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Difference between revisions of "Textentwurf Awareness-Diskussion"

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dresden, august 2011
 
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Revision as of 01:38, 6 August 2011

== plattform für emanzipatorische lernprozesse gegen diskriminierung und unterdrückung ==


Wir verstehen uns als „links“ und haben was gegen Diskriminierung und Unterdrückung. Einige von uns verstehen sich als total klug und reflektiert, manche sind es im Vergleich zu anderen vielleicht auch. Was häufig in linken Zusammenhängen passiert: Leute werden für unreflektierte diskriminierende Bemerkungen schnell abgestraft und abgestempelt. Dabei fehlt allerdings zu oft die Einsicht, dass wir alle(!) tagtäglich Menschen diskriminieren, unterdrücken und beherrschen, selbst wenn wir das nicht wollen und auch wenn wir uns große Mühe geben.

Diese komische „link(sradikal)e Szene“ hier ist ein Abbild der (Rest-)Gesellschaft: weiß, deutsch, männlich dominiert. Auch hier herrschen (Rollen-) Bilder, Vorurteile und Stereotype. Das ist kein Wunder. Wir wurden nun mal in diese Gesellschaft hineingeboren und hier sozialisiert, sind mit eben diesen Bildern aufgewachsen. Wir müssen die Illusion aufgeben, uns einfach von „d(ies)er Gesellschaft“ abkoppeln zu können. Wir müssen einsehen, dass wir, um anders, besser zusammenleben zu können, keinen SuperDuperAntiDiskriminierungsKnopf haben, sondern ständig dazulernen müssen. Wenn ich sage, ich sei Antisexist*in, bin ich es noch lange nicht.

Lasst uns gemeinsam gucken, wo wir uns (und andere sich) diskriminierend, unterdrückend oder herrschaftsförmig verhalten, wo wir Rassismen, Sexismen o.a. verinnerlicht haben – und lasst uns sie gemeinsam bekämpfen!

lernprozess statt strafe

Menschen haben verschiedene Bildungs- und Erfahrungshintergründe. Die eine findet Lernen prinzipiell scheiße, die andere sagt, Lernen hätte nichts mit Schule zu tun, Lernen wär Emanzipation von der Dummheit. Oder: Die eine hat sich bisher ausschließlich in der Friedensbewegung herumgetrieben, die andere kennt sich mit verschiedenen Formen von Antisemitismus aus.

Wer sich mit einem Thema schon mehr beschäftigt hat, kann entweder mit „seinesgleichen“ über die anderen „Dummen“ meckern, die das immer noch nicht kapiert haben – oder eben anderen was an Erfahrung/Wissen weitergeben (ohne dabei „Schlaumeier“ zu spielen). Diese können dieses „Weiterbildungs“-Angebot wiederum annehmen oder ablehnen.

Es ist schmerzhaft, einzusehen, dass wir eigenen Idealbildern nicht entsprechen (können) – gerade für Linke, die sich ja öfter mal für die „besseren Menschen“ halten. Wir sind alle nicht perfekt! Und damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben, sondern müssen ständig dazulernen, um einem besseren Zusammenleben (und somit einer Utopie von herrschaftsfrei(er)er Gesellschaft) zumindest näher zu kommen. Dieser Prozess klingt zwar anstrengend und ist es auch, jedoch ist es auch spannend, sich gemeinsam weiterzuentwickeln und sich bestenfalls im Umgang mit anderen Menschen allmählich wohler und etwas weniger fremd zu fühlen.

Sicherlich werden wir ein wirklich angenehmes Leben innerhalb der bestehenden Verhältnisse nicht erreichen. Und sicherlich lösen wir keine Probleme, indem wir („nur“) an uns selbst arbeiten, jedoch wirkt unser Verhalten auch „in die Gesellschaft“ zurück.

Außerdem erhöhen bessere Umgangsformen praktisch die Chancen, inmitten dieser Scheiße zu überleben.

schutzraum vor lernprozess

Wenn wir Gesellschaft verändern wollen, dann müssen eben GERADE die in der jetzigen Gesellschaft Benachteiligten diese Veränderung mitgestalten können. Was fangen wir an mit einer Utopie von ein paar weißen, deutschen, männlichen Studenten?

Um mich überhaupt in Diskussionen (z.B. über Utopien) hineinbegeben zu können, brauche ich eine Art Basis. Ich brauche sichere(re) Orte/Räume, Schutzräume, safer spaces, in denen ich ausnahmsweise mal NICHT (oder weniger) dikriminiert und unterdrückt werde – aus denen heraus ich agieren oder in die ich mich zurückziehen kann. Wenn ich mich gewappnet fühle, sie zu verlassen und mich „auf unsicheres Terrain“ zu begeben (z.B. als Frau eine Diskussion mit Männern über Sexismus), dann kann ich das tun, muss aber nicht.

Jeder Person sollte selbst überlassen sein, wann sie die Kraft dazu hat bzw. sich Zeit und Energie nehmen will, über Fehler hinwegzusehen, mit Leuten rumzudiskutieren oder was zu erklären. Manchmal geht das einfach nicht.

Wenn irgendwer kommt und über „kriminelle Äusländer“ herzieht oder über „geile Bräute“ labert, werden damit Leute angegriffen/ diskriminiert/ ausgeschlossen. Soll ich jetzt anfangen, zu diskutieren, Verständnis für die Sozialisation der gewaltausübenden Person aufbringen? Wäre ein klares „Raus!“ angebracht(er)? Hier stehen sich Schutzraum für Betroffene und Lernprozess bei Täter*in gegenüber.

Ganz klar: Der Schutz von Betroffenen geht vor.

frei*raum vs. schutzraum

„AHHH! Darf ich jetzt gar nichts mehr sagen? Wie soll ich mich da noch frei bewegen, wenn ich ständig mein Verhalten reflektieren muss? Das ist dann auch kein Offener Raum mehr…“

Aus Privilegiertenperspektive lässt sich so leicht reden – das Problem ist nur, dass der Frei*raum keiner ist, wenn nur einige Menschen sich darin „frei“ fühlen können. Strukturell benachteiligten Menschen oder Gruppen ist der Raum verschlossen – wer will sich schon blöden Sprüchen aussetzen? Bestimmte gesellschaftliche Gruppen sind im Alltag übervorteilt, haben mehr Handlungsmacht als andere. Dies sind z.B. Weiße, Männer, (in Deutschland) Leute mit dt. Pass, Leute im mittleren Alter, Heteros, Bildungsbürger usw. Diese Gruppen sind auch vorrangig diejenigen, von denen Diskriminierung ausgeht. Sexistische Diskriminierung geht mehrheitlich von heterosexuellen Männern aus, rassistische von Weißen/Deutschen usw.. Und gerade bei diesen privilegierten Menschen ist bei Kritik leider häufig Abwehrverhalten (wie in o.g. fiktiven Zitat) zu beobachten (statt sich für den Hinweis zu bedanken). Wenn z.B. eine Frau Forderungen gegenüber einem Mann aufstellt, z.B. dass er einen Raum verlässt, regen sich zumeist Männer auf, das wäre ja diskriminierend/ausschließend für „ihn“. Was dabei viel zu oft unter den (Stamm-)Tisch fällt, ist, dass viele Orte für POC, Frauen, „Ausländer“, Nicht-Heter@s oder z.B. Nicht-Gymnasiast*innen IMMER, jeden Tag, ausschließend sind. Teilweise offiziell, teilweise subtiler – sie kommen sich einfach fehl am Platz vor. Blöde Sprüche, Blicke, ausschließende Sprache usw..

Es gibt kein „Gegeneinander“ von Freiraum und Schutzraum, sondern sie greifen eher ineinander. Wenn wir tatsächlich den Anspruch eines Frei*raumes oder Offenen Raumes haben, so muss dieser auch Schutzraum und Raum für Selbstkritik und -reflexion sein. So können wir uns einem Frei*raum immer weiter annähern – immer freiER werden VON Herrschaft und Unterdrückung und immer freierER werden ZU einem Leben, wie es uns gefällt.

und jetzt?!

Wie überall und zu jeder Zeit kann es auch auf den Libertären Tagen Grenzüberschreitungen und (sexistische, rassistische,…) Übergriffe geben. Das können wir nicht ausschließen – aber wir können versuchen, dem entgegenzuwirken. Dies kann durch Sensibilierung, das Schaffen von Aufmerksamkeit, Anregungen zur Selbstreflexion geschehen. Daran knüpft sich die Hoffnung auf einen respektvollen Umgang miteinander und mit den Bedürfnissen und Grenzen anderer Menschen – die sehr unterschiedlich sein können. Für den Fall, dass es trotzdem zu Grenzüberschreitungen kommt, muss sofort Hilfe und Unterstützung für Betroffene da sein. Wie schaffen wir eine Basis für emanzipatorische Lernprozesse, für gleichberechtigtes Utopienspinnen? Wie schaffen wir es, Betroffene nicht alleine zu lassen? Wie schaffen wir es, unseren Wunsch nach Frei*raum (der, damit sich strukturell benachteiligte Menschen/Gruppen ebenso darin bewegen können, konsequenterweise auch Schutz*raum sein muss) praktisch umzusetzen?

Auf einigen Veranstaltungen/Kongressen/Camps gab und gibt es dazu “Awareness-” und/oder “Unterstützungsgruppen”. Das heißt: einige Menschen fühlen sich verantwortlich(er) dafür, die “Awareness” (~Aufmerksamkeit) in Bezug auf Herrschaftsverhältnisse, Diskriminierungen bzw. deren Sichtbarkeit zu fördern, z.B. durch Aushänge, Infos, Flyer, Leute ansprechen etc. Andere wiederum stellen sich als Ansprechpartner*innen zur Verfügung, hören einfach nur zu (manchmal hilft das schon viel) und/oder handeln unterstützend, wenn das von Betroffenen gewünscht wird. Das soll nicht heißen, dass diese Gruppe(n) die anderen Veranstaltungsteilnehmenden von ihrer eigenen Verantwortung entbinden (bitte seid ALLE aufmerksam und interveniert, wenn euch Dikriminierung oder Gewalt auffallen!) – trotzdem ist es gut, konkrete Ansprechpartner*innen zu haben, an die mensch sich dann auf jeden Fall wenden kann.

Ob es eine Unterstützungs-/Hilfe-/Auffang-/Schutz-/Awareness-/Sensibilisierungs-Struktur auf den Libertären Tagen geben wird oder nicht und wie diese dann konkret aussieht, hängt davon ab, wie viele und welche Leute sich wie einbringen.

Am Montag, dem 29.08.2011 findet um 18 Uhr im Infocafé Dresden (Gelände des AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Str. 39) eine Diskussion darüber statt, was hiervon wir konkret auf den LiTa umsetzen wollen und können. Wenn euch das interessiert, kommt einfach vorbei ! (Danach gibt’s lecker Essen in der Lutherstr. 33). Wenn ihr nicht kommen könnt, kommentiert doch einfach direkt hier oder/und schreibt eine Mail an uns.


Wir freuen uns auf euch

… und eine spannende Diskussion!


plattform für emanzipatorische lernprozesse

eine initiative aus der „libertäre tage“-vorbereitungsgruppe

dresden, august 2011