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Difference between revisions of "Errico Malatesta/Anarchie"

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Revision as of 12:22, 22 October 2006

Anarchie ist ein griechisches Wort und bedeutet: Ohne Herrschaft. Es bezeichnet also den Zustand, in welchem ein Volk ohne festgesetzte Obrigkeit, ohne Regierung seine Angelegenheiten selbst besorgt. Ehe denkende Menschen diesen Zustand als möglich und wünschenswert erkannt haben, ehe derselbe das Ziel einer Bewegung wurde, die seitdem einer der wichtigsten Faktoren im sozialen Kampfe ist, faßte man das Wort »Anarchie« allgemein als Unordnung, Konfusion auf; und es wird noch heute so aufgefaßt von den unwissenden Massen, und von unseren Gegnern, in deren Interesse es liegt, die Wahrheit zu verheimlichen. Wir wollen hier nicht in das Gebiet der Sprach¬wissenschaft abschweifen, denn die Frage ist keine sprachwissenschaftliche, sondern eine geschichtliche. — Die allgemein angenommene Bedeutung des Wortes faßt den wirklichen, sprachlich begründeten Sinn desselben ganz richtig auf; das Mißverständnis entsteht aus dem Vorurteile, daß die Regierung, die Herrschaft notwendig zum Bestehen des gesellschaftlichen Lebens ist, und daß infolge dessen eine Gesellschaft ohne

Herrschaft der Unordnung anheimfallen muß, und zwischen der Allgewalt der Einen und der blinden Rache der anderen hin und herschwanken wird. Es ist leicht erklärlich, wie dieses Vorurteil entstanden ist, und wie dasselbe die Bedeutung des Wortes Anarchie in der Auffassung der Massen beeinflußt hat.

Wie alle Tiere, paßt sich der Mensch an und gewöhnt sich an die Verhältnisse, in denen er lebt; und die angenommenen Gewohnheiten vererbt er auf seine Nachkommen.

  • Der Mensch, der in Sklaverei geboren und aufgewachsen ist, und von einer langen Reihe von Sklaven abstammt, glaubte, als er anfing zu denken, daß die Sklaverei ein unvermeidlicher Zustand des Lebens sei; die Freiheit erschien ihm unmöglich. So geht es auch dem Arbeiter; seit Jahrhunderten ist er gezwungen, die Arbeit, das heißt das Brot, von der Laune eines Herrn zu erwarten; er ist daran gewöhnt, daß er fortwährend von der Gnade dessen abhängt, der den Boden und das Kapital besitzt; und am Ende glaubt er, daß es der Arbeitgeber ist, der ihm zu essen gibt. In seiner Leichtgläubigkeit sagt er: »Wie würde ich denn leben können, wenn es keine Herren gäbe.'«

So würde es einem Menschen ergehen, dessen Füße seit seiner Geburt gefesselt wären, aber so, daß er doch ein wenig gehen könnte; er würde vielleicht sagen, daß er sich darum bewegen kann, weil er Fesseln anhat, obgleich im Gegenteil die Fesseln ihn am. freien Bewegen hindern.

(tbc)

Kategorie:Texte