auch die Münchner KPD unter der Führung von Levien weigerte sich, sich an der „Scheinräterepublik“ verantwortlich zu beteiligen.
Levien stellt die Position der Münchner KP folgendermaßen dar: „Wir sind für die Diktatur des Proletariats. Das bedeutet die Konzentrierung der politischen Macht. (...) Unter diesen Umständen werden wir aber alles daran setzen, die Proklamierung einer Räterepublik, so wie sie geplant ist, zu verhindern“. Leviné, ebenfalls von der KPD, befürworte das Modell der russischen Räterepublik. Aber 1919 hatte in Rußland Lenin den freien Räte schon lange den Kampf angesagt. Die Räte waren für Lenin nur der verlängerte Arm der bolschewistischen Regierung. Ein Rätesystem mit freien Räten schwebte Lenin nicht vor. Der Münchner KPD ging es wohl um den Führungsanspruch innerhalb der Räterepublik.
„Der Sinn der Räte
ist vorläufig die kapitalistische Gesellschaftsmaschinerie in eine sozialistische zu überführen. Solange das nicht erreicht ist, muß jeder Nichtsozialist und jeder, der als kapitalistischer Unternehmer Lohnangestellte beschäftigt, von der Beteiligung an den Wahlen ausgeschlossen bleiben. Die Räte zu bestimmen und durch sie die öffentliche Gewalt auszuüben, ist ausschließlich das Recht der Ausgebeuteten. Das ist die Diktatur des Proletariats. Ist sein Ziel, die kommunistische Gesellschaftsreform, erreicht, so fällt die Diktatur von selbst dahin, da dann die Ausbeutung in keiner Form mehr besteht und also jeder Anlaß zu Entrechtung irgendwelcher Art behoben ist“ (Erich Mühsam zitiert nach: Seligmann 1989a, 209).
Die Räterepublik
Am 7. April wurde dann die Räterepublik ohne die Beteiligung von SPD und KPD durch einige Mitglieder des Zentralrates, radikale Unabhängige SozialistInnen und Mitglieder des Revolutionären Arbeiterrates ausgerufen. Das oberste Regierungsorgan wird der „Revolutionäre Zentralrat“ unter dem Vorsitz von Ernst Niekisch. Auf einer Versammlung der KPD auf der Theresienwiese werden Landauer und Mühsam als Protagonisten der Räterepublik als Verräter bezeichnet. Die „Münchner Rote Fahne“ hatte am Morgen des 7. Aprils auf ihrer Titelseite stehen: „Arbeiter! Folgt nur den Parolen der kommunistischen Partei“. Während sich in München und Nürnberg die KPD nicht an der Räterepublik beteiligte, war es z.B. in Ingolstadt der Ortsvorsitzende der KPD, der die Ausrufung der Räterepublik bewegen konnte. Für die KPD und SPD galt während dieser Zeit, dass die Funktionäre sich geschlossen gegen die Räterepublik stellten, aber dass sich sowohl bei der KPD und SPD viele Basismitglieder an der Räterepublik beteiligten. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Bayern kommentierte noch am gleichen Tag die Ausrufung der Räterepublik in einem Manifest folgendermaßen: „Die Regierung des Freistaates Bayern ist nicht zurückgetreten. Sie hat ihren Sitz von München verlegt. Die Regierung ist und bleibt die einzige Inhaberin der Gewalt in Bayern und ist allein berechtigt, rechtswirksame Anordnungen zu erlassen und Befehle zu erteilen“ (zitiert nach: Linse 1974, 216). Die bayrische Landesregierung hatte München verlassen, da die Münchner Kasernen- und Soldatenräte beschlossen hatten, die Landesregierung nicht zu schützen. Sie beschlossen die Unterstützung der Räterepublik und den Schutz der Stadt und des Münchner Proletariats. In dem Proklamationstext der Räterepublik hieß es außerdem: „Zum Schutz der baierischen Räterepublik gegen reaktionäre Versuche von außen und innen wird sofort eine Rote Armee gebildet“ (zitiert nach: Seligmann 1989a, 338).
Die antisozialistische Propaganda war den radikalen Kräften der Rätebewegung schon immer ein Dorn im Auge, so wurde mit der Ausrufung der Räterepublik die Zensur verhängt, die auch weitgehend durchgesetzt wird. In keinem Bereich anderen Bereich werden die Räte in ähnlich starker Weise aktiv. Allerdings muß auch gesagt werden, dass 7 Tage eine viel zu kurze Zeit sind, um in zentralen Bereichen wirkliche und spürbare Veränderungen durchzusetzen. Zu diesen Bereichen gehören die Lebensmittelknappheit in den Städten und die Wohnungsnot, aber auch das Bildungssystem, das Landauer (Volksbeauftragter für Volksaufklärung, Kultur und Erziehung) gerne komplett umgestaltet hätte. Er hatte vor allem vor, gegen die Universitäten vorzugehen, die Ausbildungsstätte für Konterrevolutionäre. Die Münchner Studenten waren bekannt für ihre reaktionäre Haltung. Deshalb war die Revolutionierung der Hochschulen eine wichtige Aufgabe für Landauer.
Der Putsch
Während der ganzen Zeit der ersten Räterepublik agierte die Reaktion und die Sozialdemokratie innerhalb und außerhalb von Bayern gegen die Räterepublik. Die geflohene Landesregierung unter Hoffmann hoffte das Problem der Räterepublik durch einen Putsch und die Verhaftung der Köpfe der Räterepublik ein für alle Mal zu beseitigen. Die Lage der Räterepublik wurde immer ernster, die Räterepublik in Ingolstadt wurde blutig niedergeschlagen. Am 12. April beriet der Zentralrat über die aktuelle Lage in München. Während der Zentralrat noch beriet, begannen die KPD-Sektion in Schwabing und radikale ArbeiterInnen der Firma Krupp die Verteidigung der Stadt vorzubereiten. Sie begannen Straßensperren zu errichten und PassantInnen nach Waffen zu durchsuchen. Dabei machten die AnhängerInnen der Räterepublik einen großen Fang. Ihnen gelingt es, den stadtbekannten und bei allen Linksradikalen verhaßten Bahnhofskommandanten Aschenbrenner in Begleitung weiterer Männer festzunehmen. Beschlagnahmt wurde seine Aktentasche, in der sich brisantes Material befand. In der Tasche befand sich u.a. die versprochene Vollmacht der Bamberger Regierung für Seyfferitz, am Tag des Putsches freie Hand zu haben bis der Regierungskommissar eintreffen würde.
Die Verhaftung von Aschenbrenner veranlaßt Seyfferitz dazu, den Putsch nicht gründlich vorzubereiten, sondern gleich damit zu beginnen. Im Polizeipräsidium und der Stadtkommandantur werden anwesende Räterepublikaner verhaftet. Dann ziehen kleine Abteilungen der Republikanischen Schutztruppe zum Wittelsbacher Palais und zu den Privatwohnungen führender Zentralrats-Mitglieder. Insgesamt werden 13 Mitglieder verhaftet, darunter Erich Mühsam. Ernst Toller wurde anonym gewarnt und konnte rechtzeitig untertauchen. Landauer, Gesell und die Führung der KPD entgehen dem Verhaftungsbefehl. Erich Mühsam und 6 weitere Verhaftete werden sofort zum Bahnhof gebracht, damit sie ins sichere Nordbayern gebracht werden konnten.
Erst am frühen Nachmittag des 13. April beginnen sich die AnhängerInnen der Räterepublik offen zu organisieren. Es kommt zu ersten Auseinandersetzungen zwischen RäterepublikanerInnen und den Republikanischen Schutztruppen. In den Straßen um den Bahnhof und den Karlsplatz patrouillieren ein vollbesetzter LKW und ein Panzerwagen der Republikanischen Schutztruppe. „Unter der Leitung des Anarchisten und RAR-Mitglied Josef Sontheimer taucht ein mit bewaffneten Arbeitern und radikalen Soldaten besetzter LKW auf; an beiden Seiten sind rote Fahnen befestigt. Von der Plattform werfen die Anhänger der Räterepublik die Mobilisierungsflugblätter des ZR (Zentralrates, Anm. jm). Am Marienplatz begegnen sie einem Lastwagen mit Soldaten der Republikanischen Schutztruppe. Sontheimer hält und beginnt von der Ladefläche aus mit einer Ansprache an die zahlreichen Passanten“ (Seligmann 1989a, 516). Kurze Zeit später kommt es zu einer Schießerei zwischen den beiden Gruppen, in der ausschließlich PassantInnen verletzt und getötet werden. An einem anderen Punkt der Stadt kommt es zu einem weiteren Zwischenfall. Die Republikanischen Schutztruppen greifen ein Sektionslokal der KPD an. Die dort Anwesenden, teilweise bewaffnet, schlagen den Angriff zurück. Erst jetzt beschließt die Führung der KPD ihre Mitglieder für den bewaffneten Widerstand und zur Verteidigung der Räterepublik zu mobilisieren. Am Nachmittag versammeln sich 5.000 bis 7.000 Menschen auf der Theresienwiese, um gegen den Putsch zu demonstrieren. Ein Teil von ihnen bringt die Waffen mit, die an die ArbeiterInnen der Großbetriebe verteilt worden sind, ein anderer Teil sind radikale Soldaten. Zu ihnen stoßen die ArbeiterInnen und Soldaten unter der Führung Sontheimer, und viele, die in der Innenstadt vom Putsch überrascht wurden. Es fehlen die führenden Köpfe der Räterepublik: Mühsam verhaftet, Toller noch untergetaucht, aber auch Landauer und die Führung der KPD Levien und Leviné fehlen.
„Unter dem Jubel der Menge entwaffnet Sontheimers Truppe die Wache der Republikanischen Schutztruppe im Ausstellungspark und bricht die Waffenkammer dort auf. Die Gewehre werden an die Arbeiter auf der Theresienwiese verteilt, darüber hinaus ein Lastwagen requiriert. Dann gehen die Bewaffneten zur nahe gelegenen Stielerschule, (...) einem weiteren Stützpunkt der Republikanischen Schutztruppe. Auch dort lassen sich die Soldaten, es sind nur eine Handvoll, widerstandslos entwaffnen; die Waffen werden an die Versammlung verteilt“ (Seligmann 1989a, 518).
Die Republikanischen Schutztruppen reagieren immer nervöser. Die am Bahnhof stationierten Truppen schießen auf alles was sich bewegt. Die AnhängerInnen der Räterepublik schickten drei Unterhändler um über eine Übergabe zu verhandeln, doch als diese von der Republikanischen Schutztruppe erschossen werden, beschließen die wütenden AnhängerInnen den Angriff auf den Bahnhof. Als den Soldaten der Republikanischen Schutztruppen die Munition ausgeht, fliehen diese über die Gleise. Aschenbrenner flieht in einer startbereiten Lokomotive. 21 Menschen starben bei den Kämpfen um den Bahnhof, und die meisten waren zufällig anwesende PassantInnen. Bei dem Kampf um den Bahnhof fehlten die führenden Köpfe der ersten Räterepublik und die Führung der KPD. Der Angriff fand unter der Leitung des Anarchisten Sontheimer und dem KPD-Mitglied Eglhofers statt. Mit der Eroberung des Hauptbahnhofes ist die Entscheidung zu Gunsten der RäteanhängerInnen gefallen; der Putsch in München war endgültig niedergeschlagen. In anderen Städten in Bayern hatten die Putschisten und die Weißen Garden mehr Erfolg.
Die zweite Räterepublik und der weiße Terror
Das nun entstandene Vakuum und die Verhaftung einige Mitglieder des Zentralrates nutzt nun die Führung der KPD für sich. Noch am 13. April konstituiert sich eine Versammlung im Hofbräuhaus unter dem Vorsitz von Eugen Leviné als „Betriebs- und Soldatenräte Münchens“. Leviné wird Vorsitzender des aus vier Männern bestehenden Vollzugrates und ist damit Regierungschef der zweiten diesmal kommunistischen Räterepublik, die Hofbräuhaus-Versammlung das neue Parlament. Ein Angebot von Landauer sich an der aufbauenden Arbeit an der Räterepublik mitzuwirken, wird von der kommunistischen Führung abgelehnt. Zwei Tage später distanziert er sich von der kommunistischen Räterepublik.
Die Hoffmann-Regierung gelangt zur Überzeugung, dass die Räterepublik nicht durch einen Putsch beizukommen ist, und das es keine Alternative zu einem großangelegten Angriff auf München gibt, es wurde ein Hilfsangebot von Freikorps aus Württemberg danken angenommen.
Am 16. April gelingt es der Roten Armee unter der Leitung von Ernst Toller Dachau den weißen Truppen zu entreißen. Hoffmann bietet Berlin um Hilfe und Noske sagt 20.000 Soldaten aus Berlin zu, von 7.500 in Bayern eintreffen, dazu kommen 3.750 aus Württemberg und ca. 22.000 vom Volksheer und in Nordbayern aufgestellten Freikorps, damit verfügt die Regierung Hoffmann über 35.000 Soldaten, während die Räterepublik auf eine Rote Armee bestehend aus 10.- bis 20.000 Soldaten zurückgreifen kann. Ende April werden die Spannungen innerhalb der Führung der Räterepublik immer größer. Ernst Toller wirft Leviné und den anderen Kommunisten vor, sie haben bewußt die Wahrheit über die militärische und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung vorenthalten. Ein weiterer Vorwurf war, dass Leviné Verhandlungen mit der Hoffmann-Regierung verweigert hatte, obwohl aus Sicht von Toller, diese noch möglich gewesen wären, um die Münchner ArbeiterInnen vor einem Blutbad zu bewahren. Am 27. April nimmt der Rätesitzung einen Mißtrauensantrag gegen Vollzugsrat an. Leviné und die anderen kommunistischen Regierungsmitglieder treten zurück. Toller übernimmt die Führung. Er will mit Hoffmann verhandeln, doch er verlangt die bedingungslose Kapitulation und die Übergabe aller Räteführer. Toller kann diese Bedingungen nicht annehmen.
Am 1. Mai beginnen die unter Führung des preußischen Generals von Oven stehenden weißen Truppen damit, den Ring um München immer enger zu ziehen. Eglhofer, Kommandant der Roten Armee, ordnet darauf die Erschießung von 10 Geiseln an; darauf beginnt die vorzeitige Eroberung Münchens durch die Truppen. Die Eroberung Münchens durch die weißen Truppen forderte über 1.000 Tote. Am 3. Mai ist die Stadt völlig im Besitz der Reaktion. In der Folgezeit werden mehr als 5.000 Menschen wegen Beteiligung an der Räterepublik vor Gericht gestellt.
Gustav Landauer wurde bereits am 1. Mai von reaktionären Truppen verhaftet und nach Starnberg ins Gefängnis gebracht. Am 2. Mai sollte er nach Stadelheim gebracht werden, auf dem Transport wird er von Soldaten ermordet. Am 3. Mai werden Sontheimer und Eglhofer standrechtlich erschossen. Leviné wird am 5. Juni hingerichtet. Der Kommunist Levien wird Opfer der stalinistischen Säuberungen in Moskau 1937. Toller entkam dem weißen Terror. Ret Marut, Mitglied der Pressekommission der Zentralrates, gelang ebenfalls die Flucht, später verließ er Deutschland und ging nach Mexiko und veröffentlichte unter dem Pseudonym B. Traven eine Reihe von Romanen. Erich Mühsam wurde von der sozialdemokratischen Regierung wegen Hochverrates angeklagt, am 12. Juli 1919 wurde er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. Nach 5 Jahren und 9 Monaten wurde er am 20. Dezember 1924 begnadigt.
Literatur
- Dorst, Tankred (Hrsg.): Die Münchner Räterepublik. Zeugnisse und Kommentar, Frankfurt am Main 1972
- Linse, Ulrich: Die Anarchisten und die Münchner Novemberrevolution. In: Bosl, Karl (Hrsg.): Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und die Folgen, München/Wien 1969
- Linse, Ulrich: Gustav Landauer und die Revolutionszeit 1918-1919, Berlin 1974
- Mühsam, Erich: Von Eisner bis Leviné. Die Entstehung der bayrischen Räterepublik. In: Mühsam, Erich: Ausgewählte Werke, Band 2, Ostberlin 1985
- Seligmann, Michael: Aufstand der Räte. Die erste bayrische Räterepublik von 7. April 1919, Grafenau 1989a
- Seligmann, Michael: Fürth in Bayern. Die erste bayrische Räterepublik - ausgerufen am 7. April 1919. In: Schwarzer Faden Nr. 30 1/1989b
- Souchy, Augustin: Erich Mühsam. Sein Leben, sein Werk, sein Martyrium, Reutlingen 1984
- Sternsdorf-Hauck, Christiane: Brotmarken und rote Fahnen. Frauen in der bayrischen Revolution und Räterepublik 1918/19, Frankfurt am Main 1987