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Es gibt nur noch eine einzige Macht, eine einzige Diktatur, deren Organisation heilbringend und möglich ist, das ist die kollektive und unsichtbare Diktatur der Alliierten im Namen unseres Prinzips, und diese Diktatur wird um so heilbringender und mächtiger sein, da sie mit keiner offiziellen Macht sichtbarer Art bekleidet ist. Um sie aber zu bilden, dazu gehören wirklich starke Männer, (...) die wirkliche Macht dem Schein der Macht vorziehen und die endlich verstehen, daß unser Jahrhundert das der kollektiven, nicht der individuellen Kräfte ist, und daß die Kollektivität alle jene zermalmen wird, die sich ihr aufzwingen wollen. | Es gibt nur noch eine einzige Macht, eine einzige Diktatur, deren Organisation heilbringend und möglich ist, das ist die kollektive und unsichtbare Diktatur der Alliierten im Namen unseres Prinzips, und diese Diktatur wird um so heilbringender und mächtiger sein, da sie mit keiner offiziellen Macht sichtbarer Art bekleidet ist. Um sie aber zu bilden, dazu gehören wirklich starke Männer, (...) die wirkliche Macht dem Schein der Macht vorziehen und die endlich verstehen, daß unser Jahrhundert das der kollektiven, nicht der individuellen Kräfte ist, und daß die Kollektivität alle jene zermalmen wird, die sich ihr aufzwingen wollen. | ||
*''Aus „[http://www.anarchismus.at/txt5/bakunin25.htm Briefe Bakunins] an Albert Richard über die Alliance 1868, 1870“. Michael Bakunin, Gesammelte Werke, Band III; Berlin 1924. Seite 97ff.'' | *''Aus „[http://www.anarchismus.at/txt5/bakunin25.htm Briefe Bakunins] an Albert Richard über die Alliance 1868, 1870“. Michael Bakunin, Gesammelte Werke, Band III; Berlin 1924. Seite 97ff.'' | ||
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Der Anarchismus geht davon aus, daß diese Normen und Werte darin bestehen, daß die Menschen in einer anarchistischen Gesellschaft verantwortungsvoll, solidarisch und altruistisch handeln und daß sie die Eigennutzenmaximierung zu Gunsten der Berücksichtigung allgemeiner Interessen aufgeben. Durch eine Sozialisierung in einem gesellschaftlichen System, das auf Werten wie Kooperation, Solidarität und Altruismus an Stelle von Konkurrenz, Eigennutzenmaximierung und Egoismus basiert, sei dies sehr wohl möglich. | Der Anarchismus geht davon aus, daß diese Normen und Werte darin bestehen, daß die Menschen in einer anarchistischen Gesellschaft verantwortungsvoll, solidarisch und altruistisch handeln und daß sie die Eigennutzenmaximierung zu Gunsten der Berücksichtigung allgemeiner Interessen aufgeben. Durch eine Sozialisierung in einem gesellschaftlichen System, das auf Werten wie Kooperation, Solidarität und Altruismus an Stelle von Konkurrenz, Eigennutzenmaximierung und Egoismus basiert, sei dies sehr wohl möglich. | ||
*''Auszug aus Fuchs, Christian (2001): „Soziale Selbstorganisation im informationsgesellschaftlichen Kapitalismus“, Selbstverlag (S. 207)'' | *''Auszug aus Fuchs, Christian (2001): „Soziale Selbstorganisation im informationsgesellschaftlichen Kapitalismus“, Selbstverlag (S. 207)'' | ||
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== Diskurs und höhere Moral == | == Diskurs und höhere Moral == |
Revision as of 21:51, 16 April 2006
Diese ausgewählten Auszüge und Zitate sind Arbeitsmaterial für das Seminar "Herrschaftsfreie Welt. Anarchie, Basisdemokratie, Radikaldemokratie und andere Utopien", welches vom 21.-23. April 2006 in der Projektwerkstatt Saasen statt findet.
Contents
Auszüge und Zitate: Anarchie und Anarchismus
- Umfangreiche Textsammlung anarchistischer 'KlassikerInnen' auf anarchismus.at - daher stammen auch viele Zitate!
Definition
"Demokratie" ist ein Begriff, der aus dem Griechischen kommt und übersetzt "Volksherrschaft" heißt. Ich interpretiere dies als Selbstherrschaft des 'Volkes', oder - um den Begriff der 'Herrschaft' zu vermeiden - als 'Volks'-Selbstbestimmung. Direkte Demokratie meint also die unmittelbare 'Volks'-Selbstbestimmung.
- Ralf Burnicki (1998): "Anarchie als Direkt-Demokratie", Syndikat A in Moers (S. 9)
Anarchismus (von Griechisch an und archos, Gegenteil von Herrschaft), Bezeichnung eines Prinzips oder einer Theorie des Lebens und Verhaltens, dem zufolge die Gesellschaft ohne Regierung gedacht wird. Harmonie wird in solch einer Gesellschaft nicht durch Unterwerfung unter das Gesetz oder durch Gehorsam vor irgendeiner Autorität erreicht, sondern durch freie Vereinbarungen, die zwischen verschiedenen Gruppen getroffen werden. Diese Gruppen würden nach territorialen und beruflichen Unterteilungen frei eingesetzt, zum einen um Produktion und Verbrauch zu regeln, zum anderen um die Befriedigung der unendlichen Vielfalt von Bedürfnissen und Wünschen des zivilisierten Menschen zu sichern. In einer Gesellschaft, die nach diesen Prinzipien entwickelt wurde, würden die freiwilligen Vereinigungen (...) eine noch größere Ausdehnung annehmen, um so den Staat in allen seinen Funktionen zu ersetzen. Sie würden ein eng verknüpftes Netzwerk bilden, zusammengesetzt aus einer endlosen Vielzahl von Gruppen und Vereinigungen aller Größen und Grade (...).
- Peter Kropotkin: Anarchismus. Aus der Encyclopaedia Britannica von 1910)
Der Anarchismus ist keine Patentlösung für alle menschlichen Probleme, keine Utopie einer perfekten Gesellschaftsordnung (wie er so oft bezeichnet wurde), weil er grundsätzlich alle absoluten Schemata und Konzepte verwirft. Er glaubt nicht an eine absolute Wahrheit oder an bestimmte Endziele der menschlichen Entwicklung. Vielmehr an eine unbegrenzte Vervollkommnungsfähigkeit von sozialen Modellen und menschlichen Lebensbedingungen, (...) denen man (...) keinen bestimmten Endpunkt und kein festes Ziel zuweisen kann.
- Rudolf Rocker: Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus
Dem Anarchismus geht es um die unmittelbare Entscheidungsfindung durch Betroffene unter Abwesenheit von Autorität, Herrschaft und Hierarchie. Die Abwesenheit solcher Strukturen, Verhältnisse und Prozesse kann als Annäherung an eine Symmetrisierung der Machtverhältnisse gesehen werden. Symmetrische Macht bedeutet, daß jedeR Betroffene dieselben Möglichkeiten und Ressourcen besitzt, entsprechende Entscheidungen im eigenen Sinn zu beeinflussen. Partizipatorische Basisdemokratie, alle Betroffenen entscheiden alles, das sie betrifft ﷓ so könnte ein Ideal des Anarchismus formuliert werden. Und dieses Ideal kommt der Vorstellung der Etablierung inklusiver sozialer Information durch Prozesse der sozialen Selbstorganisation sehr nahe.
- Fuchs, Christian (2001): „Soziale Selbstorganisation im informationsgesellschaftlichen Kapitalismus“, Selbstverlag (S. 209)
Arbeit, Ökonomie und Eigentum
Die Organisation von den Arbeitsstätten und Arbeitsbeziehungen aus, das ist die politische und wirtschaftliche Gesellschaftsform der Anarchisten, das ist die staatlose, die dem Staat entgegengesetzte Gesellschaftsform der Anarchie. [...] Die alten politischen Systeme würden also ersetzt werden durch die Repräsentation der Arbeit.
- Erich Mühsam: Alle Macht den Räten. Aus: Fanal Nr. 3 / 1930 (5.Jahrgang)
Das Recht auf Wohlstand ist die soziale Revolution, das Recht auf Arbeit ist günstigstenfalls ein industrielles Zuchthaus.
- Peter Kropotkin: Die Eroberung des Brotes. Grafenau: Trotzdem Verlag
Das Lohnsystem hat seinen Ursprung in der persönlichen Aneignung des Grundes und Bodens und der Arbeitsinstrumente durch einige wenige. Es war dies eine notwendige Bedingung für die Entwicklung der kapitalistischen Produktion. Das Lohnsystem wird mit dieser verschwinden, selbst wenn man es unter der Form von „Arbeitsbons“ wird vermummen wollen.
- Peter Kropotkin: Die Eroberung des Brotes. Grafenau: Trotzdem Verlag
Unter der Gefahr des Untergangs sind die menschlichen Gesellschaften gezwungen, auf folgende Fundamentalprinzipien zurückzukommen: die Produktionsmittel müssen als Kollektivprodukt der Menschheit wieder in Kollektivbesitz der Menschheit gelangen; (...) alles soll allen gehören, da alle dessen bedürfen, da alle nach Maßgabe ihrer Kräfte den Reichtum haben schaffen helfen, und da es faktisch unmöglich ist, den Anteil zu bestimmen, der in der gegenwärtigen Produktion einem jeden zufallen könnte.
- Peter Kropotkin: Die Eroberung des Brotes. Grafenau: Trotzdem Verlag
Alles soll allen gehören! Vorausgesetzt, daß Mann und Weib die ihnen mögliche Arbeit liefern, haben sie ein Recht auf den ihren Bedürfnissen entsprechenden Teil des Gesamtprodukts.
- Peter Kropotkin: Die Eroberung des Brotes. Grafenau: Trotzdem Verlag
Kooperation in jeder Gestalt ist zweifellos die rationale und gerechte Form der zukünftigen Produktion. Um aber ihr Ziel erreichen zu können - die Befreiung der arbeitenden Massen und ihre volle Entlohnung und Zufriedenstellung - ist es unerläßlich, daß Land und Kapital in jeder Hinsicht zum Kollektivbesitz gemacht werden.
- Michail A. Bakunin (1873): Staatlichkeit und Anarchie, S.639
Staat und Herrschaft
Bis jetzt war die ganze Geschichte der Menschheit nur ein beständiges und blutiges Opfern von Millionen armer menschlicher Wesen für irgendeine unerbittliche Abstraktion: Götter, Vaterland, Staatsmacht, nationale Ehre, geschichtliche Rechte, juridische Rechte, politische Freiheit, öffentliches Wohl.
- Michail A. Bakunin: Gott und der Staat. Grafenau: Trotzdem Verlag
Es gibt keine andere Unterwerfung von Menschen unter die Macht anderer als ihre Fesselung in wirtschaftliche Hörigkeit. Das politische Zwangsinstrument dieser wirtschaftlichen Fesselung ist der Staat.
- Erich Müm (1926): Staatsverneinung. In: FANAL, Jahrgang 1, Nummer 1, Oktober 1926
Vorrechte, jede bevorrechtete Stellung haben die Eigentümlichkeit, Geist und Herz der Menschen zu töten. [...] Eine wissenschaftliche Körperschaft, welcher die Regierung der Gesellschaft anvertraut wäre, würde sich bald gar nicht mehr mit der Wissenschaft, sondern mit ganz anderen Dingen beschäftigen; sie würde, wie alle bestehenden Mächte, sich damit befassen, sich ewige Dauer zu verschaffen (...).
- Michail A. Bakunin: Gott und der Staat. Grafenau: Trotzdem Verlag
Auf diese Weise entwickelte sich der moderne Staat (...). Die neu entstandenen besitzenden Klassen benötigten ein politisches Machtinstrument, um ihre ökonomischen und sozialen Privilegien gegenüber den Massen des Volkes zu behaupten.
- Rudolf Rocker: Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus
Dafür, daß es AnarchistInnen um Herrschaftslosigkeit geht, ist ihre Theorie, was Herrschaft ist, oft erstaunlich schlicht. Herrschaft wird zumeist als reiner Zwangszusammenhang mißverstanden, d.h. die mittels eines Gewaltapparats aufrechterhaltene Diktatur einer Minderheit über die Mehrheit. [...] Die Untertanen tauchen ausschließlich als Opfer staatlicher Gewalt auf.
- Junge Linke: Kritik am Anarchismus
Revolution und Organisierung
- 1. Abschaffung des Privateigentums an Boden, an Rohstoffen und Werkzeugen, damit niemand mehr die Mittel habe, von der Ausbeutung fremder Arbeitskraft zu leben und jeder, da er der Mittel zur Produktion und zum Leben sicher ist, wahrhaft unabhängig sei und in der Lage, sich freiwillig mit anderen um eines gemeinsamen Zieles wegen zu vereinigen, und zwar entsprechend seinen ganz persönlichen Sympathien.
- 2. Abschaffung von Herrschaft und jeder Gewalt, die Gesetze macht und sie den anderen aufzwingt: daher Abschaffung der Monarchien, Republiken, Parlamente, Armeen, Polizeikräfte, Magistraturen und jeder Art von Institutionen, die mit repressiver Gewalt ausgestattet ist.
- 3. Organisation des sozialen Lebens durch freie Assoziation und Förderationen von Produzenten und Konsumenten, die gemäß den Wünschen ihrer Mitglieder geschaffen und verändert werden, durch Wissenschaft und Erfahrung geleistet werden und frei sind von jeder Art Zwang, der nicht natürlichen Bedürfnissen entspringt, denen sich jeder freiwillig unterwirft, weil ihn ein Gefühl unabdingbar Notwendigkeit überzeugt hat.
- 4. Die Mittel zum Leben, zur Entfaltung aller Fähigkeiten und zum Wohlsein werden Kindern und all denjenigen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, garantiert.
- 5. Krieg den Religionen und allen anderen Lügen, selbst denen, die sich den Mantel der Wissenschaftlichkeit umwerfen. Fortgeschrittene wissenschaftliche Bildung für alle.
- 6. Krieg den Rivalitäten und den nationalen Vorurteilen. Abschaffung der Grenzen; Brüderlichkeit zwischen allen Völkern.
- 7. Regeneration der Familie, wie sie sich aus der Praxis der Liebe ergeben wird, die von jedem gesetzlichen Zwang, jeder ökonomischen Unterdrückung, jedem religiösen Vorurteil befreit ist.
- Errico Malatesta: Ein anarchistisches Programm. In: Gesammelte Schriften Band 1, Karin Kramer Verlag, Berlin, 1977
In einer sozialen Revolution, die einer politischen Revolution in allem diametral entgegengesetzt ist, zählen die Aktionen von Individuen fast gar nicht, während die spontane Aktion der Massen alles bedeutet. Was Individuen zu tun in der Lage sind, beschränkt sich darauf, Vorstellungen zu erläutern, zu propagieren und auszuarbeiten, die dem Masseninstinkt entsprechen, und, was mehr ist, ihre endlosen Bemühungen der revolutionären Organisation der natürlichen Macht der Massen zu widmen - aber nicht mehr als das; der Rest kann und muß vom Volke selbst getan werden. Jede andere Methode würde zu politischer Diktatur, zum Wiedererstehen des Staates, zu Privilegien und Ungleichheiten (...) führen.
- Bakunin: Sozialismus und Freiheit. Aus: Achim v. Borries / Ingeborg Brandies: Anarchismus. Theorie, Kritik, Utopie. Joseph Melzer Verlag, Frankfurt 1970
Die Vorstellung vom fesselosen Tun, dem ununterbrochenen Zeugen, der pausbäckigen Unersättlichkeit, der Freiheit als Hochbetrieb zehrt von jenem bürgerlichen Naturbegriff, der von je einzig dazu getaugt hat, die gesellschaftliche Gewalt als unabänderliche, als ein Stück gesunder Ewigkeit zu proklamieren. Darin und nicht in der vorgeblichen Gleichmacherei verharrten die positiven Entwürfe des Sozialismus, gegen die Marx sich sträubte, in der Barbarei. Nicht das Erschlaffen der Menschheit in Wohlleben ist zu fürchten, sondern die wüste Erweiterung des in Allnatur vermummten Gesellschaftlichen, Kollektivität als blinde Wut des Machens.
- Theodor W. Adorno: sur l'eau. In: Minima Moralia, Suhrkamp Verlag
Für die Arbeiter ist der Generalstreik die logische Folge des modernen industriellen Systems, dessen Leidtragende sie heute sind; zugleich bietet er ihnen die stärkste Waffe im Kampf für ihre soziale Befreiung (...).
- Rudolf Rocker: Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus
Um unsre Angelegenheit vernünftig und gerecht zu ordnen, werden wir nur selten die ganze Menschheit bemühen müssen, wir bedürfen keines Menschenparlaments und keiner Weltbehörde.
- Gustav Landauer: Anarchismus - Sozialismus. In: Der Sozialist, 7.9.1895
Charakteristisch für die Rätemodelle des Anarchismus sind föderalistische Vorstellungen, nach denen Entscheidungen, die nicht nur eine Organisationseinheit betreffen, sondern mehrere, in der Form von Föderationsräten behandelt werden sollten. Im allgemeinen wird in der Demokratietheorie davon ausgegangen, daß direkt- und basisdemokratische Entscheidungsmechanismen in großen Organisationsstrukturen schwierig sind und für kleinere organisatorische Einheiten geeignet sind. Im Fall von Versammlungsmodellen scheitert ein Rat, in dem alle Betroffenen direkt miteinander diskutieren, spätestens dann, wenn es zu viele Menschen sind, die eine Entscheidung miteinander gestalten wollen. Zehntausende können nicht auf demokratische Weise in einer Versammlung direkt miteinander kommunizieren. Daher sind Föderationsmodelle für den Anarchismus naheliegend.
Nach anarchistischen Vorstellungen sind in Föderationsräten Delegierte der unterhalb der Föderation liegenden organisatorischen Einheiten vertreten. Die unterschiedliche Gestaltungsweise dieser Räte hat Einfluß auf den Inklusions- und Exklusionsgrad der entstehenden sozialen Informationen. Eine wesentliche Frage besteht darin, ob Delegierte entscheidungsbefugt sind oder ob sie als reine kommunikative Schnittstellen betrachtet werden. Viele Rätemodelle gehen davon aus, daß Delegierte von ihrer Basis gewählt werden sollen und jederzeit von ihr abberufen werden können. Damit ist die Vorstellung verbunden, daß diese Delegierten im eigenen Ermessen in Föderationsräten entscheiden. Es entsteht damit aber die Gefahr der Loslösung von Entscheidungen von ihrer Basis. Insbesondere ist dies problematisch, wenn es mehrere Föderationsstufen gibt und dieselben Delegierten die Möglichkeit haben, in mehreren Stufen vertreten zu sein und unabhängig von ihrer Basis Entscheidungen zu treffen. Es kann dann sehr leicht, so entsprechende anarchistische KritikerInnen, zur Ausbildung von Hierarchien und asymmetrischer Machtverteilung kommen. Ist dies der Fall, so werden der Selbstorganisations- und Inklusionsgrad der in den Föderationsräten entstehenden sozialen Informationen deutlich abgeschwächt. Entscheidungen, die in Föderationsräten entstehen, betreffen viele Menschen. Im beschriebenen Fall, hat aber nicht mehr jedeR dieselbe Möglichkeit, Entscheidungen zu beeinflussen. Delegierte haben dann mehr Macht als ihre Basis.
Wiederum anders zu betrachten ist das erleuterte horizontale Modell, das davon ausgeht, daß Delegierte keinen Spielraum zur selbständigen Entscheidung bekommen sollten, sondern Kommunikationsschnittstellen zwischen organisatorischen Einheiten oder Interessensgruppen darstellen. Soll eine Entscheidung getroffen werden, so treffen Delegierte aller Einheiten und Interessensgruppen, die davon betroffen sind, zusammen und diskutieren das Problem. Sie können allerdings keine Entscheidungen treffen, müssen also wiederum Rücksprache mit ihren Basen halten, deren Meinung sich durch den übergreifenden Diskussionsprozeß möglicherweise geändert hat. Die Delegierten vertreten die Interessen ihrer Basis in Diskussionen mit anderen Gruppen und sind Kommunikationsschnittstellen zwischen ihrer Basis und den Menschen, die sich in anderen Gruppen und Einheiten organisieren.
- Auszug aus Fuchs, Christian (2001): „Soziale Selbstorganisation im informationsgesellschaftlichen Kapitalismus“, Selbstverlag (S. 209 ff.)
Kollektiv und Individuum
Anarchismus ist die Weigerung das Allgemeine zu denken. [...] Vernünftig ist es, der Individualität der Dinge gerecht zu werden. Keine Wissenschaft, keine Politik, keine Moral und keine Religion nimmt uns die eigene Entscheidung ab.
- Verycken, Laurent (1994): Anarchie. In: Formen der Wirklichkeit. Auf den Spuren der Abstraktion. Penzberg: GrundRiss-Verlag
Wer ist das "Volk"? Die Antwort ist einfach. Dies sind alle Leute, die von einer Politik betroffen sind, egal, welche Sprache, Religion, Hautfarbe oder Ohrgröße sie haben.
- Ralf Burnicki (1998): "Anarchie als Direkt-Demokratie", Syndikat A in Moers (S. 9)
Die Volksmassen sind zu Opfern stets bereit, bilden eine Macht und sind deshalb so brutal, wild und entschlossen, Heldentaten zu vollbringen (...), weil sie, die wenig oder gar nichts besitzen, nicht vom Besitzstreben verdorben sind. ...
Die besten Männer der bürgerlichen Welt von Geburt und nicht aus Überzeugung und Ehrgeiz, können nur unter einer Bedingung nützlich sein, daß sie im Volk aufgehen, in der Sache, die nur das Volk betrifft.
- Bakunin, zitiert in: Grosche, Monika (2003): "Anarchismus und Revolution", Syndikat A in Moers (S. 42 ff.)
Nach mancherlei zweifelndem Schwanken hat sich in den Bewegungen des kommunistischen Anarchismus und des Anarchosyndikalismus das Bekenntnis zur Räterepublik als der freiheitlichen Gesellschaftsform des Sozialismus ziemlich allgemein durchgesetzt. Die Losung "Alle Macht den Räten" (...) erwies sich als so erschöpfender Ausdruck des wahren Willens der gesamten revolutionären Arbeiterschaft in allen Ländern (...).
- Erich Mühsam: Alle Macht den Räten (http://www.anarchismus.at/txt2/muehsam7.htm)
Unsere Erörterungen deuteten indessen an, daß das System der Gütergemeinschaft keineswegs die einzelnen Menschen zum bloßen subjektiven Anhängsel der stofflichen Welt degradiere, sondern vielmehr dazu geeignet sein werde, jede einzelne Individualität vollkommen frei zur Geltung zu bringen. Ebenso haben wir auseinandergesetzt, daß und wieso die Anarchie (Herrschaftslosigkeit) das Zusammenwirken mehrerer, vieler oder aller (...) zur Erreichung gemeinsamer Zwecke keineswegs ausschließe.
- Johann Most: Kommunistischer Anarchismus. Lich: Verlag Edition AV
Denn es gibt tatsächlich keinen Geist, (...) es gibt keine Kombination von klugen Köpfen, die so gewaltig wäre, all die unendliche Vielfalt und Verschiedenartigkeit realer Interessen, Sehnsüchte, Willensäußerungen und Bedürfnisse zu umfassen, die in ihrer Totalität den kollektiven Willen des Volkes konstituieren (...).
- Bakunin: Sozialismus und Freiheit. Aus: Achim v. Borries / Ingeborg Brandies: Anarchismus. Theorie, Kritik, Utopie. Joseph Melzer Verlag, Frankfurt 1970
Auf dieser Fiktion einer Pseudovolksvertretung und auf dem wirklichen Faktum, daß die Volksmassen von einer kleinen Handvoll Privilegierter regiert werden. Gewählter oder sogar nicht Gewählter durch die Menge des Volkes, das man zu den Wahlen zusammengetrieben hat, und das nie weiß, wozu und wen es wählt; auf diesem vermeintlichen und abstrakten Ausdruck dessen, was angeblich das ganze Volk denkt und will, wovon aber das lebendige, reale Volk auch nicht die geringste Vorstellung hat, darauf basiert in gleicher Weise die Theorie der Staatlichkeit und die Theorie der sogenannten revolutionären Diktatur.
- Michail A. Bakunin (1873): Staatlichkeit und Anarchie, S.564-565
Es gibt nur noch eine einzige Macht, eine einzige Diktatur, deren Organisation heilbringend und möglich ist, das ist die kollektive und unsichtbare Diktatur der Alliierten im Namen unseres Prinzips, und diese Diktatur wird um so heilbringender und mächtiger sein, da sie mit keiner offiziellen Macht sichtbarer Art bekleidet ist. Um sie aber zu bilden, dazu gehören wirklich starke Männer, (...) die wirkliche Macht dem Schein der Macht vorziehen und die endlich verstehen, daß unser Jahrhundert das der kollektiven, nicht der individuellen Kräfte ist, und daß die Kollektivität alle jene zermalmen wird, die sich ihr aufzwingen wollen.
- Aus „Briefe Bakunins an Albert Richard über die Alliance 1868, 1870“. Michael Bakunin, Gesammelte Werke, Band III; Berlin 1924. Seite 97ff.
Der Anarchismus geht davon aus, daß diese Normen und Werte darin bestehen, daß die Menschen in einer anarchistischen Gesellschaft verantwortungsvoll, solidarisch und altruistisch handeln und daß sie die Eigennutzenmaximierung zu Gunsten der Berücksichtigung allgemeiner Interessen aufgeben. Durch eine Sozialisierung in einem gesellschaftlichen System, das auf Werten wie Kooperation, Solidarität und Altruismus an Stelle von Konkurrenz, Eigennutzenmaximierung und Egoismus basiert, sei dies sehr wohl möglich.
- Auszug aus Fuchs, Christian (2001): „Soziale Selbstorganisation im informationsgesellschaftlichen Kapitalismus“, Selbstverlag (S. 207)
Doch die Alternative besteht in einem freiheitlichen Sozialismus, zum Beispiel auf anarchokollektivistischer Grundlage ...
- Aussage auf Internetseiten der FdA (eine der identitären Anarch@-Zusammenhänge)
Diskurs und höhere Moral
Und da feststeht, daß alle Völker zu allen Zeiten ihrer Geschichte an Gott glaubten und noch glauben, müssen wir daraus einfach schließen, daß die aus uns selbst hervorgegangene Gottesidee ein in der Entwicklung der Menschheit geschichtlich notwendiger Irrtum ist (...).
- Michail A. Bakunin: Gott und der Staat. Grafenau: Trotzdem Verlag
Alle Religionen mit ihren Göttern, Halbgöttern, Propheten, Erlösern und Heiligen wurden von der leichtgläubigen Phantasie von Menschen geschaffen, die noch nicht zur vollen Entwicklung und zum Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten gelangt waren; der Himmel der Religion ist also nichts als eine Lichtspiegelung, in der der Mensch, von Unwissenheit und Glauben überspannt, sein eigenes Bild wiedersieht, aber vergrößert und verkehrt, d.h. vergöttlicht.
- Michail A. Bakunin: Gott und der Staat. Grafenau: Trotzdem Verlag
Hat man die offizielle Moral erst einmal all dessen entkleidet, was dazu dient, die Privilegien und die Gewalt der Herrschenden zu schützen, so bleibt doch stets ein Rest an Vorstellungen, die den allgemeinen Interessen entsprechen und Errungenschaft der gesamten Menschheit ohne Unterschied der Klassen oder Rassen sind.
- Errico Malatesta: Gesammelte Schriften, Band 2. Karin Kramer Verlag Berlin, 1980
(...) daß Ehe, Malochen, den Gesetzen gehorchen und Blumengießen kein tolles Leben ist, und die bürgerlichen Normen Herrschaftsmoral sind, haben zumindest die meisten Autonomen und AnarchistInnen gecheckt. An die Stelle der herrschenden kommt eine alternative Moral, die kaum weniger repressiv durchgesetzt wird.
- Junge Linke: Kritik am Anarchismus