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1932, am Vorabend des Nationalsozialismus, konnten Emma Goldman und Theodor Plievier allüberall noch ohne Probleme auftreten? Es ist wenig bekannt. Aber sicher ist, dass nicht alle Veranstaltungen öffentlich durchgeführt werden konnten, da Emma Goldman neben dem Ruf eine gefährliche Anarchistin zu sein auch noch als Jüdin ein Angriffsziel von Naziattacken war. In Schweinfurt wurde beispielsweise nicht Emma Goldman angekündigt, sondern Milly Witkop-Rocker und die Veranstaltung wurde zudem als Mitgliederversammlung getarnt. Trotzdem kam es zu antisemitischen Zwischenrufen. Informationen zu diesen Abenden finden sich nur in Briefen Emma Goldmans an Rudolf und Milly; z.B. über die Veranstaltung in Zella-Mehlis: | 1932, am Vorabend des Nationalsozialismus, konnten Emma Goldman und Theodor Plievier allüberall noch ohne Probleme auftreten? Es ist wenig bekannt. Aber sicher ist, dass nicht alle Veranstaltungen öffentlich durchgeführt werden konnten, da Emma Goldman neben dem Ruf eine gefährliche Anarchistin zu sein auch noch als Jüdin ein Angriffsziel von Naziattacken war. In Schweinfurt wurde beispielsweise nicht Emma Goldman angekündigt, sondern Milly Witkop-Rocker und die Veranstaltung wurde zudem als Mitgliederversammlung getarnt. Trotzdem kam es zu antisemitischen Zwischenrufen. Informationen zu diesen Abenden finden sich nur in Briefen Emma Goldmans an Rudolf und Milly; z.B. über die Veranstaltung in Zella-Mehlis: | ||
− | ''"Es gab kein Entrinnen vor den Genossen. Ich musste über | + | ''"Es gab kein Entrinnen vor den Genossen. Ich musste über Nacht bleiben. Es würde ihm (Jäger) so viel bedeuten. Es gab ein Bett, in dem Jäger, seine Frau und ihr Baby schliefen und das ich nun auch benutzen musste. Jäger ist wirklich ein netter Kerl. Aber glaubt Ihr, er wäre rausgegangen, als ich mich aus- und morgens wieder anziehen wollte? Das Tragischste ist die unglauliche Armut der Genossen, man kann es nicht übers Herz bringen, sich über irgendetwas bei ihnen zu beschweren oder ihre Gastfreundschaft zurückzuweisen. Sie geben alles, was sie haben."'' |
Bei der Reise Theodor Plieviers konnte der Charakter öffentlicher Veranstaltungen eher durchgeführt werden und Besucherzahlen von 500 im schwäbischen Göppingen belegen, dass diese Arbeit der Anarchosyndikalisten honoroert wurde und über die eigenen Kreise hinaus Menschen ansprach. Hinzukommt, dass manche FAUD-Mitglieder, wie z.B. in Göppingen, für diese Arbeit außerordentlich viel Engagement aufbrachten und dies vor allem auch von den Sozialdemokraten anerkannt wurde. Motor in Göppingen war [[Karl Dingler]]. Im Februar 1935 wurde er verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis und 3 Monaten KZ verurteilt. Karl Dingler überlebte den Nationalsozialismus und wurde nach dem Krieg sogar in den Stadtrat gewählt, wo er einen [[Erich-Mühsam-Platz]] in Göppingen durchsetzte. Mit Theodor Plievier hatte er sich befreundet und so kam es, dass Plievier, der nach seinem Moskauer Exil in Thüringen als "unabhängiger Kulturschaffender" ohne eigene Zustimmung auf einer SED-Liste in den Landtag gewählt worden war, zu Karl Dingler nach Göppingen floh als er der DDR den Rücken kehrte. Karl Dingler hält die Umstände in Briefen an Rudolf Rocker nach New York fest. Im März 1947 schreibt er, dass sich Plievier bei ihm gemeldet habe und in Weimar sei, von seinen Erfahrungen in der Sowjetunion aber nicht schreiben könne. Ende Juli schreibt Dingler, dass er über die Kulturabteilung des DGB eine Lesung Plieviers aus dessen Buch "Stalingrad" organisiert habe. Plievier bereitete auf diese Weise seinen Absprung aus der Sowjetzone sorgfältig über eine Lese-Tour vor, die er am 30.Juli 1947 in Alsfeld begann und am 10.September in Göppingen beendete. Dingler schreibt an die Rockers: | Bei der Reise Theodor Plieviers konnte der Charakter öffentlicher Veranstaltungen eher durchgeführt werden und Besucherzahlen von 500 im schwäbischen Göppingen belegen, dass diese Arbeit der Anarchosyndikalisten honoroert wurde und über die eigenen Kreise hinaus Menschen ansprach. Hinzukommt, dass manche FAUD-Mitglieder, wie z.B. in Göppingen, für diese Arbeit außerordentlich viel Engagement aufbrachten und dies vor allem auch von den Sozialdemokraten anerkannt wurde. Motor in Göppingen war [[Karl Dingler]]. Im Februar 1935 wurde er verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis und 3 Monaten KZ verurteilt. Karl Dingler überlebte den Nationalsozialismus und wurde nach dem Krieg sogar in den Stadtrat gewählt, wo er einen [[Erich-Mühsam-Platz]] in Göppingen durchsetzte. Mit Theodor Plievier hatte er sich befreundet und so kam es, dass Plievier, der nach seinem Moskauer Exil in Thüringen als "unabhängiger Kulturschaffender" ohne eigene Zustimmung auf einer SED-Liste in den Landtag gewählt worden war, zu Karl Dingler nach Göppingen floh als er der DDR den Rücken kehrte. Karl Dingler hält die Umstände in Briefen an Rudolf Rocker nach New York fest. Im März 1947 schreibt er, dass sich Plievier bei ihm gemeldet habe und in Weimar sei, von seinen Erfahrungen in der Sowjetunion aber nicht schreiben könne. Ende Juli schreibt Dingler, dass er über die Kulturabteilung des DGB eine Lesung Plieviers aus dessen Buch "Stalingrad" organisiert habe. Plievier bereitete auf diese Weise seinen Absprung aus der Sowjetzone sorgfältig über eine Lese-Tour vor, die er am 30.Juli 1947 in Alsfeld begann und am 10.September in Göppingen beendete. Dingler schreibt an die Rockers: | ||
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* [[Kurt Kläber]]: Empörer! Empor Berlin 1925, Verlag Syndikalist, (Dichter und Rebellen Bd.2), 128 S. | * [[Kurt Kläber]]: Empörer! Empor Berlin 1925, Verlag Syndikalist, (Dichter und Rebellen Bd.2), 128 S. | ||
− | * [[Samuel Lewin]]: Dämonen des Blutes. Eine Vision Berlin 1926, Asy Verlg, (Dichter und Rebellen Bd.5), 151 S. | + | * [[Samuel Lewin]]: Dämonen des Blutes. Eine Vision Berlin 1926, Asy Verlg, (Dichter und Rebellen Bd.5), 151 S. Neu aufgelegt im Verlag Edition AV, Lich 2013 |
* [[John Mackay]]: Sturm. Volksausgabe, 7. verkürzte Aufl. 18. - 22. Tsd. Berlin 1925, Asy Verlag, (Dichter und Rebellen Bd.3), 99 S. | * [[John Mackay]]: Sturm. Volksausgabe, 7. verkürzte Aufl. 18. - 22. Tsd. Berlin 1925, Asy Verlag, (Dichter und Rebellen Bd.3), 99 S. | ||
* [[Erich Mühsam]]: Alarm Berlin 1925, Verlag Syndikalist, (Dichter und Rebellen Bd.1), 100 S. | * [[Erich Mühsam]]: Alarm Berlin 1925, Verlag Syndikalist, (Dichter und Rebellen Bd.1), 100 S. |
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Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde
Gegründet wurde die Gilde 1928, also keineswegs zu Hochzeiten der FAUD, eher im Gegenteil: Man kann feststellen, dass das Interesse der Mitglieder an einzelnen Bereichen der anarchosyndikalistischen Bewegung wuchs, je weniger die FAUD Einfluss auf die konkrete politische Situation nehmen konnte. Trotzdem muss es als beachtlich angesehen werden, was die Gildenmitglieder in den wenigen Jahren vor Hitlers Machtergreifung am 30.1.1933 auf die Beine stellten. 80 Gründungsmitglieder brachten nicht viel mehr "Kapital" in die Gründung ein, als ihr gelebtes Verständnis von "Gegenseitiger Hilfe". Drei Jahre später, 1931, hatte diese kleine Buchgemeinschaft immerhin 1200 Mitglieder gewonnen.
Aus der Satzung des Gilde lassen sich zwei Hauptzielrichtungen erkennen: Die Gilde wollte den Arbeitenden für ihren Kampf um eine bessere Gesellschaftsordnung "wertvolles Schrifttum" zur Verfügung stellen und einen Verlegergewinn ausschalten. Des weiteren bot sie literarische und künstlerische Vorträge, Theater-, Film- und Konzertveranstaltungen an, "um das Interesse für freiheitliche Kunst und kulturelle Erneuerung zu fördern." Der Gildenbeitrag betrug 1,00 Mark im Monat und 0,25 Pfenning als Eintrittsgeld. In der Satzung formulierte die Gilde ihren Anspruch folgendermaßen: "Die Gilde gibt für ihre Mitglieder jährlich mindestens drei schöngeistige oder wissenschaftliche Bücher heraus, bei deren Wahl und Ausstattung die Gildenleitung von einem Kreis namhafter Schriftsteller und Graphiker beraten wird. An Stelle von Gildenbüchern wird den Mitgliedern auf Wunsch auch ein Buch im gleichen Wert aus dem ASY-Verlag und anderen Verlagsanstalten, mit denen die Gildenleitung in Vertragsverhältnisse getreten ist, zu einem Vorzugspreis geliefert." Sehr früh wurde in Berlin eine gildeneigene Zeitschrift "Besinnung und Aufbruch" im A-5-Format herausgegeben, der Start lag im Mai 1929, so dass die Jahrgänge immer im Mai mit Heft 1 begannen. In diesem ersten Heft formulierte die Gilde ihren Anspruch noch einmal deutlich: "Mehr denn je gilt es heute, den glimmenden Funken der geistigen und sozialen Revolution zu heller Flamme anzufachen..... Wir wollen für die Ideen des freien Sozialismus nicht nur trocken und theoretisch werben, sondern mitten ins Leben hinein und auf mannigfaltige Weise auch durch Erzählungen und Romane aus der Wirklichkeit an Herz und Hirn auch des einfachsten unter den Lesern greifen und mit helfen, ein aktives Bewußtsein der Zusammengehörigkeit all derer zu schaffen, die es unter den heutigen Zuständen äußerlich und innerlich nicht mehr aushalten und hin wollen nach einer besseren, freudevolleren Wirklichkeit." Gelegentliche Veranstaltungshinweise darin, veranschaulichen uns heute die Umsetzung ihres kulturpolitischen Anspruchs. So finden wir in Nr.7 von 1929 der Gildenzeitung die Veranstaltungshinweise für Berlin, wo am 31. Oktober Bruno Vogel aus seinem Roman "Alf" las und musikalisch von Bernd Sander begleitet wurde; am 14. November fand ein Lichtbildervortrag statt, der durch ein Violinsolo aus- und eingeleitet wurde. Am 28.November sprach Erich Mühsam über "Revolutionäre Kunst" unter der Mitwirkung der Volks-Kunst-Gemeinschaft Wedding. In Nr.12 vom April 1930 wurde beispielweise in der Stadt Heilbronn ein Vortrag eines Dr. Stockbürger über die "Krise der Weltwirtschaft" und in Heft 1 vom Mai 1930 wurde in Heilbronn der Vortrag des Ulmer FAUD-Mitglieds Karl Preiss über "Der Arbeiter und seine Literatur" angekündigt. In Heft 7 findet sich der Hinweis auf Rudolf Rockers Vortrag in Braunschweig "Maxim Gorki und die russische Literatur", in Heft 9 vom Januar 1931 wird auf seinen Berliner Abend zu "William Godwins Roman Caleb Williams" hingewiesen.
Die Ortsgruppe Leipzig vermittelt in ihrem Tätigkeits- und Gründungsbericht für "Besinnung und Aufbruch" ein anschauliches Bild der politisch-kulturellen Absichten und der der konkreten Umsetzung, zudem wird deutlch, dass auch hier eine dezentrale Organisation und Arbeitsweise selbstverstäündlich war, so hatte sich die Leipziger Gruppe bereits ein Jahr vor der offiziellen Gründung der Gilde selbst gegründet. Der Autor des Berichts war Arthur Holke, der selbst mit dem "Verlag Der Anarchist" einen kleinen Verlag betrieb und auch Zeitschriften verlegte. Arthur Holke starb 1940 im KZ.
"Im April 1928 schlossen sich eine Anzahl Genossen zu einer Ortsgruppe der Gilde freiheitlicher Bücherfreunde zusammen, unabhängig von der in Berlin gegründeten Gilde, mit eigenen Satzungen und Marken. Der Berliner Verwaltungs-Apparat war der Sache nicht gewachsen, das Werbematerial unbrauchbar. Die von der Berliner Leitung offerierten 1,65- und 1,95-Mark-Bücher (Warenhausausgabe) waren zur Mitgliederwerbung nicht geeignet. Wir boten unseren Gildenfreunden neben den besten Werken aus dem Verlag Der Syndikalist nur gute Literatur freiheitlicher Autoren. Unsere Gilde wollte mehr sein als ein Büchervermittler. Wir wollten teilnehmen an der Kulturarbeit der Leipziger Arbeiterschaft. Ist doch das Kapitel Kulturarbeit keineswegs erhebend! Die Zerissenheit des Proletariats, verursacht durch die politischen Drahtzieher, läßt es nicht zu größzügigem Wollen kommen. Das von den Zentralgewerkschaften und der Partei unterhaltene Arbeiter-Bildungs-Institut maßt sich auf kulturellem Gebiet eine Monopolstellung an. Besoldete Bildungssekretäre bestimmen die Tendenz! Versuche, in Leipzig eine Volksbühne auf breitester Grundlage zu schaffen, die Kulturzentrum sein könnte, mussten an der Engstirnigkeit der sozialdemokratische Parteihuber scheitern. Eine von der KP aufgezogene Volksbühne konnte nicht leben. Für freiheitliche Elemente, denen der Parteipferch zu eng war, gab es keinen Raum der Betätigung!
Ende 1928 traten wir an die Öffentlichkeit. Auftakt war ein Vortrag Rudolf Rockers über Maxim Gorki. Der Erfolg war vielversprechend. Wohl selten hat ein Redner eine andächtigere Hörerschaft aller Richtungen gefunden. Die 'berufenen' Vertreter der Leipziger Arbeiterschaft trafen Gegenmaßnahmen. Unsere weiteren Veranstaltungen wurden bis auf eine totgeschwiegen! Die SP- und KP-Presse lehnte Redaktionshinweise und Inserate ab. Doch unsere fernere Tätigkeit konnte dadurch nicht unterbunden werden. Im August sprach Erich Mühsam temperamentvoll über das Thema "Künstler und Rebell". Ein Genosse las aus seinen Werken.
Zwei Vorträge Rudolf Rockers über Jack London, Upton Sinclair und B. Traven waren ein Erlebnis! In einer anti-militaristischen Veranstaltung sprach Helmut Rüdiger über 'Der Krieg und die Literaten'. Bruno Vogel las aus 'Es lebe der Krieg' und aus dem damals noch ungedruckten 'Alf'. Die aufwühlende Kunst Franz Masareels vermittelte uns Helmut Rüdiger durch einen Vortrag mit Lichtbildern. Eine Feier, dem Gedenken Gustav Landauers gewidmet, war überfüllt. Rudolf Rocker hielt die Gedenkrede, Lina Carstens rezitierte. An einem anderen Abend sprach Helene Stöcker kluge Worte über die Ehe als psychologisches Problem. Am dritten Autoren-Abend las Theodor Plievier aus 'Des Kaisers Kulis' und 'Ein Kapitän und zwölf Mann', sowie Szenen aus einem bisher ungedruckten Drama."
Über die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde ist bislang nur wenig publiziert worden. Der Leipziger Bericht vermittelt ein anschauliches Bild von der Arbeit einer Gruppe vor Ort. Dabei überrascht doch, dass jeden Monat ein Vortragsabend für die Mitglieder abgehalten wurde. Die Themen konzentrierten sich auf Bücher, Malerei oder Filme, allerdings nicht ausschließlich anarchistischer Tendenz; es ging eher um künstlerische und literarische Bildung und häufig auch um Literatur, die freiheitliche Gedanken oder Elemente enthielt, selbst wenn der Autor, wie z.B. Knut Hamsun, in seinem Gesamtwerk nicht als Sympathisant des Anarchismus gelten kann. Es fanden beispielweise Abende zu August Strindberg, zu Armin Wegeners Russlandbuch, zu Leo Trotzkis Erinnerungen 'Mein Leben' statt. Es gab Lichtbildervorträge zu Daumier und George Grosz oder zur Nacktkultur. Die neuen Bücher Rudolf Rockers wurden ebenso vorgestellt und diskutiert wie das damals neue Thema 'Proletariat und Film'. Auch die politischen Verhältnisse der Zeit wurden keineswegs ausgeblendet: Vorträge zu 'Ghandi und der Befreiungskampf des indischen Volkes' oder 'Benito Mussolini und der Faschismus in Italien' können dies belegen. Natürlich waren nicht alle Gildengruppen so aktiv wie die Leipziger, aber die Vortragsreisen von Theodor Plievier und Emma Goldman, die beide in Zusammenarbeit mit der FAUD 1932 durchgeführt wurden, zeigen uns, dass die Gilde in zahlreichen Städten in der Lage war, Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen. Die Vorträge ab Februar oder März (?) 1932 (Emma Goldman) und ab November 1932 (Theodor Plievier) wurden von den Gruppen in Berlin-Oberschöneweide, Werder bei Potsdam, Dresden, Leipzig, Erfurt, Sömmerda, Zella-Mehlis, Freital, Suhl, Magdeburg, Breslau, Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Göppingen, Offenbach, Mörfelden, Darmstadt, Mannheim, Ludwigshafen, Nürnberg, Fürth, Schweinfurt, Bremen, Hamburg und Braunschweig vorbereitet und durchgeführt. Möglicherweise sind die Quellen zu den Reisen unvollständig, denn es fällt auf, dass keine Städte aus dem Ruhrgebiet genannt werden, obwohl in der FAUD dort auch noch aktive Gruppen existierten.
1932, am Vorabend des Nationalsozialismus, konnten Emma Goldman und Theodor Plievier allüberall noch ohne Probleme auftreten? Es ist wenig bekannt. Aber sicher ist, dass nicht alle Veranstaltungen öffentlich durchgeführt werden konnten, da Emma Goldman neben dem Ruf eine gefährliche Anarchistin zu sein auch noch als Jüdin ein Angriffsziel von Naziattacken war. In Schweinfurt wurde beispielsweise nicht Emma Goldman angekündigt, sondern Milly Witkop-Rocker und die Veranstaltung wurde zudem als Mitgliederversammlung getarnt. Trotzdem kam es zu antisemitischen Zwischenrufen. Informationen zu diesen Abenden finden sich nur in Briefen Emma Goldmans an Rudolf und Milly; z.B. über die Veranstaltung in Zella-Mehlis:
"Es gab kein Entrinnen vor den Genossen. Ich musste über Nacht bleiben. Es würde ihm (Jäger) so viel bedeuten. Es gab ein Bett, in dem Jäger, seine Frau und ihr Baby schliefen und das ich nun auch benutzen musste. Jäger ist wirklich ein netter Kerl. Aber glaubt Ihr, er wäre rausgegangen, als ich mich aus- und morgens wieder anziehen wollte? Das Tragischste ist die unglauliche Armut der Genossen, man kann es nicht übers Herz bringen, sich über irgendetwas bei ihnen zu beschweren oder ihre Gastfreundschaft zurückzuweisen. Sie geben alles, was sie haben."
Bei der Reise Theodor Plieviers konnte der Charakter öffentlicher Veranstaltungen eher durchgeführt werden und Besucherzahlen von 500 im schwäbischen Göppingen belegen, dass diese Arbeit der Anarchosyndikalisten honoroert wurde und über die eigenen Kreise hinaus Menschen ansprach. Hinzukommt, dass manche FAUD-Mitglieder, wie z.B. in Göppingen, für diese Arbeit außerordentlich viel Engagement aufbrachten und dies vor allem auch von den Sozialdemokraten anerkannt wurde. Motor in Göppingen war Karl Dingler. Im Februar 1935 wurde er verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis und 3 Monaten KZ verurteilt. Karl Dingler überlebte den Nationalsozialismus und wurde nach dem Krieg sogar in den Stadtrat gewählt, wo er einen Erich-Mühsam-Platz in Göppingen durchsetzte. Mit Theodor Plievier hatte er sich befreundet und so kam es, dass Plievier, der nach seinem Moskauer Exil in Thüringen als "unabhängiger Kulturschaffender" ohne eigene Zustimmung auf einer SED-Liste in den Landtag gewählt worden war, zu Karl Dingler nach Göppingen floh als er der DDR den Rücken kehrte. Karl Dingler hält die Umstände in Briefen an Rudolf Rocker nach New York fest. Im März 1947 schreibt er, dass sich Plievier bei ihm gemeldet habe und in Weimar sei, von seinen Erfahrungen in der Sowjetunion aber nicht schreiben könne. Ende Juli schreibt Dingler, dass er über die Kulturabteilung des DGB eine Lesung Plieviers aus dessen Buch "Stalingrad" organisiert habe. Plievier bereitete auf diese Weise seinen Absprung aus der Sowjetzone sorgfältig über eine Lese-Tour vor, die er am 30.Juli 1947 in Alsfeld begann und am 10.September in Göppingen beendete. Dingler schreibt an die Rockers:
"Am 10.08., es war Sonntag, abends gegen 10 Uhr kam er überraschend mit seiner Frau zu uns. Alles, was wir wußten, erfuhr eine schauderhafte Bestätigung aus seinem Munde, und es war klug von Dir nur soviel zu sagen, dass er nicht mehr nach der Ostzone zurückkehrt, weil er das, was dort vor sich geht, nicht mehr mit seinem Namen decken kann. Bald werde ich Euch Erschütterndes über das Schicksal Zenzl Mühsams berichten. Sie lebt noch, dies für heute. Plievier sprach in Bremen, Hamburg, Hannover, Mainz, Wiesbaden, München, Nürnberg und zuletzt in Göppingen. Die Veranstaltung im Staufen-Theater mit über 1000 Besuchern; wie 1932, (wo er auch) seine beste Veranstaltung in ganz Deutschland hatte." Die Praxis, der Rundreise eines Schriftstellers über die Gildenzeitschrift Hintergrundsmaterial über Werk, Ansichten und die Person vorauszuschicken, war sowohl im März 1932 zu Emma Goldman wie auch in Heft 7 vom November 1932 zu Theodor Plievier umgesetzt worden.
Fragt man nach dem Programm der Gilde, so finden wir Originalveröffentlichungen, die ab Bruno Vogels "Alf" mit Band 1 und folgende durchgezählt wurden, daneben Lizenzausgaben, die in anderen Verlagen erschienen waren und von denen nun eine zweite Auflage in der Gilde erschien und man findet Teilauflagen, d.h. der Verlag behielt einen Teil der Auflage zum Verkauf, die Gilde übernahm einen anderen Teil und druckte ihr Impressum ins Buch. Eng war die Zusammenarbeit mit dem ASY-Verlag, aber auch mit dem kommunistischen Malik-Verlag von Wieland Herzfelde und seinem Bruder John Heartfield wurde kooperiert, was zu einem Auswahlangebot anstatt eines 11. Bandes der Gilde selbst führte.
Ebenfalls ohne Scheuklappen wirkt auch die Zeitschrift der Gilde "Besinnung und Aufbruch", die im Mai 1929 zum ersten Mal herauskam. Als verantwortlicher Redakteur und Verleger fungierte bis 1931 der Berliner Willi Jadau, dann übernahm Helmut Rüdiger die Redaktion und Werner Henneberger den Verlag. Die Angabe bei Lorenz, dass Helmut Rüdiger nur die Hefte 11 und 12, im Februar und März 1931 als Redakteur verantwortete, stimmt nicht; Rüdiger war auch bei Heft 9 im Januar 1932 noch Redakteur dieser Zeitschrift. Erst danach übernahm Werner Henneberger auch die Redaktion. Die Angabe bei Hans Manfred Bock, dass es die Zeitschrift zwischen 1929 und 1933 auf 5 Jahrgänge gebracht hätte, ist zu bezweifeln. Im Mai 1933, dem Beginn eines 5. Jahrgangs, war Helmut Rüdiger längst im Exil in Barcelona (bereits seit November 1932), Werner Henneberger wurde bereits im März 1933, nach dem Reichtagsbrand, von der Berliner Gestapo verhaftet. Es ist deshalb sicher, dass das 12-seitige Heft Nr.10 vom Februar 1933 das letzte Heft gewesen ist. Diese Ausgabe vom Februar 1933 ist eine der aufschlußreichsten. Sie beginnt mit einem Bericht Erich Mühsams über den Kongreß "Das freie Wort", wo prominente KünstlerInnen und Parteibonzen gegen den Nationalsozialismus sprachen. Erich Mühsam selber deutet hier seine Mitgliedschaft in der FAUD an: "Von den Kommunisten und ihren Filialen oder von uns - Gen. Rocker und Linow waren als Vertreter der Geschäftskommission der FAUD. anwesend, ich für die Arbeiterbörse Berlin Brandenburg - hätte der erste somit frühestens am späten Nachmittag zum Worte kommen können." Wir finden hier auch informative Gildenberichte aus Göppingen (von Karl Dingler, der über 80 Mitglieder in der schwäbischen Kleinstadt berichtete: "Der Ausgangspunkt war der Betrieb.... Immer zwei Genossen in der Werbung eines neuen Mitgliedes zusammen. Wer einmal aufs Korn genommen war, wurde so lange bearbeitet, bis er entweder Mitglied oder hoffnungslos verloren war...") und aus Braunschweig (von Fritz Laskowski). Bis zuletzt wird als verantwortlicher Redakteur Werner Henneberger angegeben: "Berlin SW 19, Märkisches Ufer 20, III, Druck Georg Eichler, Berlin SO 16, Rungestraße 18."
Herausgegebene Bücher[edit]
- ohne Nummerierung: Erich Mühsam: Staatsräson (Drama zu Sacco und Vanzetti), Gilde Freiheitlicher Bücherfreunde, Berlin, 1928
- Band 1: Bruno Vogel: Alf, 349 S., Einband: Will Faber; Berlin, 1929
- Band 2: Fritz Gross: Die letzte Stunde. Legenden vom Tode. 326 S., Berlin, 1929
- Band 3: Han Ryner: Nelti. Zukunftsroman, übersetzt von Augustin Souchy, 239 S., Berlin, 1930
- Band 4: Emile Pataud/Emile Pouget: Das letzte Gefecht, Revolutionsroman, übersetzt von Rudolf Rocker, illustriert von Fermin Rocker; 236 S., parallel im ASY-Verlag und als Gildenbuch, Berlin, 1930
- Band 5: Karl Plättner: Der Mitteldeutsche Bandenführer. Mein Leben hinter Kerkernmauern, Einband: Will Faber; 334 S., Berlin, 1930
- Band 6: Max Nettlau: Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880-1886, 1931
- Band 7: William Godwin: Caleb Williams oder Die Dinge, wie sie sind; dt. Ãœbersetzung und Vorwort v. Rudolf Rocker; 314 S., Berlin, 1931
- Band 8: Isaak Nahaman Steinberg: Gewalt und Terror in der Revolution. Oktoberrevolution oder Bolschewismus, dt. v. I. Donska; 339 S., (Ãœbernahme aus dem Rowohlt-Verlag), GFB-Umschlag, Berlin, 1931
- Band 9:Robert Radetzky: Am Rande des Bürgersteigs, 186 S., Ausstattung von Will Faber; Berlin, 1931
- Band 10: Erich Mühsam: Sammlung 1898-1928 Gedichte und Prosa, 353 S., (Übernahme aus dem J.M.Spaeth Verlag, Berlin), mit neuem Impressum und Einband: Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, 1928
- Statt eines 11. Bandes: Malik Originalausgaben zur Auswahl: Theodor Plievier: Der Kaiser ging, die Generäle blieben, 347 S.; Ernst Ottwald: Ruhe und Ordnung, 307 S.; Ilja Ehrenburg: Die Verschwörung der Gleichen (über das Leben von Babeuf), 290 S.
- Band 12: J.H. Mackay: John Henry Mackays Werke in einem Band, 1195 S., (Ãœbernahme aus dem Stirner-Verlag, Berlin) Berlin, 1933
Auswahlbände[edit]
die in der Mitgliederzeitschrift "Besinnung und Aufbruch" angeboten wurden:
- Alexander Berkman: Die Tat. Gefängniserinnerungen eines Anarchisten, Berlin 1927, Asy Verlag, 368 S. III
- Kurt Kläber: Empörer! Empor Berlin 1925, Verlag Syndikalist, (Dichter und Rebellen Bd.2), 128 S.
- Samuel Lewin: Dämonen des Blutes. Eine Vision Berlin 1926, Asy Verlg, (Dichter und Rebellen Bd.5), 151 S. Neu aufgelegt im Verlag Edition AV, Lich 2013
- John Mackay: Sturm. Volksausgabe, 7. verkürzte Aufl. 18. - 22. Tsd. Berlin 1925, Asy Verlag, (Dichter und Rebellen Bd.3), 99 S.
- Erich Mühsam: Alarm Berlin 1925, Verlag Syndikalist, (Dichter und Rebellen Bd.1), 100 S.
- Erich Mühsam: Brennende Erde. Gedichte. Kurt Wolff Verlag, München 1920; 2. Auflage Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, Berlin 1930, (Einband), 94 S.
- Max Nettlau: Eliseé Reclus Anarchist und Gelehrter, Berlin 1928, Asy Verlag, 345 S.
- Max Nettlau: Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin, Berlin 1927, Verlag Syndikalist, 320 S.
- Max Nettlau: Der Vorfrühling der Anarchie, ihre historische Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahe 1864, Berlin 1922, Verlag Syndikalist, 179 S.
- Max Nettlau: Enrico Malatesta Das Leben eines Anarchisten Berlin 1922, 179 S.
- Victor Noack: Die Untersten. Geschichte aus dem Berliner Scheunenenviertel, Berlin 1927, Asy Verlag, 136 S., Kommissionsausgabe des Verlages J.H.W.Dietz, (Dichter und Rebellen Bd.6)
- Rudolf Rocker: Vom anderen Ufer Berlin 1926, Verlag Syndikalist, 148 S. (Dichter und Rebellen Bd.4)
- Rudolf Rocker: Die Sechs Berlin 1928, Verlag Syndikalist, 176 S.,(Dichter und Rebellen Bd.7)
- Rudolf Rocker: Johann Most, das Leben eines Rebellen Berlin 1924, Verlag Syndikalist, 436 S.
- Rudolf Rocker: Hinter Stacheldraht und Gitter Berlin 1925, Verlag Syndikalist, 422 S.
- Kassette mit 6 Bänden der ASY-Serie "Dichter und Rebellen", Einband von Breidenstein 1. Mühsam, Alarm, 2. Kläber, Empörer!, 3. Mackay, Sturm, 4. Rocker, Ufer, 5. Lewin, Dämon, 6. Noack, Untersten
Literatur[edit]
- Heinz Lorenz: "Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde 1929-1933. In: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliographie, Hg. Pirckheimer-Gesellschaft; Nr. 126, Berlin & Weimar, 1992
- Wolfgang Haug: Zum Thema Anarchismus, Teil 3: Die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde, in: Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 5, Lübeck, 1994
- Wolfgang Haug, Jährlich mindestens drei schöngeistige oder wissenschaftliche Bücher – Die GfB der FAUD, in: Schwarzer Faden, Nr. 52, 1995.
- Corinna Kaiser: Der "Kater-Konzern". Ein Beitrag zur (anarcho)-syndikalistischen Verlagsgeschichte
- Helge Döhring: Die Presse der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland 1918 bis 1933 - Seiten 76-79, Edition Syfo 1, Moers 2010, ISBN 978-3-9810846-8-9
- Helge Döhring: Syndikalismus im "Ländle". Die freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) in Württemberg 1918 bis 1933, darin Kapitel über die konkrete Gildenarbeit, besonders über die wohl aktivste Gildengruppe in Göppingen nebst Protagonisten Karl Dingler, sowie über die GFB in Stuttgart und Heilbronn. http://www.syndikalismus-im-laendle.tk
- Helmut Rübner zur Gilde freiheitlicher Bücherfreunde. (Aus seinem Buch: "Freiheit und Brot. Die Geschichte der FAUD", Berlin 1994. [1]
Weblinks[edit]
- Hartmut Rübner: Freie Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) (Artikel im "Lexikon der Anarchie")
- syndikalismusforschung.info Das Informationsportal zur Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung